Carsten Frigge hat nach acht Monaten im Hamburger Senat das Handtuch geworfen. Nachfolger wird der CDU-Bundestagsabgeordnete Rüdiger Kruse werden, wie Bürgermeister Christoph Ahlhaus bestätigte.

Hamburg. Nach nur knapp acht Monaten im Amt und begleitet von heftigen Attacken der Opposition hat Hamburgs Finanzsenator Carsten Frigge (CDU) das Handtuch geworfen. Im Anschluss an eine Rede in einer Haushaltsdebatte der Bürgerschaft gab der 47-Jährige am Mittwoch seinen Rücktritt bekannt. Als Grund nannte Frigge Boshaftigkeit und unsachliche Vorwürfe, die mit seiner Arbeit als Senator nichts zu tun hätten, aber trotzdem immer im Vordergrund gestanden hätten. Als Nachfolger präsentierten Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) sowie Partei- und Fraktionschef Frank Schira nach einer Fraktionssitzung noch am Abend den Bundestagsabgeordneten Rüdiger Kruse. Der 49-Jährige Haushaltsexperte soll am 16. Dezember in der Bürgerschaft bestätigt werden. Bis dahin wird Frigge die Geschäfte weiterführen. Ahlhaus dankte Frigge für seine Verdienste bei der Haushaltskonsolidierung und bedauerte den Rücktritt. Der Bürgermeister verteidigte noch einmal seine Entscheidung vom August, Frigge trotz der damals bereits im Raum stehenden Vorwürfe – einer angeblichen Verstrickung in die rheinland-pfälzische CDU-Finanzaffäre - in die Senatorenriege zu berufen. „Ich bin fest davon überzeugt.“ Mit Kruse habe er einen exzellenten Haushaltsfachmann für das Amt gewonnen.

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Die Grünen, Koalitionspartner der CDU, äußerten sich zurückhaltend zu Frigge. „Das ist seine Entscheidung, die wir zu respektieren haben“, sagte Hamburgs Schulsenatorin und Zweite Bürgermeisterin Christa Goetsch (GAL). Zu seiner Nachfolge meinte sie: „Das ist die Entscheidung von Bürgermeister Ahlhaus.“ SPD und Die Linke forderten Neuwahlen zur Bürgerschaft. Der scheidende Senator gilt als zentrale Figur in der Affäre um mutmaßlich illegale Parteienfinanzierung der CDU in Rheinland-Pfalz. Gegen den ehemaligen Chef der Düsseldorfer Unternehmensberatung C4 ermittelt die Staatsanwaltschaft Mainz wegen des Verdachts der Beihilfe zur Untreue. Frigge wies die Vorwürfe am Abend im NDR- Fernsehen erneut zurück. Er sei überzeugt, dass am Ende festgestellt werde, dass er überhaupt nichts falsch gemacht habe. Am 13. Dezember soll Frigge im Mainzer Untersuchungsausschuss vernommen werden. Dort soll er nach Angaben der rheinland-pfälzischen SPD-Landtagsfraktion erklären, wofür die 36.8000 Euro verwandt worden sind, die seine Werbeagentur C4 seinerzeit von der CDU erhalten hatte.

Ganz offensichtlich sei Frigge durch die Vorladung vor den Ausschuss unter Druck geraten, erklärte die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Landtagsfraktion, Barbara Schleicher- Rothmund, in Mainz. Es sei davon auszugehen, dass der Finanzsenator mit dem Rücktritt seiner Entlassung durch Hamburgs Bürgermeister Ahlhaus habe zuvorkommen wollen. Der Finanzsenator hatte direkt vor seinem Rücktritt noch in einer Rede den Haushaltsentwurf des schwarz-grünen Senats vorgestellt, bevor er die Abgeordneten bat, ihm ein paar persönliche Worte zu gestatten und er zunächst eine positive Bilanz seiner Tätigkeit zog. Frigge sprach von boshaft und unsachlich vorgetragenen Vorwürfen, die ihn verletzt hätten. „Aber ganz unabhängig von meiner persönlichen Empfindung muss ich mir die Frage stellen, ob diese Situation vereinbar ist mit der weiteren Ausübung des Amtes des Finanzsenators der Freien und Hansestadt Hamburg. Und ich glaube: Nein! Herzlichen Dank“, sagte Frigge und verließ das Rednerpult. '

