Jesteburg. Die Neuausweisung der Niederung als Naturschutzgebiet schränkt Nutzung auf vielfältige Weise ein. Bürgerinfo brachte wenig Klärung.
Dass die Seeve als Naturschutzgebiet neu ausgewiesen werden soll, hat viele Grundeigentümer und Anrainer mobilisiert. Bei der Informationsveranstaltung am Mittwochabend war das Jesteburger Schützenhaus bis auf den letzten Platz gefüllt. Unter den mehr als 100 Zuhörern befanden sich unter anderem die Seevetaler Bürgermeisterin Martina Oertzen sowie ihre Amtskollegen der Samtgemeinden Jesteburg und Hanstedt, Hans-Heinrich Höper und Olaf Muus.
Detlef Gumz, Leiter der Abteilung Naturschutz und Landschaftspflege des Landkreises Harburg, hatte mit der Präsentation der Seeve-Pläne kaum begonnen, da hagelte es schon die ersten aggressiven Zwischenrufe. „Das ist Enteignung“ und „ohne uns“, schallte es durch den Raum.
In der neuen Verordnung müssen die Bestimmungen des europäischen Schutzgebietsnetzes „Natura 2000“ abgebildet sein, wie sie die Europäische Union bereits 1992 fixiert hat. 2007 gab es die letzte Nennung von Flora-Fauna-Habitaten (FFH) durch den Landkreis Harburg. 2015 leitete die EU gegen Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren ein, weil ihr die Sicherung von schutzwürdigen Gebiete als nicht ausreichend erschien. Um Strafzahlungen abzuwenden, soll das nun bis Ende 2018 nachgeholt werden.
Das Naturschutzgebiet „Seeve“ ist in diesem Zusammenhang nur eines von insgesamt 14, für die der Landkreis Harburg federführend ist. Es erstreckt sich von Inzmühlen im Süden bis zum Rangierbahnhof Maschen im Norden über die Samtgemeinden Hanstedt, Jesteburg und Tostedt, die Gemeinde Seevetal und die Stadt Buchholz.
„Die Seeve mit ihren angrenzenden Flächen wurde vorrangig wegen gefährdeter Fischarten und Rundmäulern wie Meer- und Flussneunauge sowie der teilweise ausgeprägten Wasservegetation als FFH-Gebiet ausgewiesen“, erklärte Gumz. Überdies habe das Habitat herausragende Bedeutung für Fischotter und Weißstorch.
Man habe sich bei der Abgrenzung des Schutzgebiets in der Regel an Wegen, Flur- und Bewirtschaftungsgrenzen orientiert. Einbezogen worden seien vor allem öffentliche Flächen mit Naturschutzbindung, aber keine Bebauungsplanflächen der Gemeinden. Darüber hinaus seien hier und da auch Privatflächen betroffen.
Das ist insbesondere für Landwirte problematisch, wie sich schon in der kontroversen Debatte um die Naturschutzgebiete in der Oberen Wümmeniederung und im Heidemoor bei Ottermoor gezeigt hat. Als besonders dramatisch stufen viele Landwirte das Verbot des Umbruchs „umweltsensiblen Grünlands“ ein. Das führe nicht nur zu einer deutlichen Verkleinerung der Wirtschaftsflächen, sondern auch zu einer massiven Wertminderung von bis zu 75 Prozent. Noch schlimmer sei aber, dass nicht mehr genug Futter für Milchvieh und Rinder produziert werden könne. „Das ist für uns existenzgefährdend“, sagte ein Landwirt im Schützenhaus.
Für diesen Fall sind sogenannte jährlich abrufbare Erschwernisausgleichszahlungen von bis zu 385 Euro pro Hektar vorgesehen. Aber eben nur für die Bewirtschafter der fraglichen Flächen, nicht für deren Besitzer. „Und wer gleicht meine finanziellen Einbußen aus, wenn ich meine landwirtschaftlichen Flächen nicht mehr verpachten kann?“, fragte ein Zuhörer sichtlich verärgert.
Hansjörg Siede, Vorsitzender der Unabhängigen Wählergemeinschaft Jesteburg (UWG Jes!) wollte schließlich wissen, welche Auswirkungen die Neuausweisung des Naturschutzgebiets auf die Nutzung der Seeve-Niederung als Naherholungsgebiet habe. „Das Kanufahren ist jetzt schon streckenweise untersagt. Muss nun mit weiteren deutlichen Einschränkungen gerechnet werden?“
Auf Abendblatt-Nachfrage teilte die Landkreisverwaltung mit, die Nutzung der offiziellen Wanderwege im Schutzgebiet sei erlaubt wie bisher. Das Baden könne unterdessen nicht generell freigestellt werden, weil hierzu die Wege verlassen werden müssten. „Es sind bislang von den Gemeinden aber auch keine Badestellen gemeldet worden, an denen das Baden erlaubt werden sollte“, so Kreissprecherin Andrea Deutschmann. Entsprechende Freistellungen könnten jedoch im Rahmen des am Montag beginnenden, öffentlichen Beteiligungsverfahrens nachgeholt werden.