Hamburg. Verkehrspolitiker von SPD und Grünen wollen Bussen, Fußgängern und Radfahrern mehr Raum geben. CDU warnt vor Stau-Chaos

Für die Autofahrer auf der Winsener Straße wird es eng – im wahrsten Sinne des Wortes. Die Mehrheitskoalition aus SPD und Grünen in der Harburger Bezirksversammlung will ernst machen mit ihrem Versprechen, auf dem Nordteil der Ausfallstraße, zwischen Jägerstraße und Hannoverscher Straße, mehr Platz für Fußgänger, Fahrradfahrer und Busse zu schaffen. Ohne Häuser abzureißen, ginge das nur zu Lasten des Kraftverkehrs.

Die größte Oppositionsfraktion, die CDU, befürchtet eine Verkehrskatastrophe. Die Verkehrspolitiker von Rot-Grün hingegen sind zuversichtlich, dass das Stau-Chaos ausbleiben wird. Sie sehen sich durch eine Verkehrsbeobachtung bestärkt, die das Bezirksamt in ihrem Auftrag im Sommer durchgeführt hat, als auf einem langen Abschnitt der Strecke wegen Leitungsarbeiten zwei Spuren gesperrt waren.

An zwei Tagen im Juni zählten die Beamten tagsüber den Verkehr mithilfe einer Kamera. Das Ergebnis: zehn- bis elftausend Kraftfahrzeuge und 500 Fahrräder passierten den Beobachtungsposten innerhalb von acht Stunden. Die Spitzenzeit stadteinwärts ist zwischen 6.15 und 7.30 Uhr, stadtauswärts zwischen 15 und 18.45 Uhr. Kurzzeitig ins Stocken geriet der Verkehr wegen der Baustelle für jeweils gut 2000 Autos. Die Zahlen lieferte der neue Abteilungsleiter Tiefbau im Fachamt Management des öffentlichen Raums, Andreas Svensson ,im Mobilitätsausschuss. Interpretieren wollte er sie nicht.

Auftrag an die Bezirksverwaltung ist klar

Der Auftrag an die Bezirksverwaltung ist jedoch klar: Er lautet, dass geprüft werden soll, wie den schwächeren Verkehrsteilnehmern mehr Raum gegeben werden kann. Die Frage nach dem „ob“ wird nicht gestellt. So steht es im Koalitionsvertrag und so steht es in einem Beschluss der Bezirksversammlung aus dem Februar.

An einigen Stellen des fraglichen Abschnitts sind die Nebenflächen der Winsener Straße so schmal, dass sie nach heutigen Normen eigentlich nicht einmal einer einzigen Gruppe Verkehrsteilnehmer gerecht werden. Dennoch drängeln sich hier Radfahrer an Fußgängern vorbei, kommen Eltern in Nöte, wenn sie sich mit Kinderkarren begegnen. Die Radfahrer müssten eigentlich auf der Straße radeln. Die oft aggressive Fahrweise der Autofahrer lässt sie diese legale Option allerdings häufig verwerfen – zu gefährlich.

„Mindestens eine Fahrspur müsste aufgegeben werden, um annehmbare Verhältnisse für Fußgänger und Radfahrer zu schaffen“, sagt der Vorsitzende des Mobilitätsausschusses, Michael Sander (Grüne), „und ich glaube auch nicht, dass das allzu problematisch ist, denn gerade, wenn viel Verkehr ist, wird die linke Spur häufig von Linksabbiegern aufgehalten. Bei drei Spuren könnte man jeweils eine Geradeaus-Spur beibehalten und die mittlere an den jeweiligen Seitenstraßen als Abbiegespur benutzen. Das ist auch keine völlig neue Idee, sondern an anderen Stellen gängige Praxis.“

Aus der Opposition hört man Warnrufe

Noch weiter will Torsten Fuß, Bezirksabgeordneter und Vorsitzender des SPD-Distrikts Harburg-Ost gehen: „Eine Busspur stadtauswärts und eine Zweirichtungs-Fahrradspur auf der anderen Straßenseite würde all denen etwas nützen, die jetzt schon das Auto stehen lassen – oder gar keins haben – und würde auch für die , die jetzt noch Auto fahren, das Umsteigen attraktiver machen.“

Aus der Opposition hingegen hört man Warnrufe: „Damit läuft man sehenden Auges in die Katastrophe“, mahnt Rainer Bliefernicht, Verkehrsexperte der CDU, „Eine Verengung der Winsener Straße wird Umgehungs- und Ausweichverkehre auslösen. Damit verbessert man vielleicht die Lebensqualität an der Winsener Straße, verschlechtert sie aber am Kapellenweg, an der Jägerstraße und am Reeseberg. Das kann nicht Sinn der Sache sein!“

Die Verkehrsbeobachtung fand schon während der Corona-Zeit statt. Welche Auswirkungen das hat, vermochte niemand zu errechnen. Einerseits entfielen viele Fahrten, andererseits nahmen viele Pendler lieber PKW statt Bus. Quantifizieren ließen sich beide Effekte nicht. Andreas Svenssons Vorgesetzter, Fachamtsleiter Adrian Andres will aus dieser Beobachtung deshalb auch nichts ableiten: „Das muss man noch einmal detaillierter untersuchen“, sagt er.

Torsten Fuß hat auch schon eine Idee, wie die Untersuchung laufen könnte: Mit Baustellenmarkierungsfarbe könnte man seine Bus-und Fahrradspuren probehalber einrichten und dann sehen, was passiert. „Mit dem tollen Namen Pop-up-Bike-Lane wird das in Eimsbüttel gerade gemacht“, sagt er, „wenn es nicht hinhaut, baut man eben zurück!“