Harburg. Für den Betrieb im neuen Quartier benötigen die Helfer dringend Zuschüsse. Doch SPD und Grüne scheinen die Entscheidung hinauszuzögern.
Die Tafel Harburg, die Lebensmittel an Mittellose verteilt, hat neue, geräumige und gut gelegene Räume gefunden – und wird demnächst umziehen. Vom alten Bezirks-Bauhof an der Buxtehuder Straße geht es einmal schräg über die Straße in ein ehemaliges Sanitärfachgeschäft, statt am alten Standort in einen Neubau zusammen mit der Drogenhilfe und vordringlich Wohnungssuchenden einzuziehen. Das freut die Tafel und viele Harburger, aber anscheinend nicht alle: Grüne und SPD bremsen derzeit zwei Zuschuss-Anträge aus, die die Tafel beim Bezirk gestellt hat.
Dabei geht es zum einen um 12.000 Euro, die für die Installation von Kühlräumen am neuen Standort benötigt werden. Zum Anderen sind 39.000 Euro Zuschuss für die Miete beantragt. Solche Anträge landen zunächst im Haushaltsausschuss der Bezirksversammlung, werden dann in den zuständigen Fachausschuss – in diesem Fall der Sozialausschuss – überwiesen, um fachmännisch geprüft zu werden und gehen dann mit einer Abstimmungsempfehlung in die Bezirksversammlung. Manchmal mit einer weiteren Schleife über den Haushaltsausschuss
Tafel Harburg: Eine Entscheidung der Politik drängt
Schon im normalen Tempo braucht dieses Prozedere einen bis zwei Monate, je nachdem, wie die Termine der Gremien korrespondieren. Gerade drängt die Zeit. Nicht nur, weil die Tafel die Kosten bereits hat, sondern auch, weil die Bezirksversammlung im Juni neu gewählt wird und Ende April zum letzten Mal tagt. Danach ist Wahlkampfpause, gefolgt von den parlamentarischen Sommerferien und mit großer Wahrscheinlichkeit Koalitionsverhandlungen. Das bedeutet: Was jetzt nicht entschieden wird, wartet bis zum Herbst auf einen Platz auf der Tagesordnung.
Zuwendungsanträge werden im Haushaltsausschuss im vertraulichen Teil der Sitzung behandelt, um Interessen der Antragsteller zu schützen. Mit diesen beiden Anträgen ist die Tafel allerdings offen umgegangen. Schon bei der Vorstellung des neuen Gebäudes für die Presse wurde kommuniziert, dass man die Anträge stellt und in welcher Höhe.
Der Haushaltsausschuss-Vorsitzende Uwe Schneider (CDU) findet daher, dass die Vertraulichkeit in diesem Fall nur noch bedingt gilt und berichtet, dass Grüne und SPD die Anträge der Tafel bei der letzten Sitzung zunächst gar nicht behandeln wollten. „Ich musste lange auf die Koalition einreden, damit sie zumindest der Weiterleitung an den Sozialausschuss zustimmen“, sagt er.
Warum die Verzögerung? Schneider vermutet, dass die Koalition der Tafel übel nimmt, dass sie nicht mit in den gemeinsamen Neubau ziehen will, der für sie, die Drogenhilfe Abrigado und ein Projekt mit Wohnungen für schwer vermittelbare Mieter auf dem alten Gelände der Tafel vorgesehen war. Dieses Projekt der Hamburger Sozialbehörde wurde von vielen Harburgern kritisch gesehen.
Die Drogenhilfe braucht einen neuen, größeren Standort, die Tafel auch und niedrigschwellige Wohnprojekte sind Mangelware. Für jedes einzelne Projekt war es in der Vergangenheit aber schwierig geeignete Standorte und vor allem willige Vermieter zu finden. Da erschien es ideal, das Gelände des alten Bauhofs statt wie bislang mit lediglich der Tafel zu belegen, alle drei Projekte übereinander zu bauen.
Vermutung: Die Tafel soll abgestraft werden
Sowohl im Abrigado als auch bei der Tafel hatte man jedoch schon früh Bedenken gegen diese Ballung von Hilfsbedürftigen an einem Punkt. Diese Bedenken wurden auch von vielen Harburgerinnen und Harburgern geteilt. Selbst innerhalb der Harburger SPD rumorte es deshalb. Die Tafel hatte klargemacht, dass sie, weil sie ja ohnehin in der Bauzeit ein Übergangsquartier bräuchte, sich lieber etwas suchen würde, wo sie permanent bleiben könnte, ohne sich dem Großprojekt anzuschließen.
