Die Politikerin erkennt in privaten Fördervermögen eine Erlaubnis zur Steuerflucht und strebt Mitarbeit in der Regierung an.
Hamburg. Hamburger Abendblatt: Frau Heyenn, Sie wollten sich im Museum für Kunst und Gewerbe treffen. Passt das Museum der Arbeit nicht besser zu Ihrer Partei?
Dora Heyenn: Interessant, dass Sie mich ins Museum der Arbeit stecken wollen. Klar, die Linke und das Proletariat. Aber mir persönlich liegt dieses Museum hier näher. Es sind fantastische Keramikarbeiten ausgestellt. Ich habe ja selbst mal eine Keramikschule geleitet.
Abendblatt: Sie plädieren dafür, dass der Eintritt in Museen kostenfrei ist.
Heyenn: Schauen Sie nach London: Dort sind alle Museen gratis. Am Eingang steht eine Spardose - man steckt freiwillig so viel Geld hinein, wie man sich leisten kann. Mit dem Ergebnis, dass viele junge Menschen die Ausstellungen besuchen. Warum probiert man das hier nicht auch aus? Fest steht: Kultur steht nicht allen Einkommensschichten offen. Aber der Senat erhöht jetzt die Eintrittspreise. Unbegreiflich!
Abendblatt: Während der Senat spart, fordern Sie zusätzliche Ausgaben in Höhe von zwei Milliarden Euro. Wie soll das gehen?
Heyenn: Zuerst mal: Komischerweise stand für die Rettung der HSH Nordbank quasi über Nacht Geld in Milliardenhöhe bereit; auch für Banker-Boni. Wir sind dagegen, dass die kleinen Leute für diese Krise zahlen müssen. Außerdem spart der Senat nur Betriebskosten und stoppt keine Investitionen für Großprojekte. Gut, das Geld, das in die Elbphilharmonie gesteckt wurde, ist weg. Aber eine HafenCity-Universität für 66 Millionen Euro - warum lässt man die nicht erst mal in der Schublade? Und warum brauchen wir eine Pferderennbahn für 33 Millionen? Stattdessen setzt der Senat auf Kleckerbeträge - durch teureres Kita-Essen und erhöhte Parkgebühren.
Abendblatt: Ihr Programm sieht beispielsweise 200 Millionen Euro für Radwege vor, und 220 Millionen Euro für Stellen im öffentlichen Dienst. Ist das ernst zu nehmen?
Heyenn: Auch wir sind für Neuverschuldung, um die Krise zu meistern. Diese Ausgaben müssen Menschen aber in Beschäftigung bringen. Nur so sind auch Ausgaben im Sozialhaushalt in den Griff zu kriegen. Die Kurzarbeit läuft aus. Einige Busfahrer jobben auf Ein-Euro-Basis. Machen Sie sich mal klar: diese Bezahlung für einen regulären Beruf! Gegensteuern kann man da nur im öffentlichen Dienst. Als Oppositionspartei müssen wir zudem maximale Forderungen auf den Tisch legen.
Abendblatt: Zwei Wahlplakate Ihrer Partei nebeneinander: "Reichtum für alle!" und "Reichtum besteuern!".
Heyenn: Ersteres ist als Provokation zu verstehen. Es gibt nun mal sehr wenige Reiche. Und Reichtum zu besteuern, das ist in Hamburg ein Riesenproblem. Die Stadt wirbt geradezu damit, dass Gutverdiener hier besonders lasch geprüft werden. Mich ärgern aber auch die vielen Stiftungen der Stadt: Wer spendet, muss weniger Steuern zahlen. Wenn beispielsweise eine Stiftung fördert, dass Mädchen mehr Klavier spielen, geschieht das im Prinzip mit Steuergeld. Eigentlich müsste aber das Parlament darüber entscheiden, wie dieses Geld ausgegeben wird.
Abendblatt: Das klingt aber sehr pauschal.
Heyenn: Ich finde: Grundsätzlich hat das Stiftungswesen in Hamburg ein unverhältnismäßiges Ausmaß angenommen. Einnahmen durch Steuern hat der Senat überhaupt nicht im Blick.
Abendblatt: Wann wird Die Linke gesellschaftlich akzeptiert sein?
Heyenn: Wie bitte?
Abendblatt: Die Vereinigung Hamburger Schiffsmakler hat Vize-Bürgerschaftspräsident Wolfgang Joithe vom traditionellen Eisbeinessen ausgeladen.
Heyenn: Das ist ein absoluter Einzelfall und Verhalten von vorgestern. Das fand auch der Bürgerschaftspräsident Berndt Röder. Eine Entschuldigung steht bis heute aus. Ich muss sagen: Wir fühlen uns insgesamt in der Bürgerschaft völlig fair behandelt. Wir können unsere alternativen Politikmodelle einbringen. Wir reden übrigens auch mit der Handelskammer.
Abendblatt: Ist die Linke in Hamburg besonders etabliert?
Heyenn: Hamburg war lange ein heftig zerstrittener Landesverband. Als ich mir damals einen Landesparteitag bei der PDS angeschaut habe, dauerten alleine die Beratungen über die Tagesordnung vier Stunden. Ich dachte: Nie und nimmer arbeite ich mit denen zusammen. Aber das hat sich aufgelöst. Dadurch, dass wir in den Bezirken und auf Landesebene im Parlament vertreten sind, ist unsere Politik wirksamer geworden. Das diszipliniert. Wir streben langfristig Verantwortung in einer Regierung an, um mitzugestalten.
