Der Islamwissenschaftler Udo Steinbach, 67, lehrt in Marburg und Hamburg.
1. Hamburger Abendblatt:
Fast ein halbes Jahr nach der Schließung der Hamburger Taiba-Moschee ist der harte Kern der Islamisten auf andere Moscheen in der Stadt oder ins Umland, etwa nach Pinneberg, ausgewichen. War das zu erwarten?
Udo Steinbach:
Ja. Die Praxis zeigt, dass die Szene enorm mobil ist, sich ein ganzes Netzwerk von Zentren gebildet hat, in denen sich die Szene immer wieder neu organisieren kann. Das ist eine globale Entwicklung, keine, die nur in Hamburg anzutreffen ist. Es gibt nicht mehr die eine Zentrale, sondern viele unabhängige Zellen. Räumliche Nähe benötigt die Szene nicht mehr. Im Internetzeitalter werden alle Abstimmungen online getroffen.
2. Wie gehen die betroffenen muslimischen Gemeinden mit den "neuen" Gläubigen um?
Steinbach:
Zumeist ist der extremistische Hintergrund eines Einzelnen im Umfeld einer großen Gemeinde gar nicht bekannt. Und selbst wenn die Gemeinde davon wüsste, würde sie sich wohl schwertun, damit umzugehen.
3. Werden dadurch jetzt neue Gemeinden unterwandert?
Steinbach:
Ich sehe die Gefahr nicht. Die Moscheen-Landschaft in Deutschland ist gefestigt, zeigen viele Untersuchungen. Nur fünf Prozent der Gläubigen gehören einem politisch-religiösen Feld an, das für extremistische Ideen aufgeschlossen ist.
4. Die Szene ist jetzt verstreut. War es klug, die Taiba-Moschee zu schließen?
Steinbach:
Das war nicht klug und in höchstem Maß unpraktisch. In der Moschee hatte man die Verdächtigen observieren können. Das Verbot hat die Gesamtlage unsicherer gemacht.
5. Wie wurde das Verbot der Taiba-Moschee von den gemäßigten Muslimen aufgenommen?
Steinbach:
Wir haben das immer wieder erlebt: Diese Aktionen sind von einer solchen 'Gewalthaftigkeit' geprägt - etwa dass Türen aufgebrochen und Computer beschlagnahmt werden - dass sie in den muslimischen Gemeinden eher für Verärgerung sorgen. Wenn sich die Vorwürfe aber als gegenstandslos erweisen - wie sehr oft - dann wird das in der Regel nicht mehr kommuniziert.