SPD-Politiker Bülent Ciftlik streitet den Vorwurf, eine Scheinehe vermittelt zu haben, ab. Sein Mandat will er deshalb nicht niederlegen.
Hamburg. In der Hamburger SPD verdichten sich die Anzeichen, dass der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Bülent Ciftlik dem Druck der Partei nachgibt: Ciftlik, gegen den Anklage wegen Anstiftung zu einer Scheinehe erhoben worden ist, wird möglicherweise schon heute erklären, sein Mandat ruhen zu lassen. Das heißt: Er wird an keinen Bürgerschaftssitzungen mehr teilnehmen und seine Arbeit in den Ausschüssen einstellen. Ciftlik soll aber nicht bereit sein, sein Mandat niederzulegen. Der 37 Jahre alte Ottensener bestreitet alle Vorwürfe.
Nachdem am Dienstag bekannt geworden war, dass die Staatsanwaltschaft die monatelangen Ermittlungen gegen Ciftlik abgeschlossen hat, reagierten seine Parteifreunde mit einer Mischung aus Schock und gesteigerter Unruhe. Der nun anstehende Prozess gegen den Abgeordneten fällt in eine Phase des Versuchs der innerparteilichen Konsolidierung. Der neue Landeschef und Ex-Bundesarbeitsminister Olaf Scholz hatte in wenigen Wochen erreicht, dass die SPD ihr größtes Trauma engagiert aufarbeitete: den Stimmzettelklau bei der Bürgermeisterkandidatur Anfang 2007. Eine monatelange Hängepartie wegen Ciftlik würde da nur kontraproduktiv wirken.
Der Hamburger Politikwissenschaftlers Hans J. Kleinsteuber bestätigt das. Der Fall Bülent Ciftlik habe deutliche Auswirkungen auf die Partei - sowohl nach innen als auch nach außen. "Es zeigt sich das Bild einer hochgradig zerstrittenen Partei", so Kleinsteuber. Dabei gehe es nicht nur um den Einzelfall, sondern um innerparteiliche Kämpfe, um Intrigen, Ämter und Macht.
"Das Bild, das für den Wähler entsteht: In dieser Partei läuft es nicht rund", sagte Kleinsteuber im Gespräch mit dem Abendblatt. Das Problem der SPD: "Mehr als 40 Jahre hat diese Partei regiert, war es gewohnt, erfolgreich zu sein, und auch das eine oder andere unter den Teppich zu kehren. Das geht jetzt nicht mehr." Durch die Verdrängung auf die Oppositionsbank gebe es weniger Posten und Mandate. "Umso härter werden die Kämpfe darum", so Kleinsteuber. Die SPD befinde sich in einer "schlimmen Verfassung". Diese müsse die Partei überwinden, bevor die Wähler sie wieder ernst nehmen könne.
Es sei klar, "die SPD will Bülent Ciftlik so schnell wie möglich aus der Schusslinie bekommen und ihn lieber heute als morgen entsorgen", schätzt Kleinsteuber die Lage ein. Nur so sei es möglich, sich der inhaltlichen Oppositionsarbeit zu widmen. Rein rechtlich kann Ciftlik nicht zur Aufgabe seines Bürgerschaftsmandats gezwungen werden. Selbst dann nicht, wenn er schuldig gesprochen und verurteilt werden würde. "Es ist ein freies Mandat. Ein Abgeordneter ist diesbezüglich nur seinem Gewissen verpflichtet", sagte Bürgerschaftssprecher Ulfert Kaphengst. Allerdings regele meist die "politische Hygiene" solche Situationen.
Unabhängig von der Frage nach dem Mandat, geht die juristische Auseinandersetzung weiter. Wie Ciftliks Anwältin Anette Voges sagte, laufe alles auf einen Prozess hinaus. Die Möglichkeit eines so genannten Strafbefehlverfahrens, bei dem es zu einer rechtskräftigen Verurteilung ohne mündliche Hauptverhandlung kommen kann, hält Voges für ausgeschlossen. "Dies wäre nur möglich, wenn es ein allgemeines Einvernehmen und eine eindeutige Rechtslage gibt." Das sei hier nicht der Fall. Voges rechnet mit einem Beginn der Verhandlung vor dem Amtsgericht St. Georg nicht vor April.