Viele kleine Einzelmaßnahmen sollen den Haushalt entlasten. Die umstrittene Reform der Verwaltung wird zunächst verschoben
Hamburg. Wenn Bürgermeister Christoph Ahlhaus und Finanzsenator Carsten Frigge (beide CDU) heute Abend die Ergebnisse der dreitägigen Haushaltsklausur des Senats präsentieren, werden sie eine lange Liste mitbringen. Hier 1,5 Millionen beim Polizeiorchester eingespart, dort 100 000 Euro Mehreinnahmen durch fleißige Knöllchenschreiber eingeplant. Wenn es am letzten Tag weiter so "konstruktiv" läuft, wie Teilnehmer der Runde bislang berichten, wird man dem Ziel nahekommen, den Haushalt um 510 Millionen Euro pro Jahr zu entlasten.
Der ganz große Wurf, den vor allem Frigge anstrebt, wird hingegen zunächst vertagt: der Umbau der Hamburger Verwaltung, der allein 100 Millionen Euro pro Jahr einsparen soll. Zu behäbig, zu viel Doppelarbeit bei Fachbehörden und Bezirken, zu viel Kompetenzwirrwarr wie bei der Eiskatastrophe im vergangenen Winter und damit unterm Strich zu teuer - in diesem Urteil über den rund 70 000 Mitarbeiter umfassenden Behördenapparat der Stadt sind sich viele Beteiligte noch einig gewesen. Was daraus zu folgen hat, ist jedoch höchst umstritten. Frigge hatte von vornherein keinen Hehl daraus gemacht, dass er mindestens eine Verwaltungsebene - und zwar die der Bezirke - für überflüssig hält. Ihm schwebt eher ein Modell vor mit vielen Kundenzentren in den Stadtteilen, die aber direkt den großen Fachbehörden unterstehen. In dieser einstufigen Verwaltung könnten die Senatoren quasi direkt bis zum Bürger durchregieren.
Diese Idee stieß aber auf massiven Widerstand. Bezirksamtsleiter verwiesen auf den Kontakt ihrer Mitarbeiter zum Bürger und die letzte Verwaltungsreform, in der gerade die Bezirke gestärkt worden waren. Bezirkspolitiker, die sich als Interessenvertretung vor Ort verstehen, sorgten sich um ihren Einfluss auf Verwaltungsentscheidungen. Und die Landespolitiker, vor allem der CDU, fürchteten den Zorn ihrer Basis - die auf Parteitagen immer noch die Mehrheiten stellt. "Wir haben Skepsis gegenüber großen Einheiten wie zum Beispiel den Fachbehörden", sagte CDU-Partei- und Fraktionschef Frank Schira gestern Abend beim Landesparteitag in Wilhelmsburg. Die Bezirke sollten nicht geschwächt, sondern gestärkt werden. "Aber es gibt auch Probleme mit der Bürokratie in den Bezirksverwaltungen", sagte Schira. "Wir müssen uns den gesamten Staatsaufbau angucken - Verwaltung, Behörden, Bezirke - auch mit Hilfe externer Experten." Dafür werde eine Enquetekommission gegründet, in der auch die Opposition zum Mitmachen aufgefordert sei, sagte Schira.
Nach Abendblatt-Informationen sollen die Experten prüfen, ob eine einstufige Verwaltung sinnvoll ist und wie sie am besten zu organisieren wäre. Schira ließ bereits durchblicken, dass die Ergebnisse nicht vor der Bürgerschaftswahl im Frühjahr 2012 präsentiert werden: "Ich weiß auch nicht, was am Ende herauskommen wird."
Daher wird sich der Senat zunächst mit Kleinigkeiten wie dem Polizeiorchester beschäftigen. Nach der Sparrunde im vergangenen Herbst wurden die 29 Musiker aufgefordert, Konzepte zu erarbeiten, wie jährlich 300 000 Euro bei 1,5 Millionen Euro laufenden Kosten eingespielt werden können. "Passiert ist aber nichts", sagte CDU-Innenpolitiker Kai Voet van Vormizeele dem Abendblatt. Weil das Polizeiorchester unter die Kategorie "wünschenswert, aber nicht notwendig" falle, werde es eingespart. Im Bereich Kultur gilt die Schließung des Altonaer Museums als sehr wahrscheinlich.
Bereits vor der Klausur war entschieden worden, Beamten das Weihnachtsgeld zu kürzen oder ganz zu streichen, was 100 Millionen Euro pro Jahr bringt. Außerdem sollen die öffentlichen Unternehmen 50 Millionen Euro zum Sparpaket beitragen.
Am letzten Tag der Sparklausur werden heute "Reste eingesammelt", hieß es aus der Runde. Jede Behörde, aus deren Sparliste Maßnahmen herausgestrichen wurden, erhielt den Auftrag, alternative Einschnitte zu prüfen. Dickster Brocken dürfte die Sozialbehörde sein, deren 2,6-Milliarden-Etat allein ein Viertel des Haushalts ausmacht. Nach Abendblatt-Informationen soll sich vor allem die GAL dafür eingesetzt haben, die Sparauflage für Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) von gut 70 Millionen pro Jahr um einen zweistelligen Millionenbetrag zu senken. So könnte der Kita-Bereich um erneute Gebührenerhöhungen herumkommen. Auch das Sozialticket und das Blindengeld sollen erhalten bleiben.