Flüchtlinge in Hamburg: Olaf Scholz fordert Ehrlichkeit
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Hamburg. Integration sei „nicht nebenbei“ zu machen, sagt der Bürgermeister beim SPD-Parteitag. Standing Ovations für Innensenator.
Bürgermeister Olaf Scholz hat davor gewarnt, die Herausforderungen kleinzureden, die der Zustrom von Flüchtlingenmit sich bringt. „Ich bin ausdrücklich dafür, dass wir realistisch sind“, sagte Scholz bei seiner Rede auf dem außerordentlichen Landesparteitag der Hamburger SPD zu den Themen Flüchtlinge und OlympiaBewerbung am Sonnabend im Bürgerhaus Wilhelmsburg. „Die Menschen, die zu uns kommen, sind nicht alle künftige Nobelpreisträger oder Ärzte. Sie haben sehr unterschiedliche Fähigkeiten und Qualifikationen.“
Die Aufnahme und Integration der Menschen „wird nicht leicht, und das sollte auch keiner sagen“, so Scholz. „Das ist keine Sache, die man nebenbei erledigen kann.“ Gleichwohl sei es eine moralische Verpflichtung, Flüchtlinge aufzunehmen. „Ich bin dagegen, dass man Menschen, denen man Schutz vor Verfolgung und Krieg bietet, danach beurteilt, ob sie auch nützlich sind“, sagte Scholz unter dem Beifall der Parteimitglieder. Es sei wichtig, die Menschen, die eine Bleibeperspektive hätten, bald in Arbeit zu bringen. Deswegen habe der Senat das Projekt „Wir“ ins Leben gerufen, mit dem man schnell einen Überblick über Qualifikationen der Flüchtlinge haben wolle.
„Arbeitsmigration und Asylrecht sind allerdings zwei unterschiedliche Dinge“, betonte der Bürgermeister mit Blick auf die starke Zuwanderung aus Ländern des Westbalkans wie Serbien, Kosovo oder Albanien. „Wer das Asylrecht hochhält, muss diese Dinge unterscheiden. Im westlichen Balkan geht es nicht um Verfolgung, da geht es um Arbeitsmigration“, so der Bürgermeister und SPD-Landeschef. „Für den westlichen Balkan brauchen wir einen Korridor für Arbeitsmigration, aber es ist nicht Asyl, das ist nicht das, was man an dieser Stelle benötigt.“
Flüchtlinge: Impressionen aus Hamburg und Europa
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Damit unterstrich Scholz den im später beschlossenen Leitantrag der Parteiführung verankerten Vorschlag, die Westbalkanstaaten zu sicheren Herkunftsländern zu erklären, um Asylanträge von Menschen aus diesen Ländern schnell ablehnen zu können. Schließlich dankte er den Hamburgern für ihr Engagement in der Flüchtlingshilfe. „Was Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes leisten, ist beeindruckend. Das gilt auch für die vielen Ehrenamtlichen.“
Die Aufnahme von Flüchtlingen und die Olympia-Bewerbung passten gut zusammen, so Scholz als Überleitung zum zweiten großen Thema des Parteitags. Bei beidem gingen die Menschen „über das Alltägliche hinaus“ und zeigten Emotionen und besonderes Engagement. Als zentrale Antwort auf die großen Herausforderungen nannte Scholz das Wachstum von Stadt und Wirtschaft. „Wir brauchen ein positives Verhältnis dazu, dass diese Stadt wächst“, so der Bürgermeister. Das gelte für alle Bereiche, für Wohnungsbau wie für neue Arbeitsplätze.
Innen- und Sportsenator Michael Neumann betonte in seiner Vorstellung der Olympia-Pläne ebenfalls die Verbindung zum Thema Flüchtlinge. Der Sport habe eine stark integrative Wirkung, so Neumann. „Denn beim Sport geht es nicht darum, wo du herkommst, sondern darum, wo du hinwillst.“ Olympische Spielen seien „das größte Rad, das man auf dieser Welt drehen kann“. Es gehe dabei um 44 Weltmeisterschaften gleichzeitig, um mehr als 10.000 Sportler – und Zuschauerzahlen von mehr als drei Milliarden weltweit. Bei den Paralympischen Spielen gebe es 25 Weltmeisterschaften und zwei Milliarden Zuschauer. Allein, dass Hamburg jetzt schon ständig mit den Mitbewerbern Los Angeles, Rom, Paris und Budapest genannt werde, hebe die Bekanntheit in einem Maße, das man sich nicht habe vorstellen können, so Neumann. „Allein der Weg bringt schon einen Erfolg für Hamburg und Deutschland mit sich.“
Neumann versprach, dass Zahlen zu den Kosten verlässlich sein würden. „Wir werden nicht versprechen, es kostet 77 Millionen, und nachher kostet es 800 Millionen“, sagte er mit Blick auf Fehlkalkulationen des CDU-Senats bei der Elbphilharmonie. Ende des Monats werde der Senat einen „Finanzreport“ vorlegen und darin so genau wie möglich sagen, was die Spiele kosten werden. Der Senat müsse bei dem Projekt mehr tun als ein Rechnungshof, so Neumann. „Wir müssen über die Risiken, aber auch über die Chancen unserer Stadt entscheiden.“ Ein absolutes Plus Hamburgs seien die kurzen Wege und das Prinzip, die Stadt selbst zu einem Stadion zu machen. Bei alldem gehe es nicht darum, „die Menschen zu bequatschen. Ich bin von diesem Konzept so überzeugt, dass wir die Menschen nur interessieren müssen. Alle, die einsteigen und sich informieren, werden am Ende so überzeugt sein, dass sie Ja sagen werden“, so Neumann, der von den Genossen schließlich mit Standing Ovations für sein bisher erfolgreiches Engagement für die Olympia-Bewerbung gefeiert wurde.
Zuvor hatte Edina Müller, Olympia-Siegerin im Rollstuhlbasketball, den Hamburgern die Unterstützung der Bewerbung ans Herz gelegt. Diese sei für Menschen mit Behinderung und den Abbau von Barrieren in der Stadt eine Chance. „Bei der Barrierefreiheit in allen Bereichen ist Hamburg sehr weit, aber es muss auch in den Köpfen ankommen“, sagte Müller. „Die Spiele können ein starker Motor sein. Das muss gelebt werden, das können die Paralympischen Spiele in Gang setzen.“
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