„Dafür soll die Tafel jetzt abgestraft werden“, vermutet ein Ausschussmitglied, das wegen der Vertraulichkeit nicht genannt werden möchte. „Die Bezirksfraktion der SPD und die Bezirksamtsleiterin haben das Großprojekt immer unterstützt.“
Von der SPD ist dazu wenig zu hören. Ihr Ausschussmitglied Klaus Fehling verweist auf die Vertraulichkeit von Zuwendungsanträgen.
Großprojekt läuft auch ohne die Tafel weiter
Das Großprojekt ist mit der Absage der Tafel noch nicht gestorben. „Das Bauvorhaben Buxtehuder Straße verfolgen wir weiter“, sagt Susanne Schwendtke, Sprecherin des Bauherren, dem Landesbetrieb Fördern und Wohnen. „Den Baukörper haben wir in Abstimmung mit der Sozialbehörde umgeplant, da nun die Anlieferfläche für Autos der Tafel nicht mehr zu berücksichtigen ist. Hierzu laufen die letzten Abstimmungen.“ Und weiter: „Wir hoffen, dass wir in diesem Jahr die Baugenehmigung erhalten und im kommenden Jahr mit dem Bau beginnen können“. Neben der Drogenhilfeeinrichtung solle weiterhin auf einer Fläche ein weiteres soziales Beratungsangebot im Erdgeschoss Platz finden können. „Hierzu befinden wir uns gerade in der Absprache mit der Sozialbehörde.“
Wenn die Anträge der Tafel im Harburger Sozialausschuss Zustimmung finden, könnten sie noch vor der langen Sommerpause beschlossen werden. Dafür müssten sie auf die Tagesordnung der Ausschusssitzung am 9. April. Der Sozialausschussvorsitzende Peter Bartels (SPD) sagt zu, sie behandeln zu wollen, schränkt aber auch ein: „Wenn die Formalien stimmen.“
Muss die Lebenshilfe mehr von den Bedürftigen verlangen?
Geld braucht die Tafel übrigens immer. Die Lebensmittel werden zwar gespendet, aber die Fahrzeuge kosten Abtrag und Treibstoff, die Miete und der Strom müssen bezahlt werden. Kostenlos ist lediglich die Arbeitskraft der 130 ehrenamtlichen Tafelmitarbeiter, inklusive der Vorstände. Ein Großteil des Finanzbedarfs wird über Spenden gedeckt, ein kleiner Teil über den Obolus der Kunden, aber das reicht nicht immer. Kommt kein Geld aus der Bezirksversammlung, muss der Beitrag, den die Kunden für ihre Lebensmittelkiste zahlen, erhöht werden. Noch liegt er bei 2,50 Euro.
Schon vor zwei Jahren hatte der Verein einen Aufnahmestopp für die Ausgabe verhängt, 800 bis 1000 Menschen kommen an den vier Ausgabetagen und holen sich Lebensmittel ab, um damit über die Woche zu kommen. Geht am neuen Standort vielleicht mehr? Ansbert Kneip, im Vorstand des Tafel-Vereins für die Presse zuständig, schüttelt den Kopf: „Die Lebensmittelspenden sind zurückgegangen“, sagt er. „Außerdem ist die Zahl der Freiwilligen nicht unendlich hoch und die meisten von uns sind Rentner. Man muss die Arbeit auch leisten können.“
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Die Tafeln in Deutschland verteilen Lebensmittel, die in Supermärkten am Ende der Haltbarkeit übrig bleiben. In letzter Zeit sind viele Supermärkte aber dazu übergegangen, solche Ware selbst zu reduzierten Preisen zu verkaufen, anstatt sie zu spenden. „Außerdem kaufen sie vorsichtiger ein als früher“, sagt Kneip.
Zu den Vorgängen in den Ausschüssen will er sich nicht äußern. „Es kann sein, dass man sauer auf uns ist“, sagt er. „Es kann aber auch sein, dass hier andere Parteien die SPD vorführen wollen. Wir stehen dann dazwischen.“