Hamburger Senat arbeitet an Hilfsbündnis für Flüchtlinge
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Hamburg. Johanniter und Malteser werden Unterkünfte betreiben, muslimische Verbände sollen bei Betreuung helfen. Bündnis scheint alternativlos.
Der Senat arbeitet mit Hilfsorganisationen und Religionsverbänden an einem Bündnis für Flüchtlinge. Nach Abendblatt-Informationen sollen neben der städtischen Gesellschaft „Fördern & Wohnen“ und dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) erstmals auch die Johanniter und Malteser große Unterkünfte weitgehend in Eigenregie betreiben. Muslimische Verbände und die Diakonie könnten durch die Übernahme von Betreuungsaufgaben zusätzliche Entlastung schaffen. „Die städtischen Stellen arbeiten bis zum Anschlag. Es ist nötig und richtig, alle Kräfte zu bündeln“, sagte SPD-Fraktionschef Andreas Dressel dem Abendblatt.
Die Innenbehörde sucht gezielt Gespräche mit den Organisationen und hat erste Vereinbarungen geschlossen. So werden die Johanniter von November an eine neue Erstaufnahmeunterkunft mit 950 Plätzen am Fiersbarg in Lemsahl-Mellingstedt betreiben. „Wir gehen davon aus, dass wir uns neben der Akuthilfe längerfristig in dem Bereich engagieren werden“, sagte Sprecherin Maria Egleder.
Die Malteser werden die Unterbringung von 130 Flüchtlingen in der Graf-von-Baudissin-Kaserne in Osdorf verantworten, Verhandlungen für eine weitere Unterkunft laufen. Der DRK-Kreisverband Harburg ist für den Betrieb zweier weiterer Flüchtlingscamps im Bezirk Eimsbüttel und das Großquartier am Aschenland in Neugraben-Fischbek mit insgesamt 4000 Plätzen hauptverantwortlich.
Einbindung der Hilfsorganisationen inzwischen alternativlos
Die Träger bekommen in der Regel kein Budget für den Betrieb der Unterkünfte, sondern erhalten eine Erstattung für die anfallenden Kosten. Offenbar ist die Einbindung der Hilfsorganisationen inzwischen alternativlos. „Wir hätten das Quartier in Fischbek nur noch schwerlich stemmen können“, sagte eine Führungskraft von „Fördern & Wohnen“. Nach Abendblatt-Informationen sprach der Senat bereits im August die Diakonie an, um sie für den Betrieb der Notunterkunft in der Messehalle B6 zu gewinnen. Eine Vereinbarung kam nicht zustande, da die Diakonie mehrere Wochen an Vorbereitungszeit benötigte.
Rembert Vaerst, Geschäftsführer von „Fördern & Wohnen“, begrüßt die Offensive des Senats. „Wir brauchen unsere bisherige Arbeit nicht zu verstecken, aber wir haben nun eine neue Situation“, sagte er. Bislang verantwortete „Fördern & Wohnen“ den Betrieb der Unterkünfte weitgehend allein, zuletzt wurde eine Überlastung immer deutlicher.
3000 Flüchtlinge müssen nach aktuellen Senatsangaben in Zelten leben. Wie Ehrenamtliche berichten, fehlten für 650 Flüchtlinge in der neuen Erstaufnahmestelle am Bargkoppelstieg (Rahlstedt) tagelang Dusch- und Waschräume, die Bewohner wurden nicht wie vorgeschrieben medizinisch untersucht. „Die Züge mit weiteren Flüchtlingen standen in Harburg, wir mussten die Unterkunft Hals über Kopf in Betrieb nehmen“, sagte Vaerst.
Die Schura könnte Seelsorge in den Unterkünften leisten
Parallel laufen Gespräche, um die derzeit 25.000 Flüchtlinge in städtischen Unterkünften auch von Hauptamtlichen der Wohlfahrt betreuen zu lassen. Die Spitze der Schura, dem Dachverband von 53 muslimischen Vereinen, traf sich mit den Fraktionschefs der Bürgerschaft und bot Hilfe an: Die Schura könnte eine zentrale Anlaufstelle betreiben und Seelsorge in den Unterkünften leisten. Zeitnah sollen Gespräche mit den Fachbehörden folgen.
Flüchtlinge: Impressionen aus Hamburg und Europa
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Der Schura-Vorsitzende Mustafa Yoldaş sprach von einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe. „Da viele Flüchtlinge Muslime sind, sind wir besonders gefordert“, sagte Yoldaş. In der Ansar-ul-Deen-Moschee in Hammerbrook und der Al-Nour-Moschee in St. Georg übernachten bereits täglich mehrere Hundert Flüchtlinge (siehe unten).
Auch die Diakonie hat der Stadt mehrfach Kooperationen angeboten. „Wir können Rechtsberatung, psychologische und gesundheitliche Betreuung leisten und die Freiwilligen begleiten. Darin liegt seit vielen Jahrzehnten unsere Expertise“, sagte Sprecher Steffen Becker. „Wir wünschen uns eine Taskforce zwischen Stadt und Wohlfahrtsverbänden.“ Bislang tue sich die Stadt jedoch schwer, verbindliche Verhandlungen aufzunehmen. „Wir müssen rechtliche und finanzielle Fragen klären“, sagte Becker. Auch die Caritas zeigte sich offen für ein größeres Bündnis mit der Stadt. Innensenator Michael Neumann (SPD) sagte, der Senat sei den Organisationen „für Ihre Unterstützung sehr dankbar“.
Die CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Karin Prien wirft dem Senat vor, die Hilfsorganisationen zu zaghaft einzubeziehen. „Hamburg steht vor einer Notsituation und kann die Erfahrung der Hilfsorganisationen gut gebrauchen. Ein Flüchtlingsgipfel ist lange überfällig“, sagte Prien. SPD-Fraktionschef Dressel wies die Forderung zurück. „Wir brauchen jetzt keine folgenlosen Palaverrunden, sondern konkrete Taten“, sagte Andreas Dressel. Er verwies auch auf das „Forum Flüchtlingshilfe“, das vom Senat mit 1,7 Millionen Euro ausgestattet wurde und die Arbeit von Haupt- und Ehrenamt koordinieren soll.
Einig sind sich Senat und CDU allerdings darin, dass die Freiwilligen von städtischen Stellen besser geschult und unterstützt werden müssen. „Es kann nicht der Anspruch der Stadt sein, die Menschen vor Ort in einem Ausnahmezustand alleinzulassen“, sagte Prien.
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