Harburg. Schutzbau auf dem Gelände der Holborn-Raffinerie gehört zu den letzten verbliebenen seiner Art. Wie es im Innern des Mahnmals aussieht.
- Was viele nicht wissen: In Hamburg wurden im Zweiten Weltkrieg mehr Bunker errichtet als in jeder anderen deutschen Stadt
- Die meisten dieser Schutzbauten sollten die Zivilbevölkerung vor Luftangriffen der Alliierten schützen
- Doch auch auf dem Gelände von Ölraffinerien wurden Bunker errichtet – einer davon steht im Harburger Hafen
Es ist erst wenige Wochen her, dass auf dem Gelände der Holborn-Raffinerie an der Moorburger Straße in Harburg nach und nach elf Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg entschärft werden mussten. Sie waren bei Sondierungsarbeiten auf einer Fläche entdeckt worden, die für den Bau einer neuen Anlage zur Produktion von grünem Diesel benötigt wird.
Weltkriegsbunker im Harburger Hafen: Bombardements der Alliierten zielten auf Raffinerien
Sie sind explosive Zeugen von massiven Angriffen, die alliierte Bomberpiloten vor allem ab Mitte 1944 auf Harburgs Industrieanlagen flogen. Erst zwölf Luftangriffe vom 4. April 1944 bis Anfang März 1945 brachten die mittlerweile von Asphalt aus Benzin und Diesel umgestellte Produktion in Harburg vollständig zum Erliegen. Etwa 800 Sprengbomben trafen die damaligen Ebano-Astphaltwerke und zerstörten rund 80 Prozent der Anlagen sowie annähernd 100 Prozent der Rohrleitungen.
Harburgs Erdölraffinerien standen spätestens ab Mitte 1944 im Fokus alliierter Luftangriffe im 2. Weltkrieg. Gleichzeitig begannen die Nazis mit schnellen, aber qualitativ mangelhaften Bunkerbauten die Fachkräfte und Anlagen der Ölindustrie zu schützen, denn die Treibstoffproduktion war ein entscheidender Schwachpunkt in der Kriegsmaschinerie der Nazis.
Dafür entwickelten sie einen eigenen Bunkertypen, von denen heute noch zwei in Harburg stehen. Elf waren es einmal in ganz Hamburg, rund 800 reichsweit – allerdings sind viele mittlerweile abgerissen.
„Die Bilder aus dem Inneren zeigen eindrücklich, wie bedrückend die Stimmung im Schutzraum gewesen sein muss.“
Ein besonders gut erhaltenes Exemplar, der rund 30 Meter langen und 5,30 Meter hohen Stahlbeton-Kolosse, steht auf dem Gelände der heutigen Holborn Europa Raffinerie an der Moorburger Straße. Ein weiterer befindet sich auf dem Gelände der Nynas Raffinerie, ehemals Shell, nur wenige Meter entfernt. Letztere lehnten die Erforschung durch die Bunkerspezialisten des Vereins Hamburger Unterwelten allerdings ab.
Bunker wurde nach dem Krieg für Feuerwehrübungen und als Lager genutzt
„Wir freuen uns sehr, die Tafel nach mühevoller Kleinstarbeit endlich der Öffentlichkeit präsentieren zu können. Es ist nicht selbstverständlich, dass uns die Holborn auf das Betriebsgelände gelassen hat, um den Mannschaftsbunker vom Typ Salzgitter zu dokumentieren“, freut sich Dominic Bauer, 1. Vorsitzender des Vereins Hamburger Unterwelten bei der Übergabe der Tafel.
„Die Luftbilder zeigen eindrucksvoll, wie stark die Zerstörung durch die Bomben auf unserem heutigen Gelände damals war – und Bilder aus dem Inneren wie bedrückend die Stimmung im Schutzraum gewesen sein muss“, so Bernd Birnbach, der für die Sicherheit auf der Raffinerie verantwortlich ist. Nach dem Krieg sei der Bunker zunächst von der Esso als Lagerraum genutzt worden und später von der Werksfeuerwehr als Übungsraum. „Heute steht er als gut erhaltenes Mahnmal auf dem Gelände der Raffinerie und erinnert an den Schrecken eines schlimmen Weltkrieges.“
Holborn-Bunker ist selten geöffnet – Hamburger Verein hat sich seiner angenommen
Daher hat sich der Verein Hamburger Unterwelten dem Bunkerbauwerk direkt an der Moorburger Straße angenommen und gemeinsam mit Holborn spannende Informationen zu dem seit 2013 als Denkmal geschützten Bauwerk zusammengetragen.
Die Versorgung mit Treibstoffen war Achillesferse der Wehrmacht im 2. Weltkrieg. Damit Nachschub und Kriegsgerät zu den Fronten rollen konnten, war eine große Menge von Kraftstoffen nötig. Bereits zu Kriegsbeginn reichte der Kraftstoff für Flugzeuge und Fahrzeuge nur knapp vier Monate. Dies entging auch den Alliierten nicht, dennoch begannen sie erst im letzten Kriegsjahr ab Mai 1944 mit der gezielten Bombardierung der ölverarbeitenden Industrie im Deutschen Reich.
