Harburg. Ob Koalitionsgespräche oder Bezirksamtsleitung: Union großer Verlierer der aktuellen Entwicklungen in Harburg. Wie die Partei reagiert.
Die Harburger SPD hat sich am vergangenen Wochenende für Bezirksversammlungs-Koalitionsgespräche mit Grünen und Linken ausgesprochen. Die Gremien der beiden potenziellen Partnerparteien müssen zwar noch zustimmen. Aber dass es zu einer Rot-Grün-Roten Koalition kommt, ist relativ sicher.
Mit dazu beigetragen haben dürfte auch die „Barbergate-Affäre“, um den potenziellen Bezirksamtsleiter-Kandidaten der CDU, Klaus Thorwarth, der beim Friseurgespräch durchblicken ließ, dass er sich auch von der AfD tolerieren ließe, was andere Salonbesucher mithörten und verbreiteten. Die CDU geht jetzt auf Distanz zu Thorwarth. Gleichzeitig kritisiert sie die Koalitionsentscheidung der SPD.
„Barbergate“ in Harburg: Nur einer soll den AfD-nahen Kandidaten beworben haben
Thorwarth sei zu keinem Zeitpunkt der Kandidat der CDU für eine mögliche Wahl der Bezirksamtsleitung gewesen, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung von Fraktion und Kreisvorstand: „Der Privatmann Klaus Thorwarth hat sich im Laufe des Sommers bei allen Fraktionen der Bezirksversammlung und der FDP als Bewerber um die potenziell neu zu besetzende Stelle der Bezirksamtsleitung vorgestellt“, schreiben die Christdemokraten. „Als letzte Fraktion besuchte Herr Thorwart die der CDU bei deren Sitzung im Harburger Rathaus. Herr Thorwarth stellte sich vor und beantwortete Fragen der Abgeordneten.“
Bei einer anschließenden Abfrage wurde festgestellt, dass alle anwesenden Fraktionsmitglieder eine Ausschreibung der Stelle der Bezirksamtsleitung vorziehen, die Fraktion keinen Kandidaten vorschlagen solle.
Lediglich der Fraktionsvorsitzende Rainer Bliefernicht habe zunächst Herrn Thorwarth als möglichen Kandidaten beworben. „Ziel der Abstimmung war es, eine mögliche Koalition mit der SPD nicht zu gefährden und auch andere Bewerber für das Amt zuzulassen“, heißt es in der Erklärung.
Erst einige Tage nach „Barbergate“ ließen die Christdemokraten den Verwaltungsrichter fallen
Das hatte zunächst aber noch anders geklungen. Man habe durchaus denkbare Alternativen zu Bezirksamtsleiterin Sophie Fredenhagen, hieß es aus der Union. Dass diese Alternative Thorwarth sei, wurde dabei mehr als nur angedeutet. Auch in den eineinhalb Wochen zwischen Fraktionssitzung und Erklärung hätte die CDU die offen kursierenden Gerüchte um Thorwarts Kandidatur ausräumen können, tat das aber nicht.
Erst einige Tage nach „Barbergate“ ließen die Christdemokraten den Verwaltungsrichter fallen wie eine heiße Kartoffel und gingen auf Distanz. Gleichzeitig ließ man den Fraktionsvorsitzenden Rainer Bliefernicht, der seinen Marmstorfer Schützenbruder Thorwarth tatsächlich protegiert hatte, durch die öffentliche Erklärung allein im Regen stehen. Kuschelzimmer scheinen die Parteibüros der Harbuger CDU nicht gerade zu sein.
