Die Senatoren trafen sich zur Haushaltsklausur in der Wirtschaftsbehörde. Unterdessen protestierten rund 50 Beamte.

Hamburg. Unter dem Protest von Polizisten und Feuerwehrleuten hat der Hamburger Senat seine Haushaltsberatungen für 2011 und 2012 aufgenommen. Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und seine Ressortchefs zogen sich am Dienstag zu einer Klausurtagung in die Wirtschaftsbehörde zurück. Die Finanzlage sei problematisch, betonte Scholz. „Wir reden uns die Situation nicht schön, und wir rechnen uns die Lage nicht schön.“ Es werde keinen Haushalt geben, der auf Selbstbetrug basiere. „Wir setzen nicht auf einmalige Spar- und Streichaktionen, die den (...) Wandel der Finanzpolitik nicht ersetzen können.“ Konkrete Ergebnisse der Beratungen wurden am Mittwoch erwartet. Für Donnerstag haben die Gewerkschaften zu einer weitere Demonstration in der Innenstadt aufgerufen. Kritik am SPD-Senat äußerten die Grünen.

Bei der Klausur protestierten spontan rund 50 Beamte gegen bislang nicht gekippte Weihnachtsgeldkürzungen und forderten die Übernahme der Tarifabschlüsse. „Nach einem schweren Einsatzwochenende für die Polizei, bei dem mindestens 14 Beamte verletzt und Tausende von Überstunden geleistet wurden, berät der Senat über Gehaltskürzungen“, sagte der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Joachim Lenders, mit Blick auf das 1. Mai-Wochenende – und fügte hinzu: „Sieht so der Dank des neuen Senats für seine Polizisten und Feuerwehrleute aus?“ Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Uwe Koßel, betonte: „Wir wollen die Senatoren daran erinnern, dass wir auch Geld brauchen.“

Noch vor Beginn der Beratungen sagte Scholz, Hamburg habe ein strukturelles Defizit von rund einer Milliarde Euro. „Wir geben Jahr für Jahr zu viel Geld aus, gemessen an den Einnahmen.“ Deshalb solle der Haushalt in den nächsten zehn Jahre so weiterentwickelt werden, dass am Ende kein Defizit mehr stehe. Scholz verwies auf das vom Senat bereits beschlossene Arbeitsprogramm. Danach will der Senat von 2020 ohne Neuverschuldung auskommen und somit die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse erfüllen, welche dann neue Kredite grundsätzlich ausschließt. Nach Angaben des Bundes der Steuerzahler hat Hamburg derzeit mehr als 25 Milliarden Euro Schulden.

Um die Schuldenbremse einzuhalten, sollen die Ausgaben – gerechnet vom Jahr 2010 an – im Schnitt um nicht mehr als ein Prozent pro Jahr steigen. Trotz der drückenden Finanzlage werde der Senat seine Zusagen einhalten, versprach Scholz. Darin sei sich der Senat einig. „Die Lösung der aktuellen politischen Herausforderungen und die Finanzierung der politischen Zusagen erfolgt nicht durch zusätzliches Geld, sondern durch seriöses Haushalten, durch Ausgabendisziplin und Umschichtungen.“

Die Gewerkschaft Verdi warnte vor einer Haushaltspolitik auf Kosten der Beschäftigten. „Wir erwarten vom Senat eine Haushaltspolitik, die auf Einnahmen statt Kürzungen setzt, sich für Investitionen in die Zukunft entscheidet und die Situation der Beschäftigten verbessert“, sagte Verdi-Fachbereichsleiterin Sieglinde Friess.

GAL-Vize Anjes Tjarks warf dem SPD-Senat ein Finanzgebaren à la „Linkspartei light“ vor. Das Motto laute offensichtlich „alles für alle und zwar umsonst“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Von Scholz’ Versprechen, dass in jedem Gesetz verankert sein werde, woher das Geld kommt, sei offensichtlich nicht mehr die Rede. Egal ob Rücknahme der Kita-Gebührenerhöhung oder Streichung der Studiengebühren – „Es ist noch an keiner Stelle gesagt worden, wo das Geld herkommen soll.“

Grünen-Chefin Katharina Fegebank sagte, sie vermisse Vorschläge zur Erhöhung der Einnahmen. Vor dem Regierungswechsel habe die SPD stets die Wiedereinführung der Vermögensteuer und eine Reform der Erbschaftsteuer gefordert. „Davon höre ich seit der Wahl überhaupt nichts mehr.“ Diese Kritik wies SPD-Fraktionschef Andreas Dressel zurück. Seine Fraktion habe am Dienstag einstimmig einen Antragsentwurf zur Wiedereinführung der Vermögensteuer beschlossen. Mit Blick auf den Entwurf, der nur auf Bundesebene verabschiedet werden kann, betonte er: „Ich setze darauf, dass auch CDU-regierte Länder das irgendwann verstehen – ein Blick in ihre Kassen dürfte dafür eigentlich genügen.“

Lesen Sie dazu auch den Abendblatt-Bericht:

SPD-Fraktion nimmt Kurs auf Vermögenssteuer

Er galt nach Handelskammer-Präses Frank Horch (jetzt Wirtschaftssenator) als der größte Coup des Olaf Scholz: Erck Rickmers, der Hamburger Reeder, der kurz vor der Wahl in die SPD eintrat und jetzt für die Sozialdemokraten in der Bürgerschaft sitzt. Gestern lud der Chef der Reederei E.R. Schiffahrt seine 61 Genossen in die gute Stube seiner Familie - das Segelschiff "Rickmer Rickmers".

Auf dem schwimmenden Außenposten an den Landungsbrücken beschloss die SPD-Fraktion einstimmig einen Vorstoß, der den erfolgreichen Geschäftsmann durchaus betreffen könnte. Die Sozialdemokraten fordern den Senat auf, sich auf Bundesebene für die Wiedereinführung der Vermögenssteuer einzusetzen. Außerdem soll die Zahl der Betriebsprüfer gesteigert werden, um einen "vollständigen und damit gerechteren Steuervollzug sicherzustellen", so der Antrag der Finanzexperten Thomas Völsch und Jan Quast. Vor der heutigen Haushaltsklausur des Senats will die SPD damit auch ein Zeichen setzen: "Neben strikter Ausgabendisziplin muss auch die Einnahmeseite betrachtet werden", sagte SPD-Fraktionschef Andreas Dressel dem Abendblatt. Darauf hatten vor allem die Gewerkschaften immer wieder gedrängt - auch mit Blick auf den Senats-Plan, den Beamten das Weihnachtsgeld zu kürzen und den Tarifabschluss für sie nicht vollständig zu übernehmen.

Der SPD-Vorstoß sieht vor, dass die Vermögenssteuer "die oberen fünf Prozent der Vermögen erfasst, selbst genutztes Wohneigentum freistellt und das produktive Betriebsvermögen sowie zukunftsichernde Investitionen des Mittelstands und des Handwerks ausreichend berücksichtigt". Dressel ist überzeugt, dass es ohne solche Maßnahmen für alle Bundesländer schwer wird, von 2020 an Haushalte ohne Neuverschuldung aufzustellen: "Ich setze darauf, dass auch CDU-regierte Länder das irgendwann verstehen."