Heute bringt Finanzsenator Frigge den Doppelhaushalt 2011/2012 in die Bürgerschaft ein. Die SPD kritisiert, dass die Ausgaben weiter steigen.
Hamburg. Der Absender ist sich seiner Sache ziemlich sicher. "Was bislang noch als reine Spekulation abgetan werden konnte, ist nunmehr bewiesen, und zwar durch den Hamburger Senat selbst", schreibt Rudolf Klüver, Vorsitzender des Deutschen Beamtenbunds (dbb). Auf den folgenden Zeilen seiner Mitteilung macht Klüver seinem Ärger darüber Luft, "dass die Hamburger Beamten für die Milliardenverluste der HSH Nordbank mit ihren Gehältern geradestehen sollen". Diesen Zusammenhang gibt es zwar nicht direkt, aber er lässt sich leicht konstruieren. Denn tatsächlich hat der Senat gestern beschlossen, dem Hamburgischen Versorgungsfonds (HVF) 120 Millionen Euro aus dem Haushalt zur Verfügung zu stellen, weil der HVF das dritte Jahr in Folge auf die eingeplante Rendite aus HSH-Nordbank-Aktien verzichten muss. Und Tatsache ist auch, dass die Beamten 100 Millionen Euro pro Jahr zum Sparpaket des Senats beitragen, indem ihnen ab 2011 das Weihnachtsgeld gekürzt oder gestrichen wird.
Die Haltung des Beamtenbunds zeigt, dass auch ein scheinbar nüchternes Zahlenwerk wie ein Haushaltsplan Spielraum für Interpretationen lässt. Und daher wird sich Finanzsenator Carsten Frigge (CDU), der heute den erst nach heftigen Wehen einer mehrtägigen Sparklausur geborenen Doppelhaushalt 2011/2012 in die Bürgerschaft einbringt, im Parlament mit der Frage konfrontiert sehen, ob die Stadt wirklich spart - oder ob sie nur so tut.
"Es wird nicht nur nicht gespart, sondern die Ausgaben werden sogar noch gesteigert, das ist doppelter Betrug", sagt SPD-Finanzexperte Peter Tschentscher. Auch da gilt: alles Interpretationssache. Zwar sinken die Gesamtausgaben der Stadt von 11,358 Milliarden Euro in diesem Jahr auf 11,158 Milliarden im Jahr 2011. Doch die entscheidende Kennzahl sind die Betriebsausgaben, also die laufenden Kosten der Stadt. Genau die wollte der Senat mit seinem Sparprogramm um 510 Millionen Euro pro Jahr reduzieren. Ein Blick in die neue Finanzplanung offenbart jedoch: Die Betriebsausgaben steigen. Trotz Sparpakets klettern sie von 10,075 Milliarden in diesem Jahr auf 10,230 Milliarden Euro im Jahr 2011 und sogar 10,375 Milliarden im Jahr 2012. Dass der Haushalt insgesamt nicht wächst, liegt daran, dass die Investitionen heruntergefahren werden.
Wer nach Gründen für die gesteigerten Ausgaben sucht, findet - davon abgesehen, dass viele Sparbeschlüsse noch nicht wirken und es sich bei anderen nicht um Sparmaßnahmen, sondern um Einnahmesteigerungen, etwa durch Gebührenerhöhungen, handelt - vor allem drei Punkte. Erstens: Der Etat der Schulbehörde wird 2011 und 2012 um jeweils rund 70 Millionen Euro aufgestockt - auf dann 2,07 Milliarden Euro. Das liegt vor allem an dem "zehnjährigen Schulfrieden", den CDU, GAL und SPD Anfang 2010 vereinbart hatten, um der Initiative gegen die Primarschule den Wind aus den Segeln zu nehmen. Kleinere Klassen, mehr Lehrer - das kostet. Zweitens: Die Wissenschaftsbehörde darf 2011 etwa 25 Millionen Euro mehr ausgeben - eine schwarz-grüne Schwerpunktsetzung.
Drittens: Der Posten "Allgemeine Finanzverwaltung" wird um fast 170 Millionen Euro aufgestockt. Dahinter verbirgt sich unter anderem eine 70-Millionen-Risikovorsorge für den Fall unerwartet hoher Tarifabschlüsse oder Sozialausgaben - eine Art "Rettungsschirm" für die Sozialbehörde.
Kurios: Mit seiner Kritik, die erst 2008 angetretene schwarz-grüne Regierung habe die Betriebsausgaben der Stadt insgesamt schon um 15 Prozent gesteigert, trifft Tschentscher auch den Nerv des Finanzsenators. Im Finanzbericht stellt seine Behörde erneut klar, dass auch die Haushalte 2007 und 2008 nur scheinbar ausgeglichen waren, und schreibt der Politik ins Stammbuch: "Parlamente und Regierungen unterliegen der Gefahr, im Hinblick auf die lange Liste wünschenswerter öffentlicher Ausgaben und unter dem Druck der sie einfordernden Interessengruppen konjunkturell bedingte Haushaltsentlastungen als einen Zugewinn an strukturellen Ausgabenspielräumen fehlzudeuten." Soll heißen: Schwarz-Grün hat sich von den Rekordsteuereinnahmen 2008 blenden lassen und gedacht, das ginge immer so weiter. Ging es aber nicht.
Der erst im April angetretene Finanzsenator wird daher bei seinem bislang wichtigsten Auftritt im Parlament die Notwendigkeit betonen, jetzt massiv gegenzusteuern. Während Die Linke das Sparprogramm als Gift für die Konjunktur und das soziale Klima brandmarkt, wird die SPD Frigge zumindest im Grundsatz unterstützen. Allerdings sieht Tschentscher mit Sorge, dass die Steigerungsrate bei den Betriebsausgaben erst 2013 mit 0,6 Prozent einen aus seiner Sicht akzeptablen Wert erreichen soll. Dazwischen liegt die Bürgerschaftswahl Anfang 2012. Nach der werde man auf jede Menge "offene Rechnungen" der Stadt stoßen, prophezeit Tschentscher: "Die muss dann die nächste Regierung begleichen."