Hamburg. Erstmals wird der Einfluss von Zuwanderung auf die Leistungen berücksichtigt. Die Studie liegt dem Abendblatt exklusiv vor.

Es ist ein kaum für möglich gehaltenes Ergebnis: Hamburger Neuntklässler landen in einer Leistungsvergleichsstudie unter bestimmten Voraussetzungen zum ersten Mal auf Platz eins. Bislang zählte Hamburg bei Vergleichen der 16 Bundesländer zusammen mit den anderen Stadtstaaten häufig zu den Schlusslichtern.

Beim Bildungstrend 2016 des Berliner Instituts für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) hatten die Hamburger Neuntklässler beim Lese- und Hörverständnis in Deutsch bereits einen Mittelplatz und in Englisch sogar Platz vier im Länderranking belegt.

Eine erstmals durchgeführte Detailauswertung der Daten durch das Hamburger Institut für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung (IfBQ) hat nun ergeben, dass die Hamburger Neuntklässler ohne Zuwanderungshintergrund bundesweit Platz eins in den vier Bereichen Lesen und Hören in Deutsch und Englisch belegen. Lediglich in der deutschen Rechtschreibung schneiden sie schlechter ab und landen auf dem fünften Platz.

Hamburgs Schulsenator sieht sich bestätigt

Beim Lesen im Fach Deutsch erreichen die Hamburger zum Beispiel einen Mittelwert von 544 Punkten und schneiden damit um 13 Punkte besser ab als die drittplatzierten bayerischen Altersgenossen ohne Zuwanderungshintergrund. Die Differenz entspricht etwa einem Lernjahr.

„Platz eins bei der größten Schülergruppe in Deutschland – das zeigt, dass Hamburgs Lehrkräfte, Schulen und Schulpolitik schon jetzt hervorragend arbeiten“, sagt Schulsenator Ties Rabe (SPD). „Diesen Kurs werden wir fortsetzen und weiterhin alle Kraft in guten Unterricht investieren.“

Die Kehrseite des erfreulichen Trends: Bei den Schülern mit Migrationshintergrund schneidet Hamburg deutlich schlechter ab und belegt etwa im Bereich „Deutsch Lesen“ Rang zwölf. Die Differenz zu den Hamburger Schülern ohne Zuwanderungshintergrund ist mit 75 Punkten erheblich. Vor allem den Kindern, deren Mutter und Vater im Ausland geboren wurden, bereitet das Fach Deutsch Probleme. „Hier müssen wir noch besser werden, denn wir wollen jeden Schüler zum Erfolg führen“, sagt Rabe, der die Schulen mit sozial benachteiligter Schülerschaft noch gezielter fördern will.

So wurde getestet

Es ist ein Mammutunternehmen: Das Berliner Institut für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) hat 2015 exakt 33.110 Schülerinnen und Schüler der neunten Klassen aus 1513 Schulen aller 16 Bundesländer in Deutsch und Englisch getestet. Als die ersten Ergebnisse Ende Oktober 2016 veröffentlicht wurden, zeigte sich eine erfreuliche Tendenz: Die Hamburger Neuntklässler hatten sich beim Lese- und Hörverständnis in Deutsch auf einen Mittelplatz und in Englisch auf Platz vier im Länderranking verbessert. Nur in der Rechtschreibung zählen die Hamburger zu den Schlusslichtern, wie es bislang eher die Regel war.

Eine weitere Detailauswertung der Daten durch das Hamburger Institut für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung (IfBQ), die dem Abendblatt exklusiv vorliegt, hat nun ergeben, dass die Hamburger unter bestimmten Voraussetzungen sogar ganz vorn im Ländervergleich liegen. Betrachtet man die Gruppe der Schüler ohne Zuwanderungshintergrund, dann erreichen die Hamburger Neuntklässler Platz eins in den vier Bereichen der Fächer Deutsch und Englisch. Nur in der Rechtschreibung liegen die Schüler auf Platz fünf. Verglichen wurden jeweils die mittleren Kompetenzstände der Schüler.

