Neuenfelde. Zwei Beinahe-Katastrophen in zwei Jahren haben Spuren bei den Altländern hinterlassen. Welche Forderungen es gibt und was passieren soll.
Gleich zweimal entging der Hamburger Teil des Alten Landes, die sogenannte „Dritte Meile“ in den vergangenen Wintern einer Überschwemmungskatastrophe. 2022, als das Estesperrwerk erst im letzten Moment geschlossen werden konnte, und Weihnachten 2023, als Sturmflut und Starkregen so zusammenkamen, dass das Binnenhochwasser nicht in die Elbe abfließen konnte und immer weiter stieg.
Die Forderungen von damals – das Sperrwerk soll dauerhaft bemannt sein und leistungsfähige Schöpfwerke die alte Süderelbe auch bei Sturm leerpumpen können – schienen zuletzt verhallt zu sein. Jetzt hat die Hamburger SPD sie sich auf die Fahne geschrieben. Dafür gesorgt hat der SPD-Distrikt Neuenfelde.
Sturmflut-Saison bedroht den Hamburger Süden: Was jetzt passieren muss
Dass die Landes-SPD sich die Forderung der Neuenfelder auf ihrem Parteitag zu eigen gemacht hat, macht dem Vorsitzenden des Neuenfelder Distrikts, Ermiya Ciger Hoffnung: „Nun wird sich endlich auch die Hamburger SPD im Senat und in der Bürgerschaftsfraktion konsequent für einen sicheren Hochwasserschutz in Cranz und Neuenfelde einsetzen!“, sagt er.
Ciger erinnert daran, dass die Region in jüngster Zeit nehrfach akut bedroht war: „ Im Februar 2022 kam es zu einer Beinahe-Katastrophe an der Este“, sagt er. „Das Hochwasser der Sturmflut kam schneller und höher als vorhergesagt. Das Este-Sperrwerk hat keine eigene Besatzung. Der Sperrwerksbediener machte sich von der Kattwykbrücke in Moorburg auf den Weg nach Neuenfelde, um die Tore des Sperrwerks zu schließen. Den Schließvorgang konnte er erst in letzter Sekunde einleiten!“
Zwischen den Feiertagen im Jahr 2023 drohte das Wasser von der anderen Seite
Ab einem Pegel von 4,75 Metern lässt sich das Sperrwerk aufgrund des Wasserdrucks nämlich nicht mehr schließen, so Ciger. Als der HPA-Mitarbeiter eintraf, stand das Wasser schon bei 4,73 Metern, und in der Elbe stieg es danach noch weiter. Die Deiche der Este hätten nicht mehr ausgereicht, wäre das Sperrtor nicht noch geschlossen worden.
Zwischen den Feiertagen im Jahr 2023 drohte das Wasser von der anderen Seite: Drei Sturmtiefs hintereinander hatten Starkregen mitgebracht und die Alte Süderelbe sowie ihre Zuläufe bis zum Rand gefüllt. Gleichzeitig drückten die Stürme das Wasser in die Elbmündung, sodass es auch bei Ebbe nicht ablaufen konnte und auch vor dem Deich stieg. Die klassische Binnenlandsentwässerung über Deichsiele nur angetrieben durch den Gezeitensog bei ablaufend Wasser funktionierte nicht, und das über viele Tage.
Peinlich für die Freie und Hansestadt Hamburg: Um das Wasser, das durch den Deich nicht herauskam, über den Deich abpumpen zu können, musste sich das große Hamburg beim kleinen, gern belächelten Nachbarn Bremen Pumpen leihen, weil es hier keine mit ausreichender Leistung gab. Auch hier gelang es erst in letzter Sekunde, die Situation zu entschärfen.
Die Einwohner der Region und ihre Kommunalpolitiker fordern deshalb feste und leistungsfähige Schöpfwerke in Finkenwerder und Cranz sowie einen Ausbau des einzigen Schöpfwerks der Region in Neuenfelde. Außerdem soll das Estesperrwerk in der Sturmflutsaison durchgehend besetzt sein. Diese Forderungen hat sich die Hamburger SPD jetzt zu eigen gemacht.
Schöpfwerk-Planung wurde aus koalitionstaktischen Gründen auf Eis gelegt
Die Forderungen sind schon alt. Mindestens ein Schöpfwerk war auch bereits geplant. Es sollte das „Storchennest-Siel“ an der Alten Süderelbe in Finkenwerder ersetzen. Doch seine Planung wurde aus koalitionstaktischen Gründen auf Eis gelegt. In der Umweltbehörde und damit in Teilen der Grünen träumt man davon, die Alte Süderelbe, die einst aus Flutschutzgründen abgedeicht wurde, wieder für die Gezeiten zu öffnen. Bis darüber entschieden ist, ruhen die Schöpfwerk-Pläne.
Spätestens aber, wenn die Hauptdeiche in Neuenfelde und Cranz erhöht werden, muss auch das Schöpfwerk im Neuenfelder Hauptdeich, das die Gräben und Wettern des Obstbaugebiets in die Tide-Elbe entwässert. angepasst werden, fordern die Anwohner. Baubeginn der Deicherhöhung ist im kommenden Jahr.
„Nun wird sich endlich auch die Hamburger SPD im Senat und in der Bürgerschaftsfraktion konsequent für einen sicheren Hochwasserschutz in Cranz und Neuenfelde einsetzen!“
An solchen Koalitionsbedenken wird auch ein Parteitagsbeschluss erst einmal nichts ändern. Aber die Gesamt-Hamburger Partei auf die Seite der Altländer gebracht zu haben, wertet Ciger als Erfolg. Zumal der Parteitagsbeschluss auch noch eine weitere Forderung beinhaltet: Die Flutschutztore, die sich zumeist in der alten, mittlerweile zweiten Deichlinie noch befinden, auf Vordermann zu bringen.
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„Wir haben hier leider vor Ort auch Flutschutzanlagen, welche stark verrostet und deshalb kaum einsatzbereit sind. Darum ist es sehr begrüßenswert, dass nun die Stadt Hamburg gemeinsam mit der HPA diese Anlagen begutachten und bei Mängeln instandsetzen will.“, so Ermiya Ciger.