Harburg. An der Autobahnausfahrt Harburg ist eine große Logistikfläche entstanden. Warum darunter vor allem benachbarte Schrebergärten leiden.
Gärten und Lauben unter Wasser, unpassierbare Wege innerhalb der Schrebergarten-Kolonien: Für viele der rund 600 Pächter von vier Neuländer Kleingartenvereinen startet das Frühjahr im Matsch. Sie kämpfen mit Feuchtigkeitsschäden an ihren Lauben, versuchen mit Pumpen oder selbst gegrabenen Rinnen, das Wasser irgendwie loszuwerden. Einige Pächter erreichen ihre Parzellen nur in Gummistiefeln. Selbst Mitte April steht in den Anlagen zwischen Neuländer Straße und dem Elbdeich mancherorts noch das blanke Wasser.
„Seitdem vor einigen Jahren an der Autobahnausfahrt Harburg für das DHL-Bauprojekt fünf Meter Moorboden mit viel Sand verdichtet wurde, hat sich die Wassersituation bei uns extrem verschlechtert“, sagt Vereinsvorsitzender Richardt Rieper. „Aber so schlimm wie in diesem Jahr war es noch nie.“ Rieper leitet einen der beiden größeren Kleingartenvereine des Gebiets, den „Gartenbauverein Kultur von 1950“ mit gut 200 Parzellen.
Schrebergarten Harburg: Überflutungsprobleme durch die Logistikfläche an der A1
Nach dem niederschlagsreichen Winter stehen viele Gärten – und auch Gräben, die eigentlich das Wasser abführen sollten – unter Wasser. Auch außerhalb der Kleingärten herrscht Land unter: „Wenn Sie von der Ausfahrt Harburg bei Neuland Beton vorbeifahren, sehen Sie auf der gegenüber liegenden Seite Jungbäume. Sie stehen fast das ganze Jahr im Wasser“, so Rieper.
Zu Pandemiezeiten, kurz nach der Aufschüttung der geplanten Logistikfläche für DHL, sei sogar die Ausfahrt gesperrt worden, weil sie überflutet war, erzählt der Vereinschef. Er und die Kollegen der anderen Vereine haben mehrmals den Schleusenverband auf die Probleme aufmerksam gemacht. Geschehen sei wenig – „bei starkem Regen saufen wir ab, und im Sommer leiden wir stärker als früher unter Trockenheit“. Rieper führt den ins Straucheln geratenen Wasserhaushalt auch darauf zurück, dass das Neuländer Pumpwerk inzwischen automatisch gesteuert wird. Und ganz offenbar nicht angemessen auf die jeweilige Situation reagiert.
Immerhin habe der Bezirk geholfen, zwei besonders betroffene Koloniewege seines Vereins zu pflastern, sagt Rieper. „Wir haben damit argumentiert, dass die zuvor unbefestigten, matschigen Wege nicht mehr barrierefrei waren. Pächter mit Rollatoren konnten sie über längere Zeiten nicht passieren.“ Und auch alle anderen Gartenfreunde mussten mit Karren oder Lasten um tiefe Pfützen herum balancieren.
Im Verein „Zubringerstraße“ sind die Hälfte der 114 Parzellen betroffen
Annegret Hämmerling, Vorsitzende des Vereins „Zubringerstraße“, hat noch größere Probleme. Ihr Vereinsgelände liegt am östlichsten, grenzt also direkt an das Areal, auf dem das Postunternehmen DHL einen großen Logistikstandort bauen wollte. Die Pläne zerschlugen sich im Sommer 2020, das Wasserproblem blieb. „Wir haben 114 Parzellen. Rund 60 Lauben standen in diesem Winter mehr oder weniger unter Wasser“, sagt Hämmerling. Die Überflutungen werden auch Thema der ersten Vorstandssitzung am kommenden Sonnabend werden, so die Vereinschefin.
An vielen Lauben sind nun größere Reparaturen notwendig. Die Schäden treffen oftmals Menschen, die nicht das Geld haben, um mal eben ihr Hab und Gut herzurichten oder zu ersetzen. Natürlich seien die Parzellen direkt am Baugrundstück besonders betroffen, so Hämmerling. Aber auch die Gärten entlang der Neuländer Straße: „Dort gab es einen tiefen Graben, doch der wurde zugeschüttet. Bislang war nur die erste Parzellenreihe neben der Straße betroffen. In diesem Winter stand das Wasser aber auch in der zweiten Reihe.“ Die Gärten der zweiten Reihe liegen am Neuländer Weg.
Vor gut zehn Jahren seien die Probleme langsam losgegangen
Vom Neuländer Weg führen Stichwege zu jeweils vier Parzellen. Einige Wege sind auch jetzt, zum Saisonstart der Schrebergärtner, komplett überflutet. „Dieses Jahr ist es besonders schlimm“, sagt auch Annegret Hämmerling. Vor gut zehn Jahren seien die Probleme langsam losgegangen. Schon damals habe sie mit der Abteilung Wasserwirtschaft des Bezirks Kontakt aufgenommen und auch dem Ingenieurbüro gesprochen, das an den Planungen des Logistikstandorts beteiligt war. „Die sagten uns, es werde keine Probleme geben. Es wurde eine Drainage gebaut. Aber wo soll das Wasser denn hin?“
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Selbst ganz im Westen des Gebiets stehen Wege unter Wasser
Früher hätten regelmäßig Arbeiter mit kleinen Booten die Wettern (die größeren Entwässerungsgräben) befahren und die Rohre der Zuläufe freigehalten. Dabei habe sie als Kind zugeschaut, erzählt Hämmerling. „Die Entwässerung muss dringend verbessert werden. Wir brauchen Unterstützung beim Unterhalt unserer Gräben. Vielleicht müssen an einigen Stellen Drainagen gelegt werden“, sagt Heiko Hinze, Vorsitzender vom „Gartenbauverein Einigkeit von 1950“ mit gut 200 Parzellen.
Sein Verein ist am westlichsten gelegen. Dennoch gibt es auch hier Wasserprobleme. Vor allem auf einem Kolonieweg und den angrenzenden Parzellen. Sie liegen im tiefsten Bereich dieser Kleingartenanlage. Unweit von Hinzes eigenem Garten – „ich habe vor ein paar Tagen mit dem Spaten gearbeitet: In Spatentiefe steht bei mir das Grundwasser.“ Der unbefestigte Weg verkommt an der Stelle zum matschigen Pfad.
Bezirk Harburg überlässt Wegebau den Kleingärtnern
Hinze: „Das sind öffentliche Wege, die eigentlich vom Bezirk unterhalten werden müssten. Stattdessen beliefert er die Vereine nur mit Wegmaterial, dass dann die Pächter in Eigenarbeit aufbringen müssen.“ Auch Hinze sagt, die Situation sei in diesem Jahr extrem und sieht die Anlage der brachliegenden Logistikfläche an der A1-Ausfahrt als Ursache: „Die Aufschüttung drückt das Wasser bis zu uns durch.“
Noch ist das geplante, 25 Hektar große Gewerbegebiet namens „Neuland 23“ nur eine riesige Sandfläche. Die Hamburger Hochbahn AG hat einen Blick darauf geworfen und möchte auf zwei Hektar einen Busbetriebshof bauen. Sie müsste dazu strenge Umweltauflagen einhalten, denn das gesamte Projekt soll zum „Klima-Modell-Quartier“ werden. Bislang ist es eher das Gegenteil, denn es stellt die Nachbarschaft bei Starkregen vor große Probleme.