Harburg. Rechtspopulisten hatten Helge Ritscher als Leiter des Haushaltsausschusses vorgeschlagen. Bei der Wahl fiel er durch. Was das heißt.
Das war abzusehen: Gemäß Geschäftsordnung und guter Sitte fiel der AfD-Fraktion in der Harburger Bezirksversammlung das Recht zu, für einen der neun Fach- und Regionalausschüsse des Gremiums einen Wunschkandidaten für den Vorsitz zu benennen. Ihr Fraktionsvorsitzender Helge Ritscher sollte deshalb die Leitung des Ausschusses für Haushalt, Wirtschaft und Wissenschaft übernehmen, plante die AfD. Doch bei der Wahl des Vorsitzenden fiel Ritscher durch. Fast alle anderen Ausschussmitglieder stimmten gegen ihn, einer enthielt sich.
Selten, aber regelkonform: Zubenannter Bürger leitet jetzt den Haushaltsausschuss
Der Ausschuss ist nun einstweilig ohne Vorsitzenden. „Arbeitsfähig ist der Haushaltsausschuss trotzdem, denn er hat sich ordnungsgemäß konstituiert und einen stellvertretenden Vorsitzenden gewählt“, sagt Holger Böhm (SPD), Vorsitzender der Harburger Bezirksversammlung.
Stellvertretender Ausschussvorsitzender ist Winfried Wöhlke (CDU). Wöhlke ist kein regulärer Bezirksabgeordneter, sondern zubenannter Bürger. Dass zubenannte Bürger Ausschussmandate für die Fraktionen, die sie benennen, wahrnehmen, ist nichts Ungewöhnliches. Ansonsten müssten die gewählten Abgeordneten deutlich mehr Termine wahrnehmen, als mit dem Ehrenamt zu rechtfertigen wäre. Dass ein zubenannter Bürger aber einen Ausschuss leitet, ist selten, wenn auch erlaubt.
In der Regel wird der vorgeschlagene Kandidat gewählt
Wenn Wöhlke einmal ausfällt, können die Ausschussmitglieder aus ihrer Mitte einen Sitzungsleiter bestimmen und ohne ihn tagen, ergänzt das Bezirksamt.
Das Recht, Kandidaten für den Vorsitz von Ausschüssen vorzuschlagen, geht von Fraktion zu Fraktion in Reihenfolge ihrer Fraktionsstärke um. Dabei haben die Fraktionen auch die freie Wahl unter den Ausschüssen, auf die nicht schon andere die Finger gelegt haben. In der Regel wird der vorgeschlagene Kandidat gewählt.
In der vergangenen Sitzungsperiode hatte die AfD so den Vorsitz des Regionalausschusses Harburg für sich reklamiert und die anderen Fraktionen hatten den AfD-Kandidaten Harald Groterjahn gewähren lassen. Allerdings wurden in der Folge keine wichtigen Themen in diesen Ausschuss überwiesen, sondern möglichst auf die Fachausschüsse verteilt, um der AfD keine Bühne zu geben.
Das ist bei einem Schlüsselthema wie Haushalt schlecht möglich. Also verweigerte man Ritscher die Ja-Stimmen. „Geschäftsordnung und guter Brauch sind wichtig, aber sie stehen nicht über der Mehrheitsentscheidung“, sagt Holger Böhm. „Und die Geschäftsordnung sieht auch nur das Vorschlagsrecht vor.“
„Geschäftsordnung und guter Brauch sind wichtig, aber sie stehen nicht über der Mehrheitsentscheidung“
Auch ohne dass sich bislang eine mehrheitsfähige Koalition im Harburger Rathaus gefunden hat, nehmen die Unterausschüsse jetzt ihre Arbeit auf. Das geht auf einen Antrag der CDU im Hauptausschuss zurück, der breite Zustimmung fand. So bleiben die Abgeordneten beispielsweise auf dem aktuellen Stand von Baustellenplanung, Entwicklungen im sozialen Bereich oder der Stadtentwicklung.
Vorsitzender des Stadtentwicklungsausschusses wurde Frank Richter (SPD). Der Ausschuss tagt das nächste Mal am 7. Oktober. Den Umweltausschuss leitet die Grünen-Abgeordnete Sarah Pscherer. Sie hat ihre Premiere am 6. November. Vorsitzender des Ausschusses für Mobiles und Inneres ist Uwe Schneider (CDU). Die nächste Sitzung steht noch nicht fest.
Der Jugendhilfeausschuss hat sich noch nicht konstituiert
Chef des Kulturausschusses wird Simon Dhemijah von den Linken. Er legt am 7. November los. Den „SIGI“ genannten Ausschuss für Soziales, Integration, Gesundheit und Inklusion haben sich die Volt-Abgeordneten ausgesucht und stellen dort den Vorsitz mit Jan-Martin Thoden. Die erste SIGI-Sitzung findet am 14. Oktober statt.
Die Grüne Regina Marek leitet Ausschuss für Bildung und Sport. Erster Sitzungstag ist der 4. November. Den Regionalausschuss Harburg übernimmt Martin Hoschützky (CDU) und lädt gleich zum 2. Oktober ein, während eine Woche darauf der Regionalausschuss Süderelbe mit seiner neuen Vorsitzenden Beate Pohlmann (SPD) die Arbeit aufnimmt.
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Der Jugendhilfeausschuss hat sich noch nicht konstituiert. Kandidatin für den Vorsitz ist Natalia Sahling (SPD).
Parallel kaufen noch die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, Grünen und Linken. Außerdem liegt auch die Neuwahl der Bezirksamtsleiterin an. Es ist relativ sicher, dass es dabei wieder auf Sophie Fredenhagen hinausläuft. Ein Wahltermin steht aber noch nicht fest. Fredenhagens Amtszeit lief am Freitag ab. Ab jetzt ist sie im einstweiligen Ruhestand, bis sie entweder wiedergewählt wird oder als Beamtin eine andere Stelle antritt.