Stadtplanungsprofessor lehnt zentralen Neubau grundsätzlich ab. Jürgen Pietsch will sechs Wissenszentren statt eines großen Campus.
Hamburg. Diesen Professor kann man getrost als Querdenker bezeichnen: Jürgen Pietsch, Stadtplaner der HafenCity-Universität (HCU), hat eine eigene Studie zur Zukunft der Wissenschaft in Hamburg vorgestellt - und lehnt dabei nicht nur die Debatte um den Teilumzug der Uni Hamburg auf den Kleinen Grasbrook als "viel zu eng geführt" ab, sondern schlägt auch vor, dass die HafenCity-Universität, sein eigener Arbeitgeber, nicht in den für 66 Millionen Euro geplanten Neubau am Magdeburger Hafen ziehen soll - für den immerhin bald der Grundstein gelegt wird.
"Die Entscheidung, diese Universität in der HafenCity zu bauen, ist überholt. Außer dem Namen spricht nicht viel dafür, sie dort anzusiedeln", sagte Professor Pietsch dem Abendblatt. Ziel sei damals gewesen, den neuen Stadtteil durch die Hochschule zu beleben, was aber aufgrund der prognostizierten Touristenzahlen für das Überseequartier, 25 000 pro Tag, nicht mehr nötig sei. "Das Gebäude sollte ein wohlwollender Sponsor übernehmen", sagte Pietsch - und schlägt die "School of Logistics and Management" vor, die kürzlich von der Kühne-Stiftung gegründet wurde und deren Präsident der ehemalige Finanzsenator und HSH-Aufsichtsrat Wolfgang Peiner ist. Passen würde der Standort. Die Privat-Uni wirbt auf ihrer Homepage bereits mit einem Hafenpanorama.
Eigentlich geht es Professor Pietsch aber um grundsätzlichere Fragen. Hamburg habe zwar bis zum Jahr 2020 ein "Wachstumskonzept" für Wohn- und Gewerbeflächen, aber kein gesamtstädtisches Konzept für die Entwicklung von Wissenschaftsstandorten, wie es etwa in Helsinki, Zürich oder Boston (USA) der Fall sei. Es komme aber darauf an, alle Angebote zu vernetzen. Sechs Gebiete kämen als "Wissensstandorte" in Betracht, die sich parallel nebeneinander entwickeln sollen. "Regionale Zusammenhänge zählen, das Tonnendenken in Quadratmeterzahlen und Nutzungsflächen ist vorbei", sagte Pietsch.
Von Altona nach Bahrenfeld könnten demnach naturwissenschaftliche Einrichtungen ausgebaut werden, der Klimacampus in Eimsbüttel bliebe erhalten, auf den geplanten A7-Deckel könne der Uni-Sportplatz verlagert werden. Vom derzeitigen Herzstück des Campus der Uni Hamburg sei eine "Promenade" vorstellbar, auf der Fachbereiche auch ihre Wissenschaftssammlungen ausstellen, die derzeit "verstauben". Rund um das Uni-Klinikum Eppendorf sollen weitere "Life-Science-Einrichtungen" entstehen, in Harburg sei ein "Wissenspark" realisierbar, der die Technische Universität mit Phoenix und anderen Unternehmen verbindet. All das will Pietsch als "Denkanstöße" verstanden wissen, um "alte Denkschablonen" zu überwinden.
Für den Kleinen Grasbrook, den der Senat derzeit als künftigen Standort für die Fakultäten der Natur-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften prüft, käme ein Wissenschaftspark infrage. "Das Gelände wäre gut geeignet für Solar- und Windstromforschungen, die sich in Hamburg ansiedeln werden", sagte Pietsch. "Wenn man einen Propeller verladen will, macht auch die Nähe zu Wasser einen Sinn."
Gegen die Grasbrook-Idee der Wissenschaftsbehörde spreche laut Pietsch, dass dies "eine Planung für die nächsten 100 Jahre" wäre. "Niemand" könne aber ernsthaft sagen, wie der Bedarf der Hochschule in zwei Jahrzehnten aussehen würde. Standorte müssten sich stückweise entwickeln, sonst drohten Sanierungsgebiete wie bei den "Reißbrett-Wohnsiedlungen" der 70er-Jahre. Auch die Idee, dass Studenten das Gebiet südlich der Elbe beleben würden, will Pietsch nicht gelten lassen: Man müsse nur vor der Hochschule für Angewandte Wissenschaften am Berliner Tor die Straßenseite wechseln. "Schon dort ist von den zehntausend Studierenden nichts mehr zu spüren", sagte Pietsch.