Aus Sicht der CDU hätte es mit der SPD genügend Schnittmengen gegeben
Schon die Ankündigung der SPD, Koalitionsgespräche statt mit der CDU mit Grünen und Linken führen zu wollen, kommentierte nicht der Fraktionsvorsitzende Bliefernicht, sondern der Kreisvorsitzende der Harburger CDU, der Bürgerschaftsabgeordnete André Trepoll: „Dass beide großen Volksparteien der Mitte bei der Bezirksversammlungswahl hinzugewinnen konnten, war ein klares Zeichen der Wähler in Harburg. Die Menschen wünschen sich in Harburg wieder einen Kurs der Vernunft und Mitte“, sagt Trepoll. „Dass die SPD nun die abgewählte rot-grüne Koalition mithilfe der Linken wiederbeleben will, ist keine gute Entscheidung für Harburg.“
„Dass die SPD nun die abgewählte rot-grüne Koalition mithilfe der Linken wiederbeleben will, ist keine gute Entscheidung für Harburg.“
Aus Sicht der CDU hätte es in den Sondierungsgesprächen mit der SPD genügend inhaltliche Schnittmengen und auch die nötige Kompromissbereitschaft gegeben, um in Koalitionsgespräche einzusteigen. „Eine am Bürger ausgerichtete Verkehrspolitik, mehr Sicherheit und Ordnung im öffentlichen Raum und eine qualitative Weiterentwicklung Harburgs bei Stadtentwicklung und Wirtschaft wären dabei der Maßstab der CDU gewesen“, so Trepoll. „Die CDU Harburg stand in diesen unruhigen Zeiten dafür bereit, Verantwortung zu übernehmen.“
Die CDU würde sich nun auf die Sacharbeit in der Bezirksversammlung Harburg konzentrieren und das weitere Vorgehen bei einer Kreisvorstandssitzung am 16. September beraten.
Vor zehn Jahren war Thorwarth schon einmal als Kandidat im Gespräch gewesen
Die Hoffnung auf eine Große Koalition ganz aufgeben möchte die CDU noch nicht: Bereits 2014 hatten innerparteiliche Zerwürfnisse bei SPD und Grünen einer möglichen rot-grünen Koalition die Mehrheit geraubt und die große Koalition als einzige Möglichkeit offengelassen.
Dieses Bündnis zerbrach letztendlich am Streit um die Besetzung der Bezirksamtsleitung mit Sophie Fredenhagen. Schon damals war Klaus Thorwarth als Alternativkandidat im Gespräch.
Verwaltungsrichter plaudert beim Friseur: Zufällige Zeugin behielt es erstmal für sich
Auch derzeit rummst es im roten Karton: Gleich drei Distrikte entsandten am vergangenen Wochenende keine Vertreter zu der Versammlung, bei der die Koalitionsgespräche beschlossen und eine neue Kreisvorsitzende gewählt wurde. „Wir müssen mal sehen, ob es am Ende eine oder zwei SPD-Fraktionen gibt“, sagt CDU-Fraktionschef Rainer Bliefernicht.
- Die „B-Frage“: Bleibt Fredenhagen Chefin im Harburger Rathaus?
- Höhenflüge der AfD, aber nicht überall: So lief die Wahl im Bezirk Harburg
- Bezirkswahlen 2024: Welche Themen in Harburg am wichtigsten sind
Ob seine Hoffnung berechtigt ist, kann man bezweifeln: Fraktionsbruch wird in der SPD in der Regel mit Parteiausschluss geahndet. Die meisten möglichen Abweichler haben jedoch noch Pläne in der Partei.
Fragt man Claudia Loss, die neue Kreisvorsitzende der SPD – die übrigens diejenige war, die Thorwarth unfreiwillig beim Friseur lauschte – hat die Koalitionsentscheidung der SPD nichts mit Thorwarth und „Barbergate“ zu tun: „Es ging um Sachthemen“, sagt sie. „Und die Berichte aus den Sondierungsgesprächen zeigen, dass wir gerade bei den wichtigen Themen Wohnungsbau, Verkehr und Soziales viele Übereinstimmungen mit Linken und Grünen haben und viel Konfliktpotenzial mit der CDU. Was ich beim Friseur gehört habe, hatte ich zu dem Zeitpunkt noch weitestgehend für mich behalten.“