Dieter Lenzen stellt Bedingungen. Er will die Leitung der Hamburger Uni nur übernehmen, wenn die Hochschule mehr Geld erhält.
Abendblatt: Herr Lenzen, schon vor Ihrem ersten Arbeitstag in Hamburg wird gegen Sie demonstriert. Wie ernst nehmen Sie das?
Dieter Lenzen: Kritische Stimmen gegen Kandidaten für Ämter sind völlig normal, solange sie nicht auf Vorurteilen oder Unkenntnis basieren. Es wird darauf ankommen, durch die künftigen Entscheidungen zu zeigen, dass viele Prämissen dieser Kritik unzutreffend waren. Dies wird gelingen.
Abendblatt: Was sagen Sie den Studenten in Ihrer Antrittsrede?
Lenzen: Ich werde versuchen, sie zu überzeugen, gemeinsam an der Zukunft der Universität Hamburg zu arbeiten. Ich werde als Präsident Ideen aufzeigen, für sie werben und helfen, sie umzusetzen, Am wichtigsten ist mir, die akademische Ausbildung zu entlasten - hier muss nach der Umstellung auf Bachelor und Master einiges verbessert werden. Ich möchte deshalb schon sehr bald konkrete Vorschläge unterbreiten. Dicht gefolgt von der notwendigen Planung für die bauliche Situation und natürlich hinsichtlich der zweiten großen Aufgabe: der Forschung.
Abendblatt: Als Präsident der FU Berlin galten Sie als eher autoritär. In Hamburg soll das Hochschulgesetz überarbeitet werden. - Wollen auch Sie demokratischere Strukturen?
Lenzen: Die FU Berlin hat sich selbst eine Grundordnung geschaffen, deren Prinzip es ist, Amtsinhaber als Entscheidungsträger persönlich verantwortlich zu machen. Mit autoritärem Verhalten hat das nichts zu tun. Die gegenwärtigen Hamburger Verhältnisse scheinen die Berliner Strukturen in mancher Hinsicht noch zu übertreffen. Deswegen wird es nach dem ersten Eindruck notwendig sein, zum Beispiel auf den Ebenen unterhalb der Fakultät, dort wo Entscheidungen auch tatsächlich wirksam werden, Willensbildungsprozesse auch zu ermöglichen.
Abendblatt: Sie sagen, die Berliner Hochschulpolitik sei "wie in China": Wird Ihnen die Zusammenarbeit mit einer CDU-Wissenschaftssenatorin hier in Hamburg leichter fallen?
Lenzen: Ich habe den Eindruck gewonnen, dass der Wissenschaftssenatorin und dem Senat die Universität der Stadt sehr am Herzen liegt. Sie sind bereit, die Hochschule und ihre Mitglieder für die Zukunftsentwicklung zu unterstützen.
Abendblatt: Schon Ihre Amtsvorgängerin, Monika Auweter-Kurtz, verfolgte einen harten Reformkurs, ist aber gescheitert - an sich selbst und am universitären Widerstand. Werden Sie erfolgreicher sein?
Lenzen: Es gibt in vielen Universitäten gegenwärtig verständlicherweise eine Erschöpfung angesichts der vielen Veränderungen. Es muss Schluss damit sein, dass die Lehre und Forschung durch ständig neue Erwartungen keine Gelegenheit haben, zu sich selbst zu finden. Also: nicht immer neuer Druck von oben, sondern die eingeleiteten Veränderungen kritisch überprüfen und konsolidieren.
Abendblatt: Sie haben die FU Berlin in die Exzellenz geführt, gleichzeitig plädierten Sie im "Aktionsrat Bildung" für mehr Gerechtigkeit im Schulsystem. Brauchen wir Elite-Unis - oder Hochschulen für alle ?
Lenzen: Der Wettbewerb des Bundes und der Länder ist fälschlicherweise als Elite- oder Exzellenzwettbewerb vereinseitigt worden. Tatsächlich ging es darum, Konzepte für eine qualitätsvolle Zukunftsentwicklung der Hochschulen auf gleichwohl hohem Niveau zu generieren. Das steht nicht im Gegensatz zu Bildungsgerechtigkeit. Ganz im Gegenteil, denn Bildungsgerechtigkeit heißt, möglichst vielen Menschen den Zugang zu genau jenen qualitätsvollen Hochschulen zu ermöglichen. Deswegen bin ich auch der Auffassung, dass der Bund und die Länder ernsthaft darüber nachdenken sollten, inwieweit sie für die Verbesserung der akademischen Lehre die erforderlichen Vorraussetzungen schaffen wollen. Insbesondere müssen Studierende besser betreut werden, das ist Vorrausetzung für Bildungsgerechtigkeit. Es wäre fatal, wenn weiterhin Forschung und Lehre gegeneinander ausgespielt werden würden. Studierende haben zu Recht den Eindruck, dass das Hochschulwesen auf einem Auge kurzsichtig ist: der akademischen Ausbildung.
Abendblatt: Der Senat hat einen Neubau oder gar Umzug der Uni in Aussicht gestellt. Spielt das eine Rolle bei den Verhandlungen über Ihren Arbeitsvertrag, die Sie jetzt mit dem Senat führen?
Lenzen: Für Bauinvestitionen scheint die Bereitschaft des Senats groß zu sein. Das ist ein bedeutender Punkt in den anstehenden Gesprächen. Wir sehen an der FU mit zum Beispiel ihrem eindrucksvollen Bibliotheksneubau, wie wichtig die Architektur einer Universität für die Identifikation und das Image sein kann.
Abendblatt: Welche Mittel fordern Sie zusätzlich von Wissenschaftssenatorin Herlind Gundelach?
Lenzen: Um den Wissenschaftsbereichen für die notwendigen Steuerungsaufgaben keine Mittel entziehen zu müssen, erwarte ich zusätzliche Ressourcen für die Organisation des Präsidiums. Ich leite nur eine Uni, die mehr Mittel erhält.
Abendblatt: Auch Sie wissen vom Image-Problem der Uni Hamburg. Wie wollen Sie die Hochschule an die Spitze führen?
Lenzen: Es kommt weniger darauf an, die Universität zu allererst an die Spitze zu führen, als vielmehr ihre sehr guten Leistungen sichtbar zu machen. Die Stadt, aber auch die Universität, müssen Vertrauen fassen in die Zukunft von Forschung und Lehre an der Universität Hamburg. Wenn dieses Vertrauen gespürt wird, ist das eine gute Grundlage.