Wilstorf. Harburg: Großinvestor insolvent, Supermarkt kündigt trotzdem Neubau an. Schließung kommt allerdings überraschend und wirft Fragen auf.

Der Rewe-Markt an der Winsener Straße in Wilstorf war schon ein ganz besonderer Supermarkt: Geöffnet bis 23 Uhr trafen hier spätabends in der Kassenschlange oft die, die hart gearbeitet hatten, auf solche, die den ganzen Tag über geschlafen und sich nun zum Einkaufen aufgerafft hatten. Partygänger versorgten sich hier mit den Mitbringgetränken und Homeoffice-Nachteulen mit Kaffeepulver und Energydrinks.

Dass der Rewe-Markt an der Winsener Straße demnächst durch einen Neubau ersetzt wird, war bekannt und wurde in Wilstorf auch schon ungeduldig erwartet. Allerdings hieß es von Seiten der Bauherren und Behörden stets, dass der alte Markt stehen bleibe, bis der neue, auf der Fläche links daneben, fertig ist. Nun kommt es anders: Mit nur wenigen Tagen Vorankündigung wurde die Schließung des Marktes bekannt gegeben. Sonnabend war letzter Tag.

Winsener Straße: Rewe-Markt wird neugebaut – was wird aus dem Bauprojekt?

„Wir bauen für Dich um“, heißt es auf den Aushängen. „Neueröffnung im Herbst 2025!“ Das klingt nicht nach einem Umbau, sondern danach, dass jetzt tatsächlich neu gebaut wird. Verkäufer bestätigen das. Was die Wilstorfer daran mindestens ebenso überrascht, wie der Umstand, dass sie, anders als angekündigt, nun jahrelang auf ihren einzigen Vollsortiments-Markt verzichten müssen, ist, dass überhaupt nicht klar ist, was eigentlich aus dem großen Bauprojekt wird, von dem der Rewe-Umbau ein Teil sein sollte.

Vor etwas über zwei Monaten meldete der Investor Insolvenz an. Schon damals fragte das Abendblatt bei der Rewe-Presseabteilung nach, wie man mit der Insolvenz umgehen will. Die Antwort ist bis heute nicht eingetroffen.

Nicht nur ein Einkaufszentrum, auch 16 Mehrfamilienhäuser sollen in Wilstorf entstehen

Der Rewe-Neubau, ein Discounter, ein Drogeriemarkt sowie diverse kleine Geschäfte als Basis des Komplexes, darüber eine zweite Landschaftsebene mit 16 Mehrfamilienhäusern – so sieht der Siegerentwurf des städtebaulichen Wettbewerbs für das Bebauungsplangebiet Wilstorf 37 im Bezirk Harburg aus. Im Volksmund wird es „bei Rewe und Aral“ genannt, obschon die Tankstelle bereits abgerissen ist.

Der Plan war beschlossen, ein städtebaulicher Vertrag gezeichnet, die Grundstücke zusammengekauft. Nach dieser Vorarbeit verkaufte Investor Karl Schulte Hubbert das Projekt 2022 an die Revitalis AG, die es umsetzen und vermarkten wollte. Nun ist die Revitalis in finanziellen Schwierigkeiten. Ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung soll die Firma retten. Was dies für die Revitalis-Projekte, darunter auch Wilstorf 37, bedeutet, ist noch völlig offen.

Wilstorf 37: Entwicklung der Baulücke seit der Jahrtausendwende ein Thema

Die Wilstorfer warten schon lange darauf, dass an dieser Stelle etwas geschieht. Entlang der Straße standen einige alte Wohngebäude in schlechtem Zustand, in den Hinterhöfen war Gewerbe angesiedelt – auch zwielichtiges. Dieses Stück neu zu entwickeln, war seit der Jahrtausendwende Plan des Bezirks. Eine Schwierigkeit dabei war die Tankstelle, die sich ebenfalls auf dem Gelände befand. Um sie hätte herumgebaut werden müssen, und zwar mit Sicherheitsabstand.

Sehr kurzfristig wurden die Kunden informiert.
Sehr kurzfristig wurden die Kunden informiert. © Harburg | Lars Hansen

Als der Tankstellenpächter bekannt gab, seinen Vertrag nicht verlängern zu wollen, wurden die Karten neu gemischt: Jetzt konnte man hier ein viel größeres Projekt verwirklichen, auf ganzer Breite bis zur Straße heran und rückwärtig an den höher im Hang gelegenen Eigenheimweg anschließend. Auf dessen Höhe befindet sich die Wohnhaus-Ebene des neuen Blocks. Angefahren werden jedoch auch die Wohnungen über die Winsener Straße und einen Garagenkomplex. Zum Eigenheimweg führt lediglich ein Fußweg.

Rewe und Schulte Hubbert hatten schon lange auf den Startschuss für das ursprünglich geplante Projekt gewartet und musste dann noch einmal Geduld aufbringen, bis die neuen Pläne, ohne die Tankstelle und mit mehr Wohnraum, durch den Wettbewerb und genehmigungsreif waren. Nach dem Architektenwettberwerb hatte Schulte Hubbert das Projekt an die Revitalis weiterverkauft. Deren Insolvenz muss Rewe schwer verärgert haben. Sicher sagen kann man es nicht. Die Antwort auf die zweieinhalb Monate alte Frage steht ja bis heute aus.

Neubauprojekt an der Winsener Straße in Wilstorf hätte bereits starten können

Hat Rewe nun die Geduld verloren und baut ohne auf den Rest von „Wilstorf 37“ zu warten? Dafür spricht, dass erst abgerissen und dann neu gebaut wird, vermutlich auf derselben Grundfläche. Befragt, verweisen die Inhaber des Markts auf die Rewe-Pressestelle, die schon auf die ersten Fragen noch nicht geantwortet hat.

Fragt man beim Bezirksamt nach dem Stand von Wilstorf 37, lautet die Antwort, dass die Revitalis eigentlich gerade mit ersten Baumaßnahmen hätte starten können, als sie Insolvenz anmeldete: „Grundsätzlich hat Wilstorf 37 die baugesetztliche Planreife erreicht“, sagt Bezirksamts-Sprecher Dennis Imhäuser. „Auf dieser Grundlage kann das Vorhaben bereits umgesetzt werden.“

Am Sonnabendnachmittag waren viele Regale bereits keergekauft
Am Sonnabendnachmittag waren viele Regale bereits keergekauft © HA | Lars Hansen

Die Revitalis-Insolvenz bringt da allerdings Unsicherheiten ins Spiel: „Dem Bezirksamt ist bekannt, dass die Vorhabenträgerin Insolvenz angemeldet hat. Die konkreten Auswirkungen auf die Umsetzung des Vorhabens lassen sich noch nicht abschätzen, das Verfahren wurde am 1. Oktober aufgenommen. Der Bauantrag, unterteilt in zwei Bauabschnitte, wurde gestellt“.

Für die Wilstorfer bedeuten zweieinhalb Jahre ohne den Markt nicht nur den Verzicht auf einen Vollsortimenter im Stadtteil. Auch die langen Öffnungszeiten bis 23 Uhr hatten sie geschätzt.. Der Aushang verweist die Wilstorfer auf die Filiale im Phoenix-Center. Auch das Personal aus Wilstorf soll die Crew dort verstärken.

Die Center-Filiale schließt allerdings bereits um 20 Uhr, „Hoffentlich machen die hier überhaupt wieder auf“, sagt eine Kundin in Wilstorf. „Ich glaube je schon nicht, dass sie mit zweieinhalb Jahren Bauzeit auskommen!“