300 Christdemokraten machen ihrem Ärger über das Wahldebakel Luft. Marcus Weinberg einziger Kandidat für Amt des Parteichefs.
Wilhelmsburg. Nach der historischen Wahlniederlage ringt die Hamburger CDU um eine inhaltliche und personelle Neuausrichtung. Bei dem Mitgliederforum gestern Abend im Bürgerhaus Wilhelmsburg ließen viele der 300 anwesenden Mitglieder ihrem Ärger über die Fehler der Vergangenheit freien Lauf und forderten ein klares Profil, mehr Frauen in Führungsfunktionen und mehr innerparteiliche Demokratie.
Vor der Versammlung hatte der Landesvorstand beschlossen, nach dem angekündigten Rücktritt von Parteichef Frank Schira dessen Nachfolger durch eine Mitgliederbefragung ermitteln zu lassen. Doch welche Inhalte soll er vertreten? Wo will die Partei hin? Die einen wollen zurück zu konservativen Werten, die anderen der von Ex-Bürgermeister Ole von Beust geprägten Idee der liberalen Großstadtpartei folgen.
Bürgermeister Christoph Ahlhaus, der eine neue Streitkultur gefordert hatte, sagte: "Wir müssen viel mehr unser Leitbild der 'Wachsenden Stadt' propagieren als die Schimäre der liberalen Großstadtpartei." Dafür gab es Applaus - von einem Teil der Mitglieder.
Im Mittelpunkt der Kritik standen einmal mehr die Zustimmung der CDU zur sechsjährigen Primarschule und das Wahlergebnis. "21,9 Prozent - das ist genau der GAU, den ich letztes Jahr vorhergesagt habe", klagte Ingeborg Knipper. Die frühere Schulamtsleiterin kritisierte den großen Druck, der auf innerparteiliche Kritiker der Reform - wie sie - ausgeübt worden sei, und geißelte die "panische Angst" vieler Mitglieder vor einer kritischen Auseinandersetzung. Auch der frühere Schulstaatsrat Reinhard Behrens machte die Primarschule als Grund für viele Probleme der Partei aus. "Wir wussten doch, dass es an der Basis grummelt, aber das obere und mittlere Management hat den Kontakt zur Basis verloren."
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Die stellvertretende Parteivorsitzende Karen Koop zeigte sich angesichts der jüngsten Rücktritte "fassungslos, wie schnell danach die Posten verteilt wurden - ohne Frauen". Auch die Bürgerschaftsabgeordnete Karin Prien kritisierte "zu viel Cliquenwirtschaft, zu viel Proporzdenken". Ahlhaus sowie Partei- und Fraktionschef Schira hatten nach der Wahlschlappe erklärt, dass sie keine Spitzenfunktionen mehr anstreben (Ahlhaus), beziehungsweise diese niederlegen (Schira).
Neuer Fraktionschef soll Sozialsenator Dietrich Wersich werden, einziger Bewerber um den Landesvorsitz ist Parteivize Marcus Weinberg. Dieser warnte vor einer Debatte nach dem Motto "liberal oder konservativ?" Wichtiger sei eine programmatische Festlegung. Die Partei dürfe aber "keine Gräben aufschütten" und Kandidaten stigmatisieren - damit meinte er sich selbst. Viele Parteimitglieder lasteten Weinberg die Unterstützung der Primarschule an. Sein Wunsch nach einem weiteren Bewerber um den Landesvorsitz, damit es eine Wahlmöglichkeit gibt, wurde gestern nicht erfüllt.