Der SPD-Abgeordnete soll seine frühere Freundin zu einer Scheinehe überredet und 3000 Euro bekommen haben.
Hamburg. Er galt als einer der großen Hoffnungsträger der Hamburger SPD: Bülent Ciftlik. Nun scheint es langsam eng zu werden für den Bürgerschaftsabgeordneten und ehemaligen Sprecher der Landespartei. Die Anklage der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Vermittlung einer Scheinehe könnte die politische Karriere des Diplom-Politologen endgültig stoppen.
Der "Obama von Altona" - so wurde Ciftlik bei der Bürgerschaftswahl 2008 von "Bild" genannt. Genauso jung, genauso konsequent in seinem Wahlkampf wie sein amerikanisches Vorbild und in der Lage, Favoriten zu stürzen. Von der Frauenzeitschrift "Brigitte" wurde er zu einem der attraktivsten Politiker gewählt. Ciftlik war der Erste, der vom neuen Hamburger Wahlrecht profitiert hat. Die Möglichkeit persönlicher Kandidaturen in Wahlkreisen hat der Sohn türkischer Einwanderer, den seine Partei in Altona nur auf Listenplatz vier führte, für sich genutzt. Er ging auf die Straße zu den Menschen, warb sehr engagiert für sich. Am Ende errang er ein Direktmandat und zog vorbei an SPD-Urgestein Walter Zuckerer in die Bürgerschaft ein. Eine Tatsache, die Ciftlik in den eigenen Reihen nicht nur Freunde brachte.
Öffentlich in die Kritik geriet Ciftlik, als Medienberichte ihn im Mai 2009 in Verbindung mit dem Stimmzettel-Klau bei der SPD brachten. Ein Verdacht, den keiner der beiden von der SPD in Auftrag gegebenen Untersuchungsberichte bestätigte. Auch die Staatsanwaltschaft konnte keinen Täter ermitteln. Kurz darauf begann das Ermittlungsverfahren wegen der Scheinehe.
Ciftlik kam nicht mehr aus den Schlagzeilen. Im November 2009 wurden gefälschte Polizeivermerke bekannt, die suggerieren sollten, die SPD-Abgeordneten Mathias Petersen und Thomas Böwer hätten gegenüber dem Landeskriminalamt behauptet, Ciftlik habe sogar mehrere Scheinehen vermittelt. Doch die Unterlagen waren offenbar gefälscht worden. Petersen und Böwer stellten daraufhin Strafantrag gegen unbekannt. Für die Hamburger SPD ist klar: Bis zu einem möglichen Urteil gilt die Unschuldsvermutung. Daran ändere auch die Anklageerhebung nichts, sagte Landesgeschäftsführerin Karin Timmermann (SPD).
Für die Staatsanwaltschaft stellt sich der Fall folgendermaßen dar: Irgendwann zwischen Juli 2007 und Februar 2008 soll Bülent Ciftlik seine damalige Freundin überredet haben, eine Scheinehe mit seinem türkischen Bekannten einzugehen. Wie er das geschafft haben soll, ist bislang unklar. Sicher ist nur, dass die Ehe am 29. Februar 2008, fünf Tage nach der Bürgerschaftswahl, im Standesamt Eimsbüttel geschlossen wurde. "Nach unseren Erkenntnissen hat der Bekannte von Herrn Ciftlik dafür 3000 Euro an die Frau gezahlt", sagt Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers. Angeklagt sind alle drei. Ciftlik ließ gestern über seine Anwältin bekannt geben, dass er lediglich Trauzeuge war.
Einem Mitarbeiter der Ausländerbehörde war die erneute Eheschließung von Ciftliks Bekannten aufgefallen. Es war bereits dessen zweite. Der 39 Jahre alte Türke hatte bei der Scheidung von seiner ersten Frau zugegeben, dass es sich um eine Scheinehe gehandelt habe und dass dafür Geld geflossen sei. Am 29. Mai 2009 durchsuchten Staatsanwälte und Polizisten die Wohnungen des SPD-Bürgerschaftsabgeordneten und der beiden jetzt Mitangeklagten. Die 32 Jahre alte Diplomkauffrau gab damals der Polizei gegenüber zu, dass es sich um eine Scheinehe handele und dass Ciftlik sie vermittelt habe.
Ciftlik wurde vom damaligen SPD-Chef Ingo Egloff als Parteisprecher beurlaubt. Im Dezember gab er sein Amt endgültig auf. Sein Ausscheiden "zur Mitte der Legislaturperiode" hatte er bereits im Frühjahr angekündigt. Mit den Ermittlungen habe dies "nichts zu tun", so Ciftlik. Er selbst bezeichnete die Vorwürfe nach der Hausdurchsuchung als "völlig haltlos" und legte Einspruch gegen die Beschlagnahmung seiner Computer-Daten ein. Im Sommer wies das Amtsgericht diesen zurück. Was die Ermittler dann fanden, bestätigte sie in ihrem Verdacht - dass "die Ehe nur geschlossen wurde, um einen Aufenthaltstitel zu erschleichen". In einer E-Mail der 32-Jährigen an Ciftlik, wenige Wochen vor der Hochzeit, hieß es sinngemäß, dass sie ihm nach der Eheschließung die vereinbarten 3000 Euro von ihrem Zukünftigen geben werde und er dann nicht mehr "so viele Leute abzuklappern" brauche. Gemeint waren offenbar Wahlkampfspender. Das Geld soll die Kauffrau laut Staatsanwaltschaft dem Politiker als Kredit übergeben haben. Nach vorläufigem Ermittlungsstand handelt es sich um insgesamt gut 16 000 Euro.
Dies ist zwar legal. Strafrechtlich relevant ist die vorgeworfene Scheinehe und deren Vermittlung. Letzteres kann mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden. Die ehemalige Freundin Ciftliks hat laut Ermittlungen den Politiker darauf hingewiesen, dass es eine Zusatzvereinbarung gebe. Danach habe sie darauf bestanden, weder an den Kosten der Eheschließung, deren laufenden Kosten, noch denen der Scheidung beteiligt zu werden. Sie habe sich sogar bei einem Notar über die Folgen einer Scheinehe für sie informiert. Es sollte darüber hinaus festgelegt werden, dass sie nicht unterhaltspflichtig gegenüber ihrem Ehemann sein werde. Heute weiß sie: Folgenlos war diese Ehe nicht.