Experten werten die Botschaft als “Aufruf zur Gewalt“ gegen den Vorsitzenden Wolfgang Seibert. Dahinter steckt offenbar ein Pinneberger.
Pinneberg. Die Diskussionen um die Moschee der "Muslimischen Vereinigung Pinneberg" bekommt neuen Zündstoff. Der Verfassungsschutz des Landes Schleswig-Holstein hatte das Haus als Anlaufpunkt für Islamisten deklariert. Nun hat ein radikaler Islamist über das Internet zu Gewalt gegen den Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde in Pinneberg, Wolfgang Seibert, aufgerufen. Auf der Seite der „Islamic Hacker Union“ wird Seibert als „dreckiger Jude“ beschimpft. Ein Foto von ihm ist rot durchgestrichen, im Text darunter heißt es: „Pass auf, dass Allah dich nicht schon im diesseits straft mit dem Tod.“ Direkt unter diesem Hinweis wird ein Video von einem mörderischen Bombenanschlag auf eine Hochzeitsgesellschaft gezeigt. Seibert sagte am Donnerstag, er empfinde die Seite als „akute Bedrohung“ und als einen „eindeutigen Versuch der Einschüchterung“. Die Berliner Islamismus-Expertin Claudia Dantschke wertete die Website als „Aufruf zur Gewalt“ gegen Seibert. Der Staatsschutz in Kiel kennt die Bedrohungslage, prüft sie derzeit und kooperiert dabei eng mit der Pinneberger Polizei. „Es laufen auch Schutzmaßnahmen“, sagte ein Sprecher.
Hinter dem Internetauftritt der „Islamic Hacker Union“ steckt nach Recherchen der Nachrichtenagentur "dapd" der in Pinneberg lebende Harry M., der im Internet als Isa al-Khattab auftritt. Er verherrlicht regelmäßig Kämpfer und Gruppierungen des bewaffneten Dschihad. Er schreibt, „dies ist keine Drohung von mir, sondern von Allah“. Doch die Islamismus-Expertin Claudia Dantschke vom Berliner Zentrum Demokratische Kultur betonte, dass besonders der Verweis auf eine Strafe im „Diesseits“ sowie der Tenor der Internet-Darstellung deutlich als Aufruf zur Gewalt zu verstehen sei. Er richte sich eindeutig an Muslime, die sich berufen fühlten, den angeblichen Willen Allahs auch durch Gewalttaten zu erfüllen.
In Moschee der „Muslimischen Vereinigung Pinneberg“ war kürzlich der ehemalige Rapper und heutige Islamist „Deso Dogg“ aufgetreten. Er hatte zuvor bei vergleichbaren Veranstaltungen den „Heiligen Krieg“ und den Märtyrertod„ verherrlicht. In der Auseinandersetzung um dessen Auftritt in Pinneberg hatte Wolfgang Seibert gesagt: “Diese Moschee sollte dicht gemacht werden." Neben Seibert wird auf der Website auch eine indirekte die Imamin Halima Krausen bedroht. Allah möge sie “rechtleiten oder zerfetzen". Sie hatte sich ebenfalls kritisch zu dem Auftritt des Ex-Rappers Deso Dogg geäußert.
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Dschihadisten in alle Winde verstreut
Wo der Mann derzeit gemeldet ist, wissen die Sicherheitsbehörden nicht. Sicher ist nur, dass B., der bereits in der ehemaligen Al-Kuds-Moschee am Steindamm als Meinungsführer und Identifikationsfigur für viele junge Hamburger Muslime auftrat, seine Aktivitäten nach Pinneberg verlagert hat. Der Sprachlehrer ist eine der zentralen Figuren des extremistischen Kerns der Moschee - die später in Taiba-Moschee umbenannt wurde und in der bereits die Attentäter vom 11. September beteten. Seine Auftritte in einer Hinterhof-Moschee an der Pinneberger Fußgängerzone haben den schleswig-holsteinischen Verfassungsschutz in Aufregung versetzt. Die Behörde befürchtet, Dschihadisten aus Hamburg könnten ein islamistisches Zentrum aufbauen.
Fünf Monate nach dem Verbot des Trägervereins der Moschee und der Schließung des Gotteshauses in St. Georg hat sich der islamistische Kern in alle Winde zerstreut. Dennoch sind die Befürchtungen nur teils begründet: "Wir haben in den vergangenen Monaten genau beobachtet, wie sich die Szene in und teils auch um Hamburg verteilt hat", sagte Verfassungsschutzchef Manfred Murck dem Abendblatt. Dabei sei auch die Abwanderung von Sprachlehrer B. entdeckt worden. "Unsere Beobachtungen zeigen aber, dass sich nur ein kleiner Teil, etwa eine Handvoll, ehemals Hamburger Dschihadisten jetzt in Pinneberg trifft und dort betet." Die dortige Bürgermeisterin Kristin Alheit (SPD) sagte laut NDR, dass der Vermietern den Muslimen zu Ende Juni gekündigt habe.
Der größere und für die hiesigen Sicherheitsbehörden wichtigere Teil der Islamisten befinde sich jedoch weiter in Hamburg. "Wir haben sie in mehreren Moscheen festgestellt, insbesondere in einer Moschee in Harburg. Unsere Aufgabe ist jetzt zu klären, ob sie eine neue Moschee aufbauen wollen, die vom Profil und von den Trägern her eine 'Al-Kuds-Moschee II' ist. Das könnte einen Straftatbestand erfüllen, denn ein verbotener Verein darf nicht einfach unter einem neuen Namen und an einem anderen Ort weitermachen", sagte Murck.
Bei der Schließung der Al-Kuds-Moschee sei die Innenbehörde selbstverständlich davon ausgegangen, dass sich die dschihadistische Klientel nicht einfach verabschieden, sondern andere Moscheen aufsuchen würde. "Unser erklärtes Ziel war, die Ballung von Dschihadisten an einem Ort und damit die entsprechende Anziehungskraft dieser Moschee aufzulösen. Auch in der Hoffnung, dass sich einige, die noch weniger radikalisiert waren, zurückziehen und sich von der Szene lösen. Dabei war uns bewusst, dass wir den harten Kern zwar verunsichern, aber nicht zur Einkehr bringen würden. Sondern dass sie einzeln oder in Gruppen weitermachen würden", sagte Manfred Murck. Allerdings habe man nicht gewusst, dass unter den neuen Zufluchtsorten auch die Moschee in Pinneberg sein werde. Das vom heutigen Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) ausgesprochene Verbot bewertet Murck im Nachhinein als Erfolg: "Der dschihadistisch ausgerichtete Kern an der Al-Kuds-Moschee bestand aus 30 bis 40 Leuten. Zu den Freitagsgebeten kamen aber oft mehr als 200 Menschen in die Moschee. Viele von ihnen sind dank des Verbotes nicht mehr im Bannkreis der Radikalen, andere Muslime können nicht mehr angezogen werden. Wir haben einen logistischen Knotenpunkt aus dem Netzwerk des deutschen, teils auch internationalen Jihadismus herausgenommen."
Die Al-Kuds-Moschee hatte auch nach der Terrorzelle um den Todespiloten Mohammed Atta immer wieder potenzielle Attentäter hervorgebracht: Zuletzt war die sogenannte Hamburger Reisegruppe in den Fokus der Ermittlungen gerückt. Neun Männer und zwei Frauen zogen im März 2009 nach Pakistan. Das bekannteste Gesicht war der Hamburger Shahab D., der sich später Abu Askar nannte. D. kam wenige Wochen später bei einem Drohnenangriff ums Leben.