Der erste Tag der Haushaltsklausur endet ohne greifbare Ergebnisse. Um das Thema Sparen hat die Koalition einen weiten Bogen gemacht.
Hamburg. Gut sieben Stunden haben der schwarz-grüne Senat und die Spitzen der Bürgerschaftsfraktionen von CDU und GAL am ersten Tag der Haushaltsklausur zusammengesessen. Doch um das heiße Thema Sparen hat die Koalition einen weiten Bogen gemacht. Wo der Rotstift angesetzt werden soll, um die Haushaltslücke von zunächst 500 Millionen Euro zu schließen, blieb nach Informationen des Abendblatts offen.
"Es ist viel Arbeit, aber die Stimmung ist ausgesprochen konstruktiv", sagte GAL-Fraktionsvize Antje Möller dem Abendblatt. Und Jens Kerstan, Fraktionschef der GAL, sagte: "Der Senat hat sich detailliert schildern lassen, woraus sich das Etatloch zusammensetzt und wie es genau entstanden ist." Wie berichtet, hatten Bürgermeister Ole von Beust und Finanzsenator Carsten Frigge (beide CDU) vor drei Wochen das ganze Ausmaß des Haushaltsdefizits offengelegt und einen harten Sparkurs für 2011 und 2012 angekündigt.
+++ Senat berät größtes Sparpaket in Hamburgs Geschichte +++
Nach Informationen des Abendblatts teilte Finanzsenator Frigge den Koalitionsspitzen gestern schonungslos offen mit, dass eine Reihe von Risikoposten in seiner Behörde schlicht vergessen worden waren. Alles zusammen addiert sich auf die Summe von 500 Millionen Euro im kommenden Jahr. Der Betriebshaushalt wird 2012 sogar ein Defizit von einer Milliarde Euro aufweisen, wenn nicht gegengesteuert wird. Frigge fällt der Kassensturz relativ leicht: Er ist seit März im Amt. Die Versäumnisse gehen also zulasten seines Vorgängers Michael Freytag (CDU).
Bürgermeister von Beust, Senatskanzlei-Chef Volkmar Schön und Finanzsenator Frigge war offensichtlich wichtig, dass allen Senatoren die Dramatik bewusst ist und alle die gleichen Zahlen akzeptieren. Dieser interne Prozess der Verständigung war offensichtlich nötig, um die Bereitschaft der Ressortchefs zu schmerzhaften Einschnitten zu erhöhen. In der verbleibenden Zeit ging es denn auch darum, die Spielräume für Etatkürzungen auszuloten. Dabei standen die Investitionen im Vordergrund. Die Stadtentwicklungs- und Umweltbehörde war dabei besonders im Blickpunkt, ohne dass schon über das "heiße Eisen" Stadtbahn gesprochen wurde. In der Runde wurde mit gewissem Verständnis akzeptiert, dass der Spielraum der Kulturbehörde für weitere Einschnitte relativ gering ist.
Unterdessen drohte Ver.di-Landeschef Wolfgang Rose (SPD) im Fall von Kürzungen im öffentlichen Dienst mit massiven Streiks: "Ich kann den Senat nur vor dem Versuch warnen, die Folgen der Finanzkrise auf die Rücken der Beschäftigten und Bürger zu packen." In einem Brief an von Beust schreibt der Spitzen-Gewerkschafter, es gebe "genug Geld für alle": Es müsse nur richtig verteilt werden. Der Bürgermeister solle, wie bereits in der Drogen- und Bildungspolitik, die "ideologischen Grenzen" seines politischen Lagers überschreiten und als "erster CDU-Landeschef" die Wiedereinführung einer Vermögens- und die Erhöhung der Spitzensteuer fordern.
Die Wahrheit sei, so Rose, dass die Volkswirtschaft anders als vom Senat behauptet nicht über, sondern unter ihren Verhältnissen lebe. "Die Arbeitnehmer erwirtschaften immense Reichtümer." Da sie selbst immer weniger daran teilhätten, verbleibe das Geld nicht in der Binnenwirtschaft. "Über ihre Verhältnisse leben diejenigen, die Renditen von 25 Prozent für normal halten, die Millionen und Milliarden durch die Börsen-Kasinos jagen."
SPD-Finanzexperte Peter Tschentscher betonte erneut, dass eine Begrenzung der Betriebsausgaben erforderlich, jedoch "ohne Kahlschlag im Sozialbereich" möglich sei. "Die Konsolidierung erfordert jedoch ein effizientes Kostencontrolling, das Schwarz-Grün bisher vermissen lässt." Als Beispiel nannte Tschentscher steigende Ausgaben durch die Anmietung von rund 100 000 Quadratmetern neuer Büroflächen sowie "zahllose Studien, Gutachten und Verträge mit Beratern".
Joachim Bischoff, der Finanzexperte der Fraktion Die Linke, forderte, zu einer sozial gerechten Steuer- und Einnahmepolitik zu kommen. Dazu gehörten unter anderem ein effektiverer Steuervollzug, die Einführung der Vermögenssteuer und eine progressive Besteuerung von Kapitalerträgen und höheren Einkünften. "In den nächsten Jahren Beträge von 500 Millionen bis eine Milliarde Euro kürzen zu wollen, ist ein Katastrophenkurs", sagte Bischoff.