Harburg. Dass Olga Petersen nicht kam, war zu erwarten. Aber die AfD-Fraktion ist noch um einen weiteren Abgeordneten ärmer. Gegenwind für Vorsitz.
Eigentlich ist die konstituierende Sitzung einer Bezirksversammlung reine Formsache: Das Präsidium wird gewählt, die Geschäftsordnung beschlossen, der Rahmenplan für weitere Sitzungen festgelegt und einige Gremien werden schon einmal besetzt. Die Eröffnungssitzung für die 22. Tagungsperiode der Harburger Bezirksversammlung bot aber einige Überraschungen.
Vielleicht Russland? Rätselraten um Aufenthaltsort von Olga Petersen
Zunächst galt die wichtigste Frage der unwichtigsten Abgeordneten: Erscheint Olga Petersen oder nicht? Die fraktionslose AfD-Abgeordnete hatte von sich Reden gemacht, als es hieß, sie sei vor Hamburger Behörden nach Russland „geflohen“, wie es die russische Nachrichtenagentur TASS nannte. Ob das stimmt, weiß immer noch niemand.
Unlängst postete sie auf Instagram ein Foto von einem russischen Flughafen, das wohl suggerieren sollte, dass sie auf dem Rückweg sei. Bis ins Harburger Rathaus hat sie es offensichtlich noch nicht geschafft, jedenfalls war sie zur Sitzung nicht erschienen. Das war aber auch keine wirkliche Überraschung.
Nicht nur Petersen ist trotz AfD-Mandats nicht Mitglied in der AfD-Fraktion
Tatsächlich überraschend war, dass es einen weiteren Abgeordneten gibt, der auf einem AfD-Mandat in die Bezirksversammlung eingezogen ist, aber dennoch nicht ihrer Fraktion angehört: Patrick Matthias Rogozenski. Weder er noch die AfD-Fraktion haben sich auf Nachfragen des Abendblatts bislang zurückgemeldet, um diesen Umstand zu erklären. Man kann nur spekulieren:
Rechtsanwalt Rogozenski ist ein Veteran der „Neuen Rechten“. Er soll Ende der 1980er-Jahre in der „Gruppe 146“ aktiv gewesen sein, einer Jungakademikervereinigung, die – ähnlich, wie die „Reichsbürger“ – das Grundgesetz infrage stellte und enge Vernetzungen zur Neonazi-Szene hatte.
Der Hamburger Landesverband der AfD ist einer der letzten bundesweit, die zumindest den Eindruck, man stünde Rechtsextremisten nahe, vermeiden möchte. Hier könnte der Grund liegen. Andererseits ist Rogozenski seit der Gruppe 146 nicht noch einmal rechtsextrem in Erscheinung getreten. Auf alle Fälle hat die AfD bei sieben Mandaten nur fünf Fraktionsmitglieder. Das schmälert den Einfluss in Ausschüssen.
Form-Abstimmung über Präsidium endet unschön für SPD und Grüne
Überraschungen gab es auch bei der Wahl zum Präsidium. Den Vorsitz der Bezirksversammlung stellt die stärkste Fraktion, also die SPD. Gewählt werden muss aber trotzdem. Eigentlich eine Pro-Forma-Abstimmung, üblicherweise mit DDR-artigen Mehrheiten.
Nachdem es im Vorwege geheißen hatte, in der SPD-Fraktion würde die Kreisvorsitzende Okşan Karakuş Ansprüche auf das Amt der Bezirksversammlungsvorsitzenden anmelden, war frühestens nach der Wahl des Fraktionsvorstandes in der SPD klar, dass das innerfraktionell mit einer knappen Mehrheit ausgestattete Lager um Frank Richter dem Lager um Karakuş kein einziges Amt gönnen würde. Wer jetzt auf die Richter-nahe Genossin Beate Pohlmann gesetzt hätte, hätte verloren: Die SPD präsentierte Holger Böhm als ihren Kandidaten.
Bezirksversammlung Harburg: Nächste reguläre Sitzung Ende September
Böhm wurde auch gewählt, allerdings nur mit 40 der 50 möglichen Stimmen. Noch schlechter erging es der Grünen Britta Ost bei der Wahl zur zweiten Stellvertreterin Böhms: nur 37 Stimmen. Auch sie hatte sich im Vorwege parteiintern gegen eine Konkurrentin durchgesetzt: Regina Marek. Robert Timmann (CDU) hingegen wurde mit sehr guten 48 Stimmen erster Stellvertreter. Er war aber auch der unumstrittene Kandidat seiner Partei für das gut dotierte Ehrenamt.
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Kamen die Ablehnungen und Enthaltungen bei Böhm und Ost als innerfraktionelle Retourkutschen oder aus Parteien, die der CDU gewogener sind als SPD und Grünen? Auch das ist eine Frage, die noch länger umtreiben kann.
Die nächste reguläre Sitzung der Bezirksversammlung ist für Dienstag, 24. September, geplant, wenn bis zu diesem Zeitpunkt eine Koalition feststeht. Bis dahin trifft der 13-köpfige Hauptausschuss eventuell dringende Entscheidungen. Möglicherweise gebe es Anfang September eine Sondersitzung zum Thema Bezirksamtsleitung, hieß es.