Die Kritik aus Kiel an Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz nimmt zu. Antwort von Scholz fällt deutlich aus. SPD spricht von “Wahlkampfgetöse“.
Hamburg/Kiel. Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hat die Kritik, er habe mangelndes Interesse am Nachbarn Schleswig-Holstein, zurückgewiesen. "Die Zusammenarbeit zwischen Herrn Scholz und Herrn Carstensen ist ausgezeichnet", richtete sein Sprecher Christoph Holstein aus. Mit dieser gewohnt bündigen, aber deutlichen Aussage reagierte Scholz auf die Attacke des schleswig-holsteinischen CDU-Spitzenkandidaten Christian von Boetticher: Dieser hatte Scholz im Abendblatt Hochnäsigkeit vorgeworfen und ihn dazu aufgefordert, "über den Tellerrand" Hamburgs zu blicken.
Ausführlicher ließ sich der SPD-Fraktionsvorsitzende Andreas Dressel auf die Kritik ein - wenngleich er diese als "Wahlkampfgetöse" abtat. Unter dem Senat habe etwa der Ausbau der S 4 nach Ahrensburg endlich den notwendigen Stellenwert erhalten. Weitere Zusammenarbeit, auch auf parlamentarischer Ebene, sei in Arbeit. Dressel: "Wir brauchen keine Nachhilfe."
Anders sieht das Hamburgs CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich. Er nannte die deutlichen Worte "alarmierend". Die Erfolge Hamburgs als wachsende Stadt seien wesentlich auf das gute Verhältnis zu Schleswig-Holstein zurückzuführen. "Wenn Olaf Scholz von unserem wichtigsten Nachbarn als überheblich wahrgenommen wird, ist das ein Problem, an dem der Bürgermeister dringend arbeiten muss."
Heide Simonis, bis 2005 SPD-Regierungschefin in Schleswig-Holstein, lobte die Zusammenarbeit mit Ex-Bürgermeister Ole von Beust (CDU). "Das Erfolgsrezept war, dass wir auf Augenhöhe verhandelt haben", sagte sie dem Abendblatt. Dennoch werde Scholz "die norddeutsche Kurve" kriegen: "Schleswig-Holstein kann nicht ohne Hamburg, Hamburg aber auch nicht ohne Schleswig-Holstein. Das wird auch Olaf Scholz schnell merken."
+++ Das Abendblatt-Interview mit Christian von Boetticher +++
Von Boetticher selbst legte derweil nach. Auf einem CDU-Parteitag in Norderstedt erinnerte er daran, dass Hamburg auf Schleswig-Holstein angewiesen ist. Der Flughafen Fuhlsbüttel werde 2020 oder 2025 "voll sein". Ersatzflächen gebe es in Hamburg nicht, sagte der Partei- und Fraktionschef, der Freitagabend mit 87,08 Prozent zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl im nächsten Jahr nominiert wurde. In dieselbe Kerbe schlug auch Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU): "Kooperation kann keine Einbahnstraße sein." Er betonte zugleich, dass er die gute Zusammenarbeit mit Hamburg, die von Beust begonnen und Christoph Ahlhaus fortgesetzt habe, mit Scholz sichern und ausbauen möchte.
In Kiel wird über die Parteigrenzen hinweg beklagt, dass sich Hamburg seit dem Ende von Schwarz-Grün vor allem mit sich selbst beschäftigt und Scholz in seiner Regierungserklärung Schleswig-Holstein mit keinem Wort erwähnte. Eine "Hamburger Nabelschau" nannte das die SSW-Fraktionsvorsitzende Anke Spoorendonk. "Man gewinnt fast den Eindruck, dass Scholz die Hansestadt für einen autarken Planeten hält." Verständnis äußerte Kiels SPD-Landeschef Ralf Stegner. "Es ist ganz normal, dass Scholz in Hamburg erst mal seine eigenen Häuser ordnen muss." Er kenne den Bürgermeister und wisse, dass er auf norddeutsche Kooperation setze.