Frigges festes Eintreten für eine solide Finanzpolitik in Hamburg sei über die Parteigrenzen hinweg anerkannt worden.Ahlhaus sprach ebenfalls von unsachlichen persönlichen Attacken und fügte hinzu: „Herr Frigge hat trotz mitunter auch für ihn schwieriger Rahmenbedingungen mit der heute erfolgten Einbringung des Haushaltsentwurfs in respektabler Art und Weise seine Pflicht getan.“ Der Oppositionsführer, SPD-Fraktionschef Michael Neumann, bezeichnete Frigge als „tickende Zeitbombe für diesen Senat“ und kritisierte den Rücktritt als überfällig. Neumann zweifelte an den vom Finanzsenator angegebenen Gründen für den Rücktritt. Er glaube nicht, dass die Kritik der Opposition Frigge so getroffen habe. „Sie werden besser als wir alle wissen, warum Sie heute diese Entscheidung getroffen haben. Sie werden wissen, was Gerichte und Untersuchungsausschüsse noch zutage fördern. Und auch der Bürgermeister wird es wissen“, sagte Neumann und forderte Neuwahlen: „Es gibt einen Moment ... wo auch dieses Parlament für sich die Entscheidung treffen muss, die Verantwortung und das Wort den Hamburgerinnen und Hamburgern zu geben. Und ich glaube, dieser Augenblick ist heute gekommen.“

Frigge gilt als Verfechter eines strengen Sparkurses. Er wollte den Haushalt um mehr als 500 Millionen Euro jährlich entlasten. Neben der rheinland-pfälzischen Parteispendenaffäre hatte die Opposition Frigge angebliche geschäftliche Verstrickungen seines Unternehmens mit der in Schieflage geratenen HSH Nordbank angelastet. Ihm wurde auch vorgehalten, zu viel Geduld mit dem umstrittenen und inzwischen fallen gelassenen HSH Nordbank-Chef Dirk Jens Nonnenmacher gezeigt zu haben.

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Spart der Hamburger Senat - oder tut er nur so?

Der Absender ist sich seiner Sache ziemlich sicher. "Was bislang noch als reine Spekulation abgetan werden konnte, ist nunmehr bewiesen, und zwar durch den Hamburger Senat selbst", schreibt Rudolf Klüver, Vorsitzender des Deutschen Beamtenbunds (dbb). Auf den folgenden Zeilen seiner Mitteilung macht Klüver seinem Ärger darüber Luft, "dass die Hamburger Beamten für die Milliardenverluste der HSH Nordbank mit ihren Gehältern geradestehen sollen". Diesen Zusammenhang gibt es zwar nicht direkt, aber er lässt sich leicht konstruieren. Denn tatsächlich hat der Senat gestern beschlossen, dem Hamburgischen Versorgungsfonds (HVF) 120 Millionen Euro aus dem Haushalt zur Verfügung zu stellen, weil der HVF das dritte Jahr in Folge auf die eingeplante Rendite aus HSH-Nordbank-Aktien verzichten muss. Und Tatsache ist auch, dass die Beamten 100 Millionen Euro pro Jahr zum Sparpaket des Senats beitragen, indem ihnen ab 2011 das Weihnachtsgeld gekürzt oder gestrichen wird.

Die Haltung des Beamtenbunds zeigt, dass auch ein scheinbar nüchternes Zahlenwerk wie ein Haushaltsplan Spielraum für Interpretationen lässt. Und daher wird sich Finanzsenator Carsten Frigge (CDU), der heute den erst nach heftigen Wehen einer mehrtägigen Sparklausur geborenen Doppelhaushalt 2011/2012 in die Bürgerschaft einbringt, im Parlament mit der Frage konfrontiert sehen, ob die Stadt wirklich spart - oder ob sie nur so tut.