Abendblatt: Was waren konkrete Erfolgserlebnisse in diesem Jahr?
Heyenn: Erstmals seit Kriegsende werden Privatschulen kontrolliert. Wir haben auf die Bezahlung der Lehrer dort aufmerksam gemacht, die häufig schlechter ist, als in öffentlichen Fördermitteln bemessen. Auch wurde das Elterngeld auf 200 Euro beschränkt. Wir haben erwirkt, dass es keine regelhafte Überprüfung mehr für alle gibt, die einen Infostand anmelden. Und im Fall Krümmel haben wir die Regierung unter Druck gesetzt - indem wir die Sprechblasen der CDU entlarvt haben: Nach ihren Angaben wollen sie Krümmel abschalten, wenn keine Zweifel mehr an der Unzuverlässigkeit von Vattenfall bestehen. Aber was soll denn noch passieren, ehe die CDU an Vattenfall zweifelt?
Abendblatt: Aber hat Hamburg darauf wirklich Einfluss?
Heyenn: Wir haben nachgewiesen, dass Hamburg sehr wohl über die Verträge mit Vattenfall aktiv werden kann. Außerdem: Durch unsere Arbeit wurde erst bekannt, dass regelmäßig geheime Atomtransporte durch Hamburg fahren. Das wollen wir unterbinden. Dass dies möglich ist, haben Bremen und Cuxhaven gezeigt.
Abendblatt: Und Rückschläge 2009?
Heyenn: Am meisten ärgert mich, dass der Senat die Anfragen des Parlaments oft nicht oder nur sehr spärlich beantwortet.
Abendblatt: Zur Schulreform: Laut Abendblatt-Umfrage ist Ihre Wählerschaft gespalten wie die keiner anderen Partei: Eine Hälfte ist klar dafür, die anderen 50 Prozent sind klar dagegen.
Heyenn: Das Thema Elternwahlrecht wurde in der Öffentlichkeit stark emotionalisiert. Das ist aber völlig übertrieben, weil sich kaum etwas ändert: Viele der Schüler, die entgegen der Empfehlung das Gymnasium besuchen, verlassen diese Schulreform leistungsbedingt zwischen der fünften und zehnten Klasse wieder. Ich bin mir sicher: Klammert man das Elternwahlrecht aus, befürworten unsere Wähler das längere gemeinsame Lernen - wie auch die Mehrheit aller Hamburger.
Abendblatt: Dann sind die Gegner der Reform lauter als ihre Anhänger.
Heyenn: Dass die so laut sind, hat einen Grund. Die brutale Reaktion auf diese Minireform, auch mit Nazivergleichen, zeigt doch nur: Gewisse Schichten fürchten um ihre Privilegien. Bisher war die Karriere eines Kindes von den Eltern steuerbar: Dieses Gymnasium, jene Hochschule, dann Aufsichtsrat in der Firma X. Solche Pläne durchkreuzt die Reform: Leistung soll zählen, nicht Herkunft.
Abendblatt: Wird die Moderation durch Michael Otto den Konflikt lösen?
Heyenn: Beim Elternwahlrecht muss die Regierung nacharbeiten. Aber wo soll sonst noch ein Kompromiss geschlossen werden? Entweder, wir bekennen uns zum gemeinsamen Lernen. Oder alles bleibt, wie es ist. Als vor 90 Jahren die vierjährige gemeinsame Grundschule eingeführt wurde, waren von den Gegnern die gleichen Argumente zu hören wie heute!
Abendblatt: Künstler besetzen Häuser für den Erhalt des Gängeviertels, Menschen aus den Elbvororten gehen auf die Straße gegen die Primarschule. Wo ist der Unterschied?
Heyenn: Es ist gut, dass Menschen ihrer Meinung öffentlich wieder mehr Nachdruck verleihen. In diesem Jahr haben in Hamburg die Eltern und Mitarbeiter der Kitas und Horte demonstriert, an der Universität haben sich sowohl die Studierenden als auch das wissenschaftliche Personal und die Professoren mit ihren Forderungen an die Öffentlichkeit gewandt und der Bildungsstreik hat eindrucksvoll gezeigt, dass junge Menschen keineswegs unpolitisch sind und nur Spaß haben wollen. Sicher, nicht jede Initiative hat das Gemeinwohl im Auge, manche auch blanken Egoismus, aber das gehört auch zur Demokratie.
Abendblatt: Was ist Ihr politisches Ziel für 2010?
Heyenn: Die steigende Erwerbslosigkeit bekämpfen und Lohnkürzungen abmildern, darauf wollen wir uns konzentrieren. Aber auch in ökologischer Sicht können wir in Hamburg nicht so zufrieden sein, wie viele denken. Anstatt öffentliche Verkehrsmittel attraktiver zu machen, steigen die Preise für den HVV. Und die CO2-Versprechen sind nichts als Schönrechnerei.
Abendblatt: Ihre Tochter und Ihr Sohn sind ebenfalls politisch aktiv. Haben Sie während der Feiertage viel über Politik diskutiert?
Heyenn: Nein (lacht). Wir haben Doppelkopf gespielt.