Viele Arbeitnehmer verdienen laut einer Studie abzüglich der Steuern weniger als Hartz-IV- Empfänger. Der Broterwerb zahlt sich nicht mehr aus.
Berlin. In einigen Branchen bekommen Geringverdiener deutlich weniger Geld als Hartz-IV-Empfänger. Dies zeigt eine Studie des dem Bund der Steuerzahler nahestehenden Karl-Bräuer-Instituts im Auftrag der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". "Für viele Beschäftigte in Deutschland lohnt sich ihre Arbeit nicht", heißt es in dem Bericht.
Demnach bekommt beispielsweise ein geringverdienender Arbeitnehmer in der Zeitarbeitsbranche (verheiratet, zwei Kinder, Alleinverdiener) inklusive Kindergeld 278 Euro weniger durch seinen Jobs zusammen, als wenn er nicht arbeiten gehen und dafür Arbeitslosengeld II (Hartz IV) einstreichen würde.
Den fehlenden Betrag zum gesetzlich garantierten Mindesteinkommen nach Hartz IV – im Fall des Familienvaters 1653 Euro – kann der Arbeitnehmer zwar "aufstocken" und sich vom Jobcenter nach einem Antrag auszahlen lassen.
Dennoch werde das Lohnabstandsgebot, wonach ein Erwerbstätiger eigentlich mehr Geld bekommen soll als ein Empfänger staatlicher Transferleistungen, "in vielen Wirtschaftszweigen" nicht eingehalten, schreibt die Zeitung weiter. In einigen Branchen seien die "finanziellen Anreize zur Arbeitsaufgabe besonders stark". Dazu zählten neben Zeitarbeit das Gastgewerbe, Wach- und Sicherheitsgewerbe sowie der Garten- und Landschaftsbau.
Dem Bericht zufolge gibt es weitere Branchen wie im Einzelhandel oder in Pflegeberufen, in denen Geringverdiener nur bis zu 100 Euro netto monatlich über den Einkünften eines Hartz-IV-Empfängers liegen. "Durch eine Anhebung der Hartz-Regelsätze von derzeit 359 Euro würde sich das Abstandsproblem auf viele weitere Branchen ausdehnen", heißt es in dem Bericht weiter.
Laut dem Bericht gibt es in Deutschland derzeit 330.000 Vollzeitbeschäftigte die trotz ihres Jobs einen Zuschuss aus Hartz IV erhielten, meist als Wohn- und Heizkostenzuschuss. In dem Niedriglohnsektor arbeiteten – je nach Definition – bis zu einem Fünftel der deutschen Arbeitnehmer.
Dieses Modell – das einen Anreiz für Unternehmen schaffen soll, Jobs auch für geringer Qualifizierte zu schaffen, war von der rot-grünen Bundesregierung bei der Einführung vor gut fünf Jahren so gewollt. Inzwischen steht der Hartz-IV-Regelsatz von 359 Euro jedoch auf dem Prüfstand. Am 9. Februar beschäftigt sich das Bundesverfassungsgericht mit der Frage der Angemessenheit.
Gewerkschafter haben sich jedoch gegen noch mehr Niedriglohn-Jobs ausgesprochen. "Wir müssen die rasante Ausdehnung des Niedriglohnsektors endlich stoppen", sagte Hans-Jürgen Urban, Vorstandsmitglied der IG Metall, der "FAZ". Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat 7,50 Euro Mindestlohn brutto gefordert, laut Urban wären mindestens 8,50 Euro erforderlich.