Ein Jahr Verzögerung, hohe Mehrkosten? Der Aufsichtsratsvorsitzende der Elbphilharmonie Hamburg Bau KG. redet Tacheles.
Hamburg. Seit einer Woche sorgt das Prestigeprojekt Elbphilharmonie für Schlagzeilen. Der Bau ist acht bis zehn Wochen in Verzug, die Baufirma Hochtief und die Architekten Herzog & de Meuron fordern zusätzlich zu den 323 Millionen Euro der Stadt noch einmal bis zu 35 Millionen Euro mehr. Und völlig überraschend kündigte Hochtief plötzlich an, das Konzerthaus werde nicht Ende 2011, sondern ein Jahr später fertig. Das Abendblatt sprach darüber mit Johann C. Lindenberg, Aufsichtsratsvorsitzender der Elbphilharmonie Hamburg Bau KG. Sie beauftragt die Realisierungsgesellschaft (Rege) mit dem Management und der Überwachung des Baus.
Abendblatt: Herr Lindenberg, die Bau KG soll die Interessen der Stadt vertreten. Warum wirkt es nach außen derzeit so, als wenn das nicht besonders wirkungsvoll geschieht?
Johann C. Lindenberg: Die Interessen der Stadt werden wirkungsvoll vertreten. Wenn Sie Hochtief oder den Generalplaner fragen, werden die das auch so empfinden. Wir treten jetzt mit Hochtief in eine neue Verhandlungsphase ein, um aufzuräumen, was sich im vergangenen Jahr angehäuft hat.
Abendblatt: Nämlich?
Lindenberg: Wir werden jede einzelne Forderung von Hochtief auf ihre Stichhaltigkeit prüfen. In der Mehrzahl der Fälle wird die nicht gegeben sein.
Abendblatt: Das bedeutet im Umkehrschluss, dass es in einigen Fällen schon berechtigt ist. Im Herbst 2008 haben Sie aber gesagt: Dieses Budget steht jetzt.
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Lindenberg: Das steht ja auch. Man muss trennen zwischen echten Mehrkosten und Mehrkostenanmeldungen, wie wir sie jetzt vorliegen haben. In der Tat gibt es Mehrkosten, aber es sind auch 20 Millionen Euro für Unvorhergesehenes eingeplant.
Abendblatt: Worum geht es konkret?
Lindenberg: Zum einen um die weiße Haut im Innern des Großen Saals. Da hatte Hochtief nur einen Anbieter empfohlen, der mit seinem Angebot von 31 Millionen Euro gigantisch über dem lag, was wir budgetiert hatten. Dann hat die Rege mit Zustimmung von Hochtief einen zweiten Anbieter ins Boot geholt, der das für 15 Millionen Euro macht. Das führt aber immer noch zu Mehrkosten von 6,8 Millionen, das ist zurzeit der größte Posten.
Abendblatt: Und die anderen?
Lindenberg: Wir haben Risiken von 1,5 Millionen bei der Auszeichnung der Wege im Gebäude. Und wir haben Mehrkosten bei der Rege, um die ganzen Forderungen, Behinderungs- und Schlechtwetteranzeigen von Hochtief minutiös parieren zu können. Von den 20 Millionen Euro für Unvorhergesehenes sind aber noch etwa elf Millionen übrig. Und von den Forderungen von Hochtief über 22,4 Millionen Euro werden wir sicher keine elf Millionen akzeptieren. Also sind wir noch im Budget.
Abendblatt: Aber das sind nicht die letzten Forderungen.
Lindenberg: Nein, das zu glauben, wäre illusorisch. Natürlich will uns Hochtief noch weiter unter Druck setzen. Aber unsere Planungen sind abgeschlossen, der Vorwurf, wir planen nicht richtig und deshalb gibt es Verzögerungen und Mehrkosten, zieht nicht mehr. Das wissen sie auch und bauen daher andere Drohkulissen auf. Die Ankündigung von zwölf Monaten Verzögerung ist ein Element davon.
Abendblatt: Was macht Sie da so sicher?
Lindenberg: Noch im November hatte Hochtief von einem Risiko gesprochen, dass es zwei Wochen Verzögerung gibt. Daher sehe ich das jetzt als taktische Aussage.
Abendblatt: Der Baukonzern pokert nur nach dem Motto: Gebt uns mehr Geld, dann werden wir auch rechtzeitig fertig?
Lindenberg: So sehe ich das. Hochtief stellt die Probleme jetzt riesengroß dar, um dann sagen zu können: Wir können sie lösen, wenn es mehr Geld gibt. Aber auf Pauschallösungen lassen wir uns nicht mehr ein.
Abendblatt: Sie meinen, die 30 Millionen "Einigungssumme", die im Nachtrag über 209 Millionen Euro enthalten war?
Lindenberg: Ja, so einen Weg wollen wir nicht mehr beschreiten, sondern wir wollen jeden Punkt einzeln abarbeiten. Hochtief muss jetzt für alle Behinderungsanzeigen eine Begründung liefern, warum das Auswirkungen auf den Bau hat.
Abendblatt: Die Stadt fährt eine härtere Linie?
Lindenberg: Eine akkurate Linie. Nicht hart, aber sachlich. Man darf ja nicht vergessen, dass wir eine Forderung in der Hand haben: Das 26. Obergeschoss war nicht wie vereinbart am 11. Januar fertig, sondern erst das 20.
Abendblatt: Wie viel könnten Sie denn fordern?
Lindenberg: Wir sprechen über einen zweistelligen Millionenbetrag. Dem stehen aber die Behinderungsanzeigen von Hochtief gegenüber, die vor allem auf fehlende Pläne seitens des Generalplaners abzielen.
Abendblatt: Trifft das zu?
Lindenberg: In der ersten Hälfte 2009 stimmte das, da gab es Verzögerungen. Aber seitdem wird jede Kleinigkeit zur Behinderungsanzeige gemacht.
Abendblatt: Es heißt, Hochtief beschäftigt allein 60 Experten, nur um die Stadt mit solchen Anzeigen zu überhäufen. Hatten Sie das unterschätzt?
Lindenberg: Die Größenordnung haben wir so nicht erwartet. Insgesamt ist es aber ein in der Baubranche nicht unübliches Verhalten. Übrigens: Unilever hat in der HafenCity auch mit Hochtief gebaut - in time und im Budget. Es geht also.
Abendblatt: Wäre es hilfreich, das Thema direkt beim Bürgermeister anzusiedeln, um Druck ausüben zu können?
Lindenberg: Davon halte ich gar nichts. Wenn ich Hochtief-Chef wäre, würde mich auch kein Bürgermeister beeindrucken, sondern nur juristische Argumente der Gegenseite.
Abendblatt: Würden Sie wetten, dass es für die Stadt bei Kosten von 323 Millionen bleibt?
Lindenberg: Kommt auf den Wetteinsatz an. Aber im Ernst kann das niemand sagen. Fest steht: Seit November 2008 halten wir uns an das Budget und haben noch etwas übrig für Unvorhergesehenes. Nach unserer Einschätzung ist auch der geplante Fertigstellungstermin zu halten.