Die Angriffe waren nachhaltig. Schon im Juni 1944 war die Flugbenzinerzeugung um rund 90 Prozent eingebrochen und betrug im März 1945 mit insgesamt 40 Tonnen nur noch 0,07 Prozent der Produktionsmenge von 1944.
Geilenberg-Programm für mehr Schutz der Ölindustrie im Bombenkrieg
Um einen kompletten Zusammenbruch der Treibstoffversorgung zu verhindern, ergriff man in Nazi-Deutschland bereits nach den ersten verheerenden Luftangriffen eiligst Gegenmaßnahmen. Am 1. August 1944 wurde ein „Mineralöl-Sicherungsplan“ verabschiedet, später auch als „Geilenberg-Programm“ bezeichnet.
Das Sofortprogramm räumte der Beseitigung sogenannter „Fliegerschäden“ an ölverarbeitenden Betrieben absoluten Vorrang ein. Für die Umsetzung seines Plans setzte Edmund Geilenberg als Generalkommissar reichsweit etwa 350.000 Menschen, darunter 100.000 KZ-Häftlinge ein.
Nach einem gezielten Luftschlag der US-amerikanischen Luftwaffe auf die ölverarbeitende Industrie von Hamburg am 20. Juni 1944 wurden noch intakte und auch. wieder instandgesetzte Anlagen am 6. August 1944 erneut zerstört. Trotz aller Bemühungen gelang es nicht, die Treibstoffproduktion wieder hochzufahren und den schwächsten Punkt der Rüstungsindustrie zu stabilisieren.
Werkluftschutzbunker wie bei Holborn sollten Fachkräfte schützen
Im Rahmen des Geilenberg-Programms wurde auch festgestellt, dass es in den ölverarbeitenden Betrieben kaum Schutzräume für die Facharbeiter und das Feuerlöschgerät gab. Daher wurde sofort mit der Entwicklung und dem Bau von Mannschaftsbunkern des Typs „Salzgitter“ begonnen. Diese Bunker konnten mit einer Bauzeit von nur drei Monaten errichtet werden.
Wann mit dem Bau des Bunkers in Harburg begonnen wurde, ist nicht genau datiert. Aufgrund der eingesetzten Baumaterialen gehen Experten von Ende Juli/Anfang August 1944 aus. Am Bau beteiligt waren Firmen wie H.C. Hagemann und die Hochtief AG.
Schnell stellte sich damals heraus, dass die Bunker wie an der Moorburger Straße weit weniger bombensicher waren als geplant. Denn trotz einer 2,5 Meter dicken Betondecke und seines massiven Erscheinungsbilds waren die eisenarme Bauweise und der grobkieshaltige Beton die Schwachpunkte des Schutzbaus, der direkten Einschlägen nicht standhalten konnte.
Kosten für den Bau entsprach dem Preis von vier Familienhäusern
Auf dem Gelände der Ebano-Astphaltwerke – dem heutigen Standort der Holborn Europa Raffinerie – waren ursprünglich zwei dieser Bunker geplant. Doch nur der am Werkszaun stehende „Bunker Süd“ wurde letztlich realisiert und verursachte damals Baukosten von rund 45.000 Reichsmark, was dem Preis von vier Einfamilienhäusern entsprach.
Hamburgweit wurden insgesamt elf dieser Salzgitter-Bunker mit der abgerundeten Dachcharakteristik bis zum Kriegsende fertiggestellt, ein weiterer steht in Harburg auf dem Gelände der heutigen Nynas-Raffinerie (Shell), damals Rhenania-Ossag Mineralölwerke, ebenfalls im Harburger Seehafen.
Zugang erhält man an den Stirnseiten des Baus. Dort sind unter massiven Vordächern schwere Panzertüren als Splitterschutz eingebaut gewesen, sie sind nicht mehr erhalten. Dahinter eine Gasschleuse, die Gasschutztüren sind auf beiden Seiten noch im Original erhalten. Es folgt ein enger Vorraum, in dem ein Trockenabort verbaut war. Elektrisches Licht und eine Trinkwasserleitung sorgten zumindest für etwas Komfort.
Weltkriegsgeschichte zum Anfassen: Kampfstofffilter ist noch im Original erhalten
Der eigentliche Innenraum ist schlauchförmig und nimmt ohne weitere Unterteilung das halbrunde Gewölbe der Bauart auf. Einer von zwei verbauten Kampfstofffiltern ist noch im Original enthalten, diesen mussten die Personen im Bunkerinneren auch nutzen, um frische Luft in den Schutzraum zu bekommen. In Stahlprofilen verbaute Holzbretter sind gut erkennbar.
Sie zeugen davon, dass der Bunker einige Treffer abbekommen haben muss, denn Holzverschalung und Außenwände sind teilweise nach innen gedrückt oder ganz aus den Profilen gesprengt. Am Südeingang des Bunkers ist die grobkieselige Betonstruktur gut erkennbar. Ein Bombentreffer sorgte für Risse in der Außenwand und legte teilweise die eiserne Bewährung frei.
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Am Montagnachmittag wurde nach anderthalb Jahren Forschung und Recherche eine Informations- und Gedenktafel für den Luftschutzbunker an der Moorburger Straße vom Verein Hamburger Unterwelten an die Holborn Europa Raffinerie übergeben.