Hamburg zieht an Sachsen und Bayern vorbei

Hamburg zieht damit auch an den traditionellen Topländern Sachsen und Bayern vorbei. Im Bereich Deutsch Lesen beträgt der Vorsprung gegenüber Bayern 13 Punkte – was in etwa einem Lernjahr entspricht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Anteil der Schüler ohne Zuwanderungshintergrund von Land zu Land extrem unterschiedlich ist. Die Quote ist in den ostdeutschen Ländern und Bayern mit mehr als 90 Prozent am höchsten, in den Stadtstaaten am niedrigsten.

In Hamburg und Berlin beträgt der Anteil der Schüler, deren alleinige Muttersprache Deutsch ist, 57,6 Prozent. Die Berliner Neuntklässler belegen allerdings beim Lesen eines Textes auf Deutsch mit 528 Punkten nur Rang fünf. Die geringste Quote von Schülern ohne Zuwanderungshintergrund verzeichnet Bremen mit 51,9 Prozent. Die Bremer Schüler landen beim Leseverständnis auf dem letzten Platz. Der Abstand zu den Hamburgern beträgt 47 Punkte – das entspricht gut drei Lernjahren.

Leitartikel: Brisante Zahlen zu Hamburgs Schülern

Das Beispiel zeigt auch: Der hohe Anteil von Schülern mit Zuwanderungshintergrund wirkt sich in Hamburg nicht leistungsmindernd auf die anderen Schüler aus. Dieser Befund gilt ebenso für das Fach Englisch, in dem die Hamburger schon immer vergleichsweise gute Resultate erzielten. Im IQB-Ländervergleich belegen die Hamburger Neuntklässler ohne Zuwanderungshintergrund beim Lese- und Hörverstehen jeweils Platz eins vor Bayern bzw. Schleswig-Holstein. In der deutschen Rechtschreibung langt es für die Hamburger nur zu Rang fünf mit 522 Punkten, was in etwa dem Durchschnitt aller Länder mit 520 Punkten entspricht.

Schulsenator Ties Rabe begeistert

„Platz eins bei der größten Schülergruppe in Deutschland – das zeigt, dass Hamburgs Lehrkräfte, Hamburgs Schulen und Hamburgs Schulpolitik schon jetzt hervorragend arbeiten“, sagt Schulsenator Ties Rabe (SPD). „Aber wir müssen besser sein als andere Bundesländer, denn wir haben auch eine anspruchsvollere Schülerschaft und wollen jeden Schüler zum Erfolg führen.“

Aber: Bei den Schülern mit Migrationshintergrund schneidet Hamburg relativ schlecht ab. Im Bereich Deutsch Lesen belegt der Stadtstaat Rang zwölf mit 469 Punkten. Die Differenz zu den Mitschülern ohne Zuwanderungshintergrund ist mit 75 Punkten erheblich. Ein Ausreißer ist das Hörverstehen im Englischen, 506 Punkte bedeuten hier bundesweit Rang vier. Die größten Probleme haben auch die Schüler mit mindestens einem nicht deutschen Elternteil in der Rechtschreibung – 473 Punkte bedeuten den vorletzten Platz.

Deutliche Unterschiede ergeben sich zwischen den Schülern mit einem oder zwei im Ausland geborenen Elternteilen. Die Schüler, deren Vater und Mutter nicht aus Deutschland stammen, erreichen beim Leseverstehen in Deutsch nur 449 Punkte. Ist hingegen nur der Vater oder die Mutter zugewandert, dann beträgt der Wert 510 Punkte. Diese Schülergruppe weist sogar deutlich bessere Leitungen auf als die Bremer Altergenossen ohne Zuwanderungshintergrund, die nur 497 Punkte erreichen.

„Bemerkenswert ist, dass Schüler mit einem im Ausland geborenen Elternteil gut aufgeholt haben. Weniger gut ist die Bildung von Schülern, bei denen beide Eltern im Ausland geboren sind. Hier müssen wir noch besser werden“, sagt Rabe. Mit dem „Projekt D23“ seien bereits gezielte Unterstützungsmaßnahmen für 23 Schulen mit sozial benachteiligter Schülerschaft eingeleitet. „Dieses Projekt werden wir weiterentwickeln und noch stärker auf benachteiligte Schüler ausrichten“, so der Senator.