Senator Dietrich Wersich kündigt “ganzes Bündel von Maßnahmen“ an. Bereits im Jahr 2002 gab es ähnlich gelagerte Fälle.
Hamburg. Dazu gelernt hat die Sozialbehörde eigentlich schon vor acht Jahren. Damals gab es zwar noch kein Hartz IV, sondern Sozialhilfe, aber ein grundsätzliche Problem war identisch: Vermieter bereicherten sich an Wuchermieten für Erwerbslose, die der Staat finanzierte. Nachdem das Abendblatt im Jahr 2002 über ein sechs Quadratmeter kleines Zimmer berichtet hatte, das monatlich 230 Euro Miete kostete, verkündete die damalige Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU), das Problem "strukturell" lösen zu wollen: Die Unterbringung von Wohnungslosen sollte "komplett neu" organisiert werden.
Zudem seien die Sachbearbeiter künftig "so sensibilisiert", dass es nicht mehr zu eklatanten Missverhältnissen zwischen Größe und Preis der Wohnung kommen könne. Während nun die Staatsanwaltschaft im Fall der Kuhlmann Grundstücks GmbH ermittelt, die die Größen ihrer Wohnungen falsch angegeben haben soll, um höhere Mieten zu kassieren, wiederholen sich die Beteuerungen der mittlerweile von Dietrich Wersich (CDU) geführten Behörde. Mit einem "ganzen Bündel von Maßnahmen" gehe die Behörde nun den Vorwürfen des Betrugs und des Mietwuchers nach, hieß es. Dabei setzen Arge und Sozialbehörde auch auf die Mieter selbst: Bei "Unstimmigkeiten im Mietvertrag" erstatte die Arge für Leistungsempfänger den Mitgliedsbeitrag für Mieterverbände, die kostenlose Rechtsberatungen anbieten. Doch offensichtlich ist: Hilfe zur Selbsthilfe reicht nicht - weil augenscheinlich viele Hartz-IV-Empfänger eine Konfrontation mit ihrem Vermieter scheuen.
"Der Sozialsenator hat zwar angekündigt, am Wohnungsgeld für Erwerbslose sparen zu wollen", sagte SPD-Sozialpolitiker Dirk Kienscherf. "Dass aber offensichtlich viel Geld mit einer konsequenten Verfolgung von Missbrauch seitens der Vermieter gespart werden könnte, interessiert den Senator offensichtlich wenig." Damit zeige sich der politische Sprengstoff im Falle der Kuhlmann Grundstücks GmbH. Während Hartz-IV-Empfänger unter Generalverdacht auf einen Missbrauch der Leistungen stünden und entsprechend kontrolliert würden, gerate eines aus dem Blick: Geschäftsleute, die am System Hartz IV mit unlauteren Mitteln viel Geld verdienten. Pikant erscheint in diesem Zusammenhang, dass der in Verdacht stehende Thorsten Kuhlmann CDU-Politiker ist und zudem in der Deputation der Sozialbehörde war - dieses parteiübergreifende Gremium ist von der Bürgerschaft gewählt. Allerdings protestierten bis vor Kurzem weder Linke noch SPD gegen Kuhlmann.
Für die Sozialbehörde sind die Fälle aus dem Jahr 2002 nicht vergleichbar mit den aktuellen. Vor der Einführung von Hartz IV seien Mietverträge direkt mit der Stadt geschlossen worden, sagte Sprecherin Julia Seifert. Das System der "oft überteuerten öffentlichen Unterkünfte" sei aufgrund der negativen Erfahrungen tatsächlich zurückgefahren worden. Heute schreibe Hartz IV ausdrücklich vor, dass Leistungsempfänger privatwirtschaftliche Mietverträge abschließen, was auch deren Individualität gerechter werde. Außerdem, so die Behördensprecherin, sei es damals um überteuerte Mieten gegangen, während im aktuellen Fall die Staatsanwaltschaft wegen Betrugs ermittle: "Dass die Quadratmeter-Angaben auf den Mietverträgen offenbar gefälscht waren, ist für Sachbearbeiter zunächst nicht zu erkennen".
Grundsätzlich streitet man in der Sozialbehörde aber nicht ab, dass Mietwucher ein Problem im System Hartz IV darstellt, allerdings nicht nur in Hamburg: "Wir haben das Thema in die Gremien von Bund und Ländern eingebracht, wo mögliche Neuregelungen diskutiert werden", sagte Seifert. Geprüft werden soll ebenfalls, ob künftig Höchstmieten pro Quadratmeter definiert werden könnten, also nicht nur insgesamt Obergrenzen, wie es derzeit der Fall ist.