Dierk Eggers schreibt die Rettung aus der Gefangenschaft der Piraten „schicksalhaftem Glück“ zu. Piraterie sei Teil seines Berufes.

Hamburg. Kapitän Dierk Eggers bringt so schnell nichts aus der Ruhe. Mit einem Lächeln begrüßt er die Riege der Angeklagten, als er am Mittwoch den Sitzungssaal 337 des Hamburger Strafjustizgebäudes betritt. Die weißen Haare trägt der 69-Jährige zurückgegelt, sein Gesicht ist hager und durch die Jahre auf See gezeichnet. Seine Stimme ist leise aber bestimmt. Bildreich beschreibt er das Drama auf See vom 5. April, dem Ostersonntag. „Ich hatte keine Furcht und habe auch keinen Hass“, sagt der Seefahrer. „Ich liebe Afrika, und ich liebe Somalia nach wie vor.“ Piraterie gebe es schon seit Jahrzehnten. „Das ist einfach Teil meines Berufs.“ „Wir waren schon vorbereitet auf die Situation, die wir in den nächsten Tagen zu erwarten haben“, erinnert sich Eggers.

Am Ostersonntag schipperte das Hamburger Frachtschiff rund 530 Seemeilen vor der somalischen Küste. „Die Gefahren der Piraterie sind hier besonders groß.“ Im Dunst der tropischen Hitze habe er das acht Meilen entfernte hölzerne Schiff zunächst für ein Fischerboot gehalten. Plötzlich starteten von dort zwei kleine Motorboote, die direkt auf die „Taipan“ zurasten. „Da habe ich die Besatzung alarmiert“, erzählt der Kapitän großer Fahrt. Um den Verfolgern zu signalisieren, dass man sie entdeckt hat, habe er noch eine Leuchtrakete in ihre Richtung abgefeuert. Jedoch ohne Erfolg: Mit Kalaschnikows eröffneten die Piraten das Feuer, der Kugelhagel prasselte auf die Brücke des Frachters. Die Munition durchbohrte die Stahltüren des Frachters wie Butter, Glasscheiben gingen klirrend zu Bruch. „Da blieb uns nur der Rückzug“, sagt Eggers.

Vorher habe er noch Hilferufe über das Satellitentelefon und per E-Mail abgegeben und sei dann zu seiner Besatzung in den Maschinenraum geflohen. Von dort hörten sie die Piraten an Bord kommen. „Hätten sie uns in ihre Gewalt gebracht, wir hätten keine Hilfe mehr holen können.“ Die Besatzung habe dann den Strom abgeschaltet, um das Schiff manövrierunfähig zu machen. Dann warteten sie ab. In der Stille der ruhenden Bordmotoren war nur ein „erschreckender Radau“ zu hören, als die Piraten auf die eisernen Verriegelungen der Türen einschlugen. Dann landete der Hubschrauber eines niederländischen Marinekommandos, die Soldaten überwältigten die Angreifer. „Wir hörten den Schusswechsel aber wussten nicht, ob sie erfolgreich waren.“ Erst Stunden später traute sich die Besatzung aus ihrem Versteck. Verletzt wurde niemand.

„Wir hatten schicksalhaftes Glück“, sagt der 69-Jährige. Als der Kapitän an Deck kam, lagen noch zwei der Angreifer bäuchlings auf dem Boden. Dann sah er, was mit dem Frachtschiff passiert war. „In der Brücke waren Hunderte Einschüsse.“ Eine Pelzmütze sammelte er auf und nahm sie als „Souvenir“ mit nach Hause. „Ich rieche manchmal noch daran. Sie riecht nach Angstschweiß.“ In dem Hamburger Gerichtsgebäude fühlt sich der Seefahrer sichtlich unwohl. Er trägt eine Strickmütze, um den Hals hat er einen braunen Schal geschlungen. „Das ist einfach nicht meine Welt hier“, stellt er fest. Das Gerichtsgebäude habe schon „so manchen in Angst und Schrecken versetzt“.

Die Gefahr der Piraterie hatte ihn dagegen nie vom Seefahren abgehalten. Überfallen wurde er als Kapitän schon vorher, allerdings hätten die Piraten nur Geld und Frachtgut stehlen wollen. „Piraterie gibt es schon seit Jahrzehnten. Nur jetzt wird es zur Sensation.“ Mit dem Frachter auf große Fahrt will er auch weiterhin, unbedingt. „Hoffentlich geht es bald wieder los.“ Seit November müssen sich zehn mutmaßliche somalische Piraten für den Überfall auf das Hamburger Containerschiff vor dem Landgericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen einen Angriff auf den Seeverkehr und erpresserischen Menschenraub vor. Am Mittwochnachmittag sollte das Video eines Aufklärungsflugzeugs unter Ausschluss der Öffentlichkeit gezeigt werden. Der Prozess wird am 3. Januar mit der Befragung des Kapitäns fortgesetzt. (dpa/abendblatt.de)