"Es wird nicht nur nicht gespart, sondern die Ausgaben werden sogar noch gesteigert, das ist doppelter Betrug", sagt SPD-Finanzexperte Peter Tschentscher. Auch da gilt: alles Interpretationssache. Zwar sinken die Gesamtausgaben der Stadt von 11,358 Milliarden Euro in diesem Jahr auf 11,158 Milliarden im Jahr 2011. Doch die entscheidende Kennzahl sind die Betriebsausgaben, also die laufenden Kosten der Stadt. Genau die wollte der Senat mit seinem Sparprogramm um 510 Millionen Euro pro Jahr reduzieren. Ein Blick in die neue Finanzplanung offenbart jedoch: Die Betriebsausgaben steigen. Trotz Sparpakets klettern sie von 10,075 Milliarden in diesem Jahr auf 10,230 Milliarden Euro im Jahr 2011 und sogar 10,375 Milliarden im Jahr 2012. Dass der Haushalt insgesamt nicht wächst, liegt daran, dass die Investitionen heruntergefahren werden.

Wer nach Gründen für die gesteigerten Ausgaben sucht, findet - davon abgesehen, dass viele Sparbeschlüsse noch nicht wirken und es sich bei anderen nicht um Sparmaßnahmen, sondern um Einnahmesteigerungen, etwa durch Gebührenerhöhungen, handelt - vor allem drei Punkte. Erstens: Der Etat der Schulbehörde wird 2011 und 2012 um jeweils rund 70 Millionen Euro aufgestockt - auf dann 2,07 Milliarden Euro. Das liegt vor allem an dem "zehnjährigen Schulfrieden", den CDU, GAL und SPD Anfang 2010 vereinbart hatten, um der Initiative gegen die Primarschule den Wind aus den Segeln zu nehmen. Kleinere Klassen, mehr Lehrer - das kostet. Zweitens: Die Wissenschaftsbehörde darf 2011 etwa 25 Millionen Euro mehr ausgeben - eine schwarz-grüne Schwerpunktsetzung.

Drittens: Der Posten "Allgemeine Finanzverwaltung" wird um fast 170 Millionen Euro aufgestockt. Dahinter verbirgt sich unter anderem eine 70-Millionen-Risikovorsorge für den Fall unerwartet hoher Tarifabschlüsse oder Sozialausgaben - eine Art "Rettungsschirm" für die Sozialbehörde.

Kurios: Mit seiner Kritik, die erst 2008 angetretene schwarz-grüne Regierung habe die Betriebsausgaben der Stadt insgesamt schon um 15 Prozent gesteigert, trifft Tschentscher auch den Nerv des Finanzsenators. Im Finanzbericht stellt seine Behörde erneut klar, dass auch die Haushalte 2007 und 2008 nur scheinbar ausgeglichen waren, und schreibt der Politik ins Stammbuch: "Parlamente und Regierungen unterliegen der Gefahr, im Hinblick auf die lange Liste wünschenswerter öffentlicher Ausgaben und unter dem Druck der sie einfordernden Interessengruppen konjunkturell bedingte Haushaltsentlastungen als einen Zugewinn an strukturellen Ausgabenspielräumen fehlzudeuten." Soll heißen: Schwarz-Grün hat sich von den Rekordsteuereinnahmen 2008 blenden lassen und gedacht, das ginge immer so weiter. Ging es aber nicht.

Der erst im April angetretene Finanzsenator wird daher bei seinem bislang wichtigsten Auftritt im Parlament die Notwendigkeit betonen, jetzt massiv gegenzusteuern. Während Die Linke das Sparprogramm als Gift für die Konjunktur und das soziale Klima brandmarkt, wird die SPD Frigge zumindest im Grundsatz unterstützen. Allerdings sieht Tschentscher mit Sorge, dass die Steigerungsrate bei den Betriebsausgaben erst 2013 mit 0,6 Prozent einen aus seiner Sicht akzeptablen Wert erreichen soll. Dazwischen liegt die Bürgerschaftswahl Anfang 2012. Nach der werde man auf jede Menge "offene Rechnungen" der Stadt stoßen, prophezeit Tschentscher: "Die muss dann die nächste Regierung begleichen."