Neuland. Die A1 zwischen Harburg und Moorfleet ist an ihre Grenzen gekommen. Was die Anwohner vor dem Start des Mammut-Bauprojekts fordern.

130.000 Fahrzeuge queren die Süderelbe täglich auf der A 1, und man hört jedes einzelne davon. Auf der Dehnungsfuge zwischen Süderelbbrücke und dem Rampendamm, der die Fahrbahn auf Brückenhöhe führt, klackt es bei jedem Auto merklich – 130.000-mal am Tag.

33.000 dieser Fahrzeuge sind schwere Lkw. Sechsspurig, wie sie ist, reicht die A1 rechnerisch ohnehin nur für 100.000 Autos. Die Verkehrsprognosen rechnen aber mit noch mehr Last. Bis zum Jahr 2030 wird eine Steigerung auf 160.000 Querungen täglich erwartet, und eine Steigerung der Schwerlastquote von derzeit 25 auf 28 Prozent. Um das zu bewältigen, soll die A1 zwischen Harburg und Moorfleet auf jeder Seite um eine Spur verbreitert werden. Zwei Brücken werden neu gebaut, ein Autobahnkreuz neu entstehen, ein weiteres erweitert und neu geordnet.

Das Bezirksamt fürchtet Flächeneinbuße im Gewerbegebiet Neuland 23

Bei so einem Mammutprojekt bleiben Konflikte nicht aus: Anwohner in Neuland fordern mehr Lärmschutz. Mehr Lärmschutz, als jetzt vorhanden und mehr Lärmschutz, als bislang im Zuge der Erweiterung neu geplant ist. Das Bezirksamt fürchtet Flächeneinbuße im Gewerbegebiet Neuland 23. Amt und Anwohner kritisieren die DEGES – Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH – für mangelhafte Kommunikationspolitik. Die DEGES weist die Vorwürfe von sich.

Michael Hagedorn aus Neuland, politischer Ruheständler, aber einst als CDU-Abgeordneter Vorsitzender der Harburger Bezirksversammlung, ist einer der Einwender. „Wir hatten nur wenige Tage Zeit, unsere Bedenken zu formulieren“, beschwert er sich, „denn wir haben erst kurz vor Fristende und auch nur durch Zufall von der Einwendungsfrist erfahren. Ein Rechtsanwalt aus der Nachbarschaft ist bei der Lektüre des Amtlichen Anzeigers eher nebenbei darauf gestoßen.“

Das Versäumnis sieht die DEGES nicht bei sich

Die letzte offizielle Informationsveranstaltung der DEGES zum Projekt, so Hagedorn, hat im Mai 2021. „Danach haben wir nichts mehr gehört.“

So soll die neue Süderelbbrücke nach der Fertigstellung aussehen.
So soll die neue Süderelbbrücke nach der Fertigstellung aussehen. © HA | Lars Hansen

Das Versäumnis sieht die DEGES nicht bei sich. Ende 2021 habe man die Planfeststellung für den Bauabschnitt zwischen Harburg und Stillhorn beantragt. Damit sei die Planfeststellungsbehörde – das Bezirksamt Harburg – für das Verfahren, seine Fristen und die Kommunikation darüber zuständig. „Die Unterlagen haben seit Mitte November im Bezirksamt ausgelegen“, sagt DEGES-Pressesprecher Ulf Evert. „Dies mitzuteilen, ist nicht nur nicht unsere Sache, sondern steht uns gar nicht zu. Es wäre ein unzulässiger Eingriff ins Verfahren.“

Im Wesentlichen geht es den Anwohnern um den Lärmschutz

Die Veröffentlichung im Amtlichen Anzeiger, die das Bezirksamt gewählt hat, genügt den rechtlichen Anforderungen. „Mit Transparenz und Bürgernähe hat das allerdings wenig zu tun“, beschwert sich Michael Hagedorn.

Er und einige Nachbarn haben eilig noch Einwendungen verfasst und außerdem eine größere Anzahl Neuländer dazu bewegt, eine Sammeleinwendung zu unterschreiben. Im Wesentlichen geht es den Anwohnern dabei um Lärmschutz: „Nach den vorliegenden Plänen ist Lärmschutz lediglich zwischen der Anschlussstelle Harburg und der Brücke geplant. Wir fordern, dass auch südlich der Anschlussstelle und auf der Brücke Lärmschutzwände errichtet werden.“

Die Berechnungen ergeben bislang keine Notwendigkeit für mehr Lärmschutz

Zwar soll die A1 erst ab der Auffahrt tatsächlich achtspurig sein, aber südlich davon sind noch einmal 800 Meter geplant, auf denen sich die Spuren aufweiten beziehungsweise reduzieren. Auch das ist eine Änderung gegenüber dem jetzigen Zustand und muss deshalb in der Planfeststellung berücksichtigt werden. „Die Autobahn ist schon jetzt zu laut“, sagt Hagedorn. „Bei Westwind, und das ist ja meistens der Fall, sind alle stromaufwärts wohnenden Anwohner stark betroffen, erst recht, seit auf der Ostseite Lärmschutz verwirklicht wurde, um das Naturschutzgebiet abzuschirmen. Wenn jetzt bei der Erweiterung kein Lärmschutz verwirklicht wird, kommt nie Lärmschutz!“

Die Berechnungen der DEGES ergeben bislang allerdings keine Notwendigkeit für mehr Lärmschutz als bereits vorgesehen. „Wir können und dürfen nicht teurer bauen als notwendig. So genannter übergesetzlicher Lärmschutz ist möglich, muss aber in den Einzelfällen von den jeweiligen Gemeinden politisch gewollt und dann auch finanziert werden“, sagt Evert. „Aber weil sich die Grenzwerte verschärft haben, kommt auf alle Fälle mehr Lärmschutz, als jetzt vorhanden ist. Ruhiger wird es an der Autobahn allemal!“

Fünf Meter rückt die Autobahn näher an das geplante Gewerbegebiet heran

Auch das Bezirksamt Harburg hat Einwendungen gegen Details der DEGES-Pläne. Markus Schläger, Leiter des Abteilung Landschaftsplanung, hatte diese dem Stadtentwicklungsausschuss gegenüber erläutert. Zum einem bemängelt er die Rampe zum Fahrradweg auf der Brücke. Sie sei zu steil. Außerdem gebe es diverse wasserrechtliche Bedenken.

Vor allem aber rückt die Autobahn fünf Meter näher an das geplante Gewerbegebiet Neuland 23 heran. Auf diesem müsste deshalb der Grün-Schutzgürtel in das Gebiet hineinverlegt werden, wodurch sich Baugrenzen verschieben und das Gewerbegebiet entsprechend verkleinern würde. Zwar erscheinen angesichts des Riesen-Plangebiets Neuland 23 fünf Meter nicht viel, aber auf 500 Metern Strecke parallel zur Autobahn kommen dann doch 2500 Quadratmeter zusammen, von denen man wissen müsste, ob man sie noch anbieten kann oder nicht.

Nicht, heißt es aus der DEGES: „Bei Anlage von Neuland 23 ist der Grünstreifen bereits auf Autobahnland verwirklicht worden, und wir haben darauf bestanden, dass er rückbaufähig sein muss, wenn wir die A1-Verbreiterung angehen“, sagt ­DEGES-Projektleiter Rüdiger Martens.