Der mit 97 Prozent wiedergewählte SPD-Landeschef Olaf Scholz rechnet mit der schwarz-grünen Regierung in Hamburg ab.
Es war eine vorweggenommene Nominierung per Akklamation: Mit lang anhaltendem Beifall haben die 329 Delegierten des SPD-Landesparteitags Olaf Scholz fast schon zum Spitzenkandidaten für die Bürgerschaftswahl gekürt. "Eigentlich will sich Olaf Scholz erst im nächsten Jahr entscheiden, ob er antritt. Wir sind uns aber einig, dass du, Olaf, dich nicht mehr entscheiden musst", rief SPD-Bürgerschaftsfraktionschef Michael Neumann am Freitagabend in den Saal des Bürgerhauses Wilhelmsburg. Es war 17.30 Uhr, als die Delegierten mit lang anhaltendem Beifall ihre Unterstützung für den Bürgermeister-Kandidaten Olaf Scholz bekundeten.
Eigentlich waren die Sozialdemokraten nur zusammengekommen, um einen neuen Landesvorstand zu wählen. Wie unumstritten der frühere Bundesarbeitsminister und Altonaer Bundestagsabgeordnete in seiner Partei ist, zeigt das Wahlergebnis. Scholz erhielt 293 von 303 abgegebenen Stimmen - das sind 96,7 Prozent. Im Dezember 2009, als er zum ersten Mal kandidierte, waren es 94,7 Prozent.
Scholz ging in seiner Rede nicht direkt auf die Frage der Spitzenkandidatur ein. "Wir spekulieren nicht über einen möglichen Rücktritt des Ersten Bürgermeisters Ole von Beust. Aber wir sind bereit. Die Wahlen können aus unserer Sicht jederzeit kommen", machte Scholz aus seiner Entschlossenheit keinen Hehl. Und er formulierte den Machtanspruch der SPD nach neun Jahren Opposition: "Wir wollen regieren. Und wir wollen es so gut machen, dass es lange dauert."
Hart ging Scholz mit den Leistungen des schwarz-grünen Senats ins Gericht. Das Eingeständnis eines strukturellen Haushaltsdefizits von 556 Millionen Euro nannte der SPD-Chef einen "Offenbarungseid". Scholz forderte Beust und seine Mitstreiter auf, sich "erst einmal ehrlich zu machen". Dazu zähle das Eingeständnis, Fehler gemacht zu haben. "Die haben über ihre Verhältnisse gelebt. Der Senat hat zu viel gemacht", so Scholz. "Die können mit Geld nicht umgehen. Das muss ein Ende finden." Die SPD stehe dagegen für das Prinzip der Sparsamkeit und eine solide Haushaltspolitik der Konsolidierung.
Auf den Gebieten ihrer angeblichen Kernkompetenzen habe die CDU versagt, so Scholz: Neben den Finanzen seien das vor allem Wirtschaft und Innere Sicherheit. "Wir haben den wirtschaftsfeindlichsten Senat seit 1946", rief der Parteichef unter dem starken Beifall der Delegierten. Es gebe Unternehmer, die sich "die goldenen Tage der SPD-Bürgermeister längst zurückwünschen".
Die Hamburger seien "nach neun Jahren mit der CDU durch".
Die SPD liege in Umfragen vor der CDU. "Das war mein Plan, aber er hat schneller geklappt als gedacht", so Scholz und sorgte damit für Heiterkeit. Nur einmal erwähnte er den CDU-Koalitionspartner GAL. "Unseren Freunden von den Grünen rate ich: Bedenkt eure Lage genau", sagte Scholz. "Lasst euch nicht von den schlechten Umfragen eures Koalitionspartners anstecken." Scholz weiß, dass ein Regierungswechsel für die SPD ohne die GAL nicht möglich ist. Vor Scholz hatte Fraktionschef Michael Neumann in einer kämpferischen Rede mit der "Truppe im Rathaus" abgerechnet. Genüsslich zitierte er den Finanzsenator Carsten Frigge (CDU), der im Überseeclub gesagt hatte, dass man darüber nachdenken müsse, einige Senatorenposten zu streichen. Neumann: "Ich sage: Alle müssen weg." Der Senat schaffe es nicht einmal, den Haushalt 2011/12 rechtzeitig vorzulegen. "Der soll jetzt erst im März verabschiedet werden, das hat es noch nie gegeben."
Neumann nutzte den Landesparteitag zu einer Attacke auf Bürgermeister von Beust. "Kein Bürgermeister hat mehr Tafelsilber auf den Kopf gehauen als er", sagte Neumann. "Morgen ist Landesparteitag der CDU, da hat es schon mal einen überraschenden Rücktritt gegeben. Herr von Beust, machen Sie den Freytag." Beim Landesparteitag im März war der damalige Finanzsenator und CDU-Landeschef Michael Freytag von allen Ämtern zurückgetreten.
Der neue Landesvorsitzende Olaf Scholz hat nun drei Stellvertreter. Neu in dieser Funktion ist der Bürgerschaftsabgeordnete und Innenexperte Andreas Dressel. Er wurde mit 244 von 306 Stimmen gewählt.
Wiedergewählt wurden Inka Damerau (252 Stimmen) und Frank Richter (244). Die Stimmung innerparteilicher Harmonie zeigte sich auch bei den weiteren Wahlgängen. Der Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende der SPD Mitte, Johannes Kahrs, der zum rechten Flügel der Partei gehört, wurde schon im ersten Wahlgang in den SPD-Landesvorstand gewählt.