Wilhelmsburg. Wo früher die Wilhelmsburger Reichsstraße verlief, entsteht nun ein grünes Idyll. Was das für die Elbinsel bedeutet und wie es weitergeht.
Als der Bund 2011 sein Okay zur Verlegung der Wilhelmburger Reichsstraße von der alten Trasse an die Bahnlinie gab, war die Eiche, die am heutigen Donnerstag auf dem alten Streckenverlauf eingepflanzt wurde, schon zwei Jahre alt und in der Baumschule. Nun ist sie der erste Baum des letzten Schritts, mit dem die beiden Teile des Wilhelmsburger Inselparks zusammenwachsen, den die Straße lange trennte.
Deshalb ließen es sich Parkleiter Sören Stein, Bezirksamtsleiter Hamburg-Mitte Ralf Neubauer (SPD) und Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) nicht nehmen, die Eiche persönlich zu setzen.
Lückenschluss im Inselpark: Wo Kirchdorf und Wilhelmsburg zusammenwachsen
Die 1951 eingeweihte Schnellstraße verlief in einem halben Kilometer Abstand zur Bahnlinie. Bahn und Bundesstraße bildeten so eine breite Barriere für die Stadtentwicklung, das Zusammenwachsen der Elbinselteile Wilhelmsburg im Westen und Kirchdorf im Osten. Das war für die Entscheider im Hamburger Rathaus lange kein allzu großes Problem – bis sie anfingen, die Internationale Bauausstellung IBA und die Internationale Gartenschau IGS just hier in Wilhelmsburg zu planen.
Die Straße durchschnitt das Ausstellungsgebiet und musste weg. Gleichzeitig ergab sich die Gelegenheit, weil die Bahn ihren Wilhelmsburger Rangierbahnhof aufgab und so Flächen für eine gleisnahe neue Fernstraßentrasse freigab.
Erste Überlegungen zur Verlegung der Trasse wurden schon 2009 öffentlich. Erst 2011 allerdings kam das „Go“ aus Berlin und zur Eröffnung von IBA und IGS 2013 waren mal gerade eben die Pläne für die Verlegung fertig und im Detail durchgenehmigt. Die Gartenschaubesucher mussten noch mit einer eigens errichteten Stelzenbahn von einem Parkteil zum anderen über die für die Schau geschwindigkeitsbegrenzte Schnellstraße gefahren werden.
An der Mengestraße endet der Park – nördlich entstehen Wohngebiete
Aus der IGS wurde der Inselpark, und die Schnellstraße war immer noch da. Erst 2019 wurde der erste Teil der „neuen Reichsstraße“ – trotz Protesten hatte man an dem alten Namen festgehalten – freigegeben und 2021 der Anschluss an die Elbbrücke fertiggestellt. Solange der noch ein Provisorium war, blieb auch das alte Straßenband noch liegen, just an der für den Inselpark entscheidenden Stelle. 2021 begann man zügig, die alte Straße auf- und abzureißen. Der erste Teil des „Lückenschlusses“ erfolgte noch im selben Jahr.
Nun folgt der zweite und letzte Teil. Auf einer gut einem halben Kilometer langen Strecke vom Hauland bis zur Mengestraße werden 3000 Bäume gepflanzt. Dann endet der Park. Nördlich der Mengestraße entstehen in der ehemaligen Lücke zwischen der Trasse und der Bahn sowie direkt auf und an der Trasse drei neue Wohngebiete.
Fünf Millionen Euro kostet die Neubepflanzung – Umweltbehörde zahlt
Die Erweiterung des Inselparks auf der Schnellstraßentrasse schafft auf etwa vier Hektar Fläche nicht nur Grünausgleich für Flächen, die durch den Wohnungsbau in Wilhelmsburg versiegelt werden, sondern auch neue Freizeit- und Erholungsmöglichkeiten. Die Kosten für die Gesamtmaßnahme in Höhe von rund fünf Millionen Euro werden aus dem Etat der Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA) finanziert.
„Nun wächst endlich zusammen, was zusammengehört“, freut sich Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne). „Auf vier Hektar werden Bäume und Sträucher neu gepflanzt. Es wird ein zusammenhängendes Gewässersystem geschaffen und eine große Blühwiese bereichert die Biodiversität. Dieses Projekt zeigt, wie ein Park erfolgreich bei der Stadtentwicklung mitgedacht werden kann.“
Elbinsel Wilhelmsburg: Gehölze im Inselpark können bereits im Frühjahr austreiben
20.000 Kubikmeter Boden wurden ausgetauscht, um eine optimale Grundlage für die Pflanzungen zu schaffen. Zudem wurde auf einem Teilstück ein Trockenrasen-Biotop mit Magerrasen geschaffen, das die Artenvielfalt fördern soll. Durch neue ebenerdige Wegeverbindungen gelangen Gäste schnell und barrierearm durch den Park. Ein vier Meter breiter, beleuchteter Radschnellweg ist Teil der Veloroute 11, die den Bezirk Harburg mit der Innenstadt verbindet.
„In diesem Frühjahr durften wir das zehnjährige Jubiläum des Wilhelmsburger Inselparks feiern, heute feiern wir den lange fälligen Lückenschluss“, sagt Ralf Neubauer, Bezirksamtsleiter von Hamburg-Mitte. „Auch wenn die Straße schon seit 2019 verlegt ist, hat es durch die Entsiegelung und den Bodenaustausch noch einige Zeit gedauert, bis die Flächen wieder nutzbar wurden. Mit den aktuell stattfindenden Neupflanzungen wachsen Wilhelmsburg und unser Inselpark jetzt buchstäblich zusammen – und schon bald wird man sich kaum noch vorstellen können, dass hier einmal eine vierspurige Straße verlief.“
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Neubauer ließ es übrigens nicht bei der symbolischen Pflanzung der einen Eiche bewenden. Zusammen mit den Mitarbeiterinnen der Pressestelle seines Amtes und der Umweltbehörde setzte er flugs noch einen Baum, während Umweltsenator Kerstan etwas abseits ein Fernsehinterview gab.
„Die Pflanzarbeiten werden voraussichtlich bis Weihnachten andauern“, sagt Parkleiter Sören Stein. „Dass wir jetzt pflanzen, hat den Vorteil, dass die Gehölze schon anwachsen und bereits im kommenden Frühjahr austreiben können. Im kommenden Jahr werden die beiden neuen Rad- und Fußwegbrücken gebaut, und im Anschluss die verbliebenen Flächen fertiggemacht.“