Cranz/Finkenwerder. Politik fordert den Bau zweier Schöpfwerke, um auch das Binnenland zu schützen. Doch aus diesem Grund wird nicht gebaut.
Die Anträge wurden bereits vor den drei Februar-Sturmfluten in der Bürgerschaft und in zwei Bezirksversammlungen beschlossen. Doch die Forderung nach Schöpfwerken, mit denen das Hinterland an der Unterelbe in Hamburg bei jeder Wetterlage entwässert werden kann, hat durch die Wetterereignisse im Nachhinein noch einmal argumentatives Futter bekommen.
Während der drei innerhalb von zwei Wochen aufeinanderfolgenden Stürme Xander, Ylenia und Zeynep entwickelte sich nämlich eine Situation, auf die die Entwässerung schlecht vorbereitet ist: Im Hauptstrom der Elbe sank der Wasserstand auch bei Ebbe oft nicht genügend ab, dass die Siele und Sperrwerke hätten geöffnet werden können.
Entwässerung von Marschen funktioniert über Siele und Sperrwerke
Solche „Sperrtiden“ sind bei Sturmfluten normal: Der Wind drückt das Wasser dermaßen in die Elbmündung, dass weder die natürliche Strömung noch der Gezeitensog bei Ebbe diese Kraft aufheben oder, wie im Normalfall, übertreffen. Das Wasser bleibt stehen oder sinkt nur geringfügig ab. Die klassische Entwässerung von Marschen funktioniert aber über Siele und Sperrwerke im Deich, die bei Hochwasser schließen und bei Niedrigwasser öffnen. Dann kann Wasser, dass sich während der Flutphase angesammelt hat, abfließen. Zwei oder drei Sperrtiden hintereinander, wie bei einer normalen Sturmflut, sind für die meisten Entwässerungssysteme noch kein Problem, danach wird es aber mancherorts eng.
Bei den drei Februarfluten kam hinzu, dass es wochenlang nahezu unentwegt sehr stark regnete, also auch die Binnenwasserstände schnell stiegen. Auf der nördlichen Elbseite führte das in den Vierlanden und der Haseldorfer Marsch zu Überflutungen. Das Alte Land und Finkenwerder entgingen einem Binnenhochwasser. Francop und Teile Neuenfeldes entwässern in die Alte Süderelbe. Die wurde nach 1962 komplett vom Elbstrom getrennt und ist eigentlich nur noch ein langgestreckter See, der über ein Siel an der Finkenwerder Gaststätte „Storchennest“ in die Elbe entwässern kann – bei Niedrigwasser.
Wasserstand der Alten Süderelbe zeitweise 60 Zentimeter über Normal
„Der Wasserstand in der Alten Süderelbe war am letzten Sturmwochenende zeitweise 60 Zentimeter über Normal“, sagt Jörg Quast, Verbandsvorsteher des Hauptentwässerungsverband der III. Meile. „Ab 70 Zentimeter laufen einige Schöpfwerke rückwärts voll, dann würde Wasser ins Hinterland hineinlaufen können.“
„Das Storchennestsiel muss deshalb um ein Schöpfwerk ergänzt werden, das den Wasserstand der alten Süderelbe auch bei einer Sperrtide noch senken kann“, fordert Corine Veithen, Grünen-Abgeordnete in der Bezirksversammlung Harburg, „denn die Ereignisse im Februar haben gezeigt, dass unsere Befürchtungen nicht hypothetisch sind, sondern einen realen Hintergrund haben.“
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Trotz Beschluss und gesicherter Finanzierung wird nicht gebaut
Nun muss Frau Veithen im Grunde nicht für ihren Antrag werben, denn er wurde bereits von der Bezirksversammlung beschlossen. Ebenso, wie die Bezirksversammlung Mitte, die für Finkenwerder entscheidet, einen ähnlichen Beschluss gefasst hat und auch die Bürgerschaft. Aber beschlossen ist der Bau eines Schöpfwerks am Storchennest schon seit 2007. Auch die Finanzierung war bereits gesichert. Nur gebaut wurde nie.
Derzeit gibt es Überlegungen, die Alte Süderelbe wieder an die Tideelbe anzuschließen. Die Gesamtkosten dafür lägen bei fast 800 Millionen Euro, inklusive eines 65 Meter breiten Sperrwerks am Storchennest. Diese Maßnahme stößt entlang der Alten Süderelbe auf großen Widerstand, aber solange sie noch geprüft wird – und das geschieht derzeit in einem langwierigen Prozess – wird niemand Geld für ein Schöpfwerk ausgeben wollen.
Bau der A26 hat gravierende Veränderungen auf Gewässersysteme
Corine Veithen mahnt noch etwas anderes an: „Alle Rechenmodelle und Karten, die es zu möglichen Binnenhochwässern gibt, sind schon jetzt veraltet“, sagt sie. „Zum einen ändern sich die Regenereignisse, zum anderen wird der Bau der A26 zwangsläufig gravierende Veränderungen der Gewässersysteme gerade an der Übergangsfläche zwischen Naturschutzgebiet Moorgürtel und Kulturlandschaft Altes Land mit sich bringen“, sagt sie.
„Wir haben allerdings bis heute noch nicht ein Rechenmodell gesehen, das darauf Rücksicht nimmt. Dabei finden diese Eingriffe ins System ja bereits statt. Wenn wir keine unangenehmen Überraschungen erleben wollen, müssen wir doch vorbereitet sein!“
Auch für bessere Entwässerung der Este wird ein Schöpfwerk gefordert
Ähnliche Forderungen stellt die Grünen-Bürgerschaftsabgeordnete Gudrun Schittek auch für die Este, in die der westliche Teil des Harburger Alten Landes entwässert. Hier gibt es mit dem bundesländerübergreifenden Hochwasserschutzkonzept Este zwar ein der Zeit angepasstes Rechenmodell, aber auch kein Schöpfwerk.
Die Este entwässert am Sperrwerk bei der ehemaligen Sietas-Werft in die Elbe. Das geht ebenfalls nur bei Ebbe und auch dann nicht immer: Das Sperrwerk hat sich schon mehrmals als Schlick-anfällig erwiesen. Deshalb fordert die Bürgerschaft den Senat auf, auch hier ein Schöpfwerk zu bauen.