Hamburg. CDU-Politikerin Karin Prien wirft dem Schulsenator „Trickserei“ vor und kritisiert die Art vieler Vertretungen.
Seit gut zwei Jahren sind die Schulen verpflichtet, ein Computerprogramm mit der Zahl ausgefallener, vertretener und regulär gegebener Unterrichtsstunden regelmäßig zu füttern. So entsteht ein praktisch lückenloses und detailliertes Bild vom Ausmaß des Stundenausfalls – für die meisten Eltern ein zentrales Kriterium für die Qualität von Schule.
Aber die Zahlen sind interpretierbar: Während sich Schulsenator Ties Rabe (SPD) vor Kurzem darüber freute, dass der Unterrichtsausfall im ersten Halbjahr an den staatlichen Schulen nur 0,7 Prozent betrug (2014: 1,2 Prozent), kommt die CDU-Schulpolitikerin Karin Prien zu einer negativeren Bewertung. „Leider ist die Entwicklung beim Unterrichtsausfall alles andere als zufriedenstellend, darüber kann auch die statistische Trickserei des Senators nicht hinwegtäuschen“, sagte Prien nach Auswertung der Daten, die der Senat ihr in seiner Antwort auf eine Kleine Anfrage mitgeteilt hatte.
Erhebliche Unterschiede zwischen Schulformen
Auffällig ist, dass der Anteil der Stunden, die dadurch vertreten werden, dass ein Lehrer einen Arbeitsauftrag erteilt oder dass Klassen zusammengelegt werden, seit 2014 deutlich gestiegen ist. Mit knapp 37 Prozent aller Vertretungsstunden machen die Arbeitsaufträge und Zusammenlegungen mehr als ein Drittel aller Vertretungsstunden aus. Im ersten Schulhalbjahr 2014/15 waren es lediglich 17,4 Prozent. Bezogen auf den gesamten Unterricht waren es 2,28 (1,12) Prozent.
„Jeder weiß, dass die durch Arbeitsauftrag vertretenen Unterrichtsstunden häufig nichts anderes als Unterrichtsausfall bedeuten, auch weil die Schüler sich selbst überlassen sind“, sagt Prien. Die Unterschiede zwischen den Schulformen sind erheblich: Vor allem an den weiterführenden Schulen ist der Anteil dieser Form des Vertretungsunterrichts in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen.
Immerhin: Der Trend eines immer weiteren Rückgangs des planmäßig gegebenen Unterrichts ist derzeit gestoppt. Im ersten Schulhalbjahr wurden knapp 87 Prozent der 5,125 Millionen Unterrichtsstunden regulär erteilt. Im zweiten Halbjahr 2015/16 waren es nur knapp 85 Prozent, von August 2014 bis Januar 2015 allerdings 89,3 Prozent.
Spitzenreiter beim regulär gegebenen Unterricht sind die Grundschulen mit 91,9 Prozent und die Sonderschulen mit 92,3 Prozent. Die Gymnasien konnten sich von knapp 82 Prozent (Februar bis Juli 2015) auf jetzt 85,3 Prozent verbessern, die Stadtteilschulen von 80,7 auf 83,4 Prozent.
Planmäßig gegeben und ausgefallen
Einen nicht zu unterschätzenden Anteil nicht regulär gegebener Stunden macht der „Unterricht in besonderer Form“ aus. Dazu gehören Exkursionen, Theaterbesuche, Projektwochen und Klassenreisen. In diese Kategorie fallen 6,1 Prozent aller Stunden – das sind deutlich weniger als im Schulhalbjahr zuvor mit 8,3 Prozent. Auffällig ist, dass dieser Unterricht an den Stadtteilschulen mit 9,35 Prozent den höchsten Wert erreicht.
Wenn ein Lehrer erkrankt oder der Unterricht aus einem anderen Grund auszufallen droht, gilt der Ersatz durch einen Fachlehrer als Ideallösung. Dieser „fachidentisch vertretene Unterricht“ machte im ersten Schulhalbjahr 2016/17 nahezu unverändert 3,53 Prozent der Gesamtstunden aus.
Erhebliche Unterschiede
Der Blick auf die einzelnen Schulen zeigt erhebliche Unterschiede. Acht Stadtteilschulen und Gymnasien haben eine Stundenausfallquote von mehr als zwei Prozent – bei einem landesweiten Durchschnitt von 0,7 Prozent. Negativer Spitzenreiter ist die Stadtteilschule Fischbek/Falkenberg mit 2,75 Prozent. 14 Schulen mussten mehr als zehn Prozent Vertretungsunterricht geben. Der Durchschnitt liegt bei 6,17 Prozent. Zum Teil sind kleine Standorte wie die Grundschule Fünfhausen-Warwisch (13,2 Prozent) betroffen, die aufgrund kleiner Kollegien praktisch nur sehr schwer für Ersatz sorgen können.
Um den Unterrichtsausfall zu verringern, stehen den Schulen nach Angaben der Behörde rund neun Prozent mehr Lehrerstunden zur Verfügung, als für eine 100-prozentige Unterrichtsabdeckung nötig wäre. „Mehr als zwei Prozent Unterrichtsausfall und mehr als zehn Prozent Vertretungsunterricht mit einem hohen Anteil an Arbeitsaufträgen sind besorgniserregend“, sagt Prien. „Trotz der eigenen Vertretungsbudgets bekommen einzelne Schulen das Problem nicht in den Griff.“
Rechtzeitig eingreifen
Prien fordert die Behörde auf, rechtzeitig einzugreifen. „Es ist nicht hinnehmbar, dass in einzelnen Klassen in einzelnen Fächern über Monate der Unterricht ausfällt.“ Nach Angaben der Behörde findet bei häufigem Unterrichtsausfall ein Gespräch zwischen Schulleitung und Schulaufsicht statt.