Harburg. Lebensmittelausgabe zieht in die Buxtehuder Straße. Warum das neue Domizil vor allem für die Bedürftigen ein Gewinn ist.
- Sie retten Lebensmittel und helfen Bedürftigen: Die Tafeln für Menschen, die sich das Einkaufen im Supermarkt kaum noch leisten können
- Doch ihr Betrieb wird immer schwieriger, weil der Bedarf steigt, gleichzeitig aber Supermärkte immer weniger Lebensmittel spenden
- Bei der Harburger Tafel gesellte sich dazu noch ein weiteres Problem, das nun glücklicherweise gelöst ist
Corona, Ukraine, Inflation, neue Fluchtbewegungen – in den vergangenen vier Jahren hat man Ansbert Kneip von der Harburger Tafel selten mal lächeln gesehen, denn alle genannten Krisen erhöhen die Armut in Deutschland und damit den Druck auf die Tafeln. Gleichzeitig gibt es immer weniger zu verteilen.
Heute aber lächelt Ansbert Kneip zum ersten Mal seit langem, denn ein anderes Problem hat sich gerade gelöst: Die Tafel hat ein neues Domizil gefunden. Groß, hell, ideal gelegen, günstig – und im letzten Moment. Die Harburger Armenspeisung zieht in die ehemaligen Ausstellungsräume eines Nobel-Badausstatters an der Buxtehuder Straße.
Harburger Tafel findet neues Zuhause – und möchte am liebsten dort bleiben
Der Umzug kommt auf den letzten Drücker, denn zu Pandemie, Putin und Preisschock kam auch noch ein Plan der Sozialbehörde. An der Hamburger Straße hält man es für eine gute Idee, die Tafel, die Drogenhilfeeinrichtung Abrigado und einige Dutzend Menschen, denen man sonst nur schwer Wohnraum vermitteln kann, in einem Gebäudekomplex übereinanderzustapeln – auf dem Grundstück, auf dem die Tafel Harburg jetzt noch allein ist.
Tafel und Abrigado brauchen größere Räume, die Probkemklienten Wohnraum. All das will man zwischen Bundesstraße und blickdichten Büschen bauen.
Druck auf die Tafel war in den vergangenen Monaten immer weiter gestiegen
Die Tafel, die derzeit noch auf dem Gelände zwischen Helmsweg und Buxtehuder Straße einen ehemaligen Bauhof des Bezirksamts nutzt, hätte für die Bauzeit ein Interimsquartier gebraucht, war also ohnehin auf der Suche. Und weil man bei der Tafel von der Hamburger Idee des Prekariatsclusters ohnehin weder überzeugt noch begeistert war, hatte der Verein stets gesagt, dass er das Ausweichquartier lieber länger nutzen wollte, als in den Neubau zu ziehen.
Von Seiten der Bezirkspolitik und der Bezirksverwaltung hatte es zwar stets geheißen, dass der Bau erst beginnen würde, wenn es ein Interimsquartier für die Tafel gibt. Aber in den vergangenen Monaten war der Druck auf die Tafel gestiegen. Bezirksamt und Sozialbehörde wollen anfangen zu bauen.
„Haben aus Erfahrung gelernt, dass Optimismus uns nicht weiterbringt“
Bei der Tafel begann man, nervös zu werden, „zumal wir aus Erfahrung gelernt haben, dass Optimismus einen nicht weiterbringt“, sagt Ansbert Kneip. Eine Absichtserklärung, zunächst ein Ausweichqaurtier zu akzeptieren und dann in den Neubau einzuziehen, hatte die Tafel bereits so gut wie unterschrieben, da kam das Angebot für die zwei Stockwerke, die quasi nur einmal schräg über die Straße vom alten Standort liegen.
„Ein Architekt, der hier im Obergeschoss ein Büro hat, hat uns den Kontakt zur Vermieterin vermittelt“, sagt Kneip. „Wir haben angerufen und waren uns schnell einig.“
Die neuen Räume haben gegenüber der alten Ausgabestelle viele Vorteile
Die neuen Räume haben gegenüber den alten eine Menge Vorteile: Eine Bushaltestelle direkt vor der Tür; eine Lage, bei der sich die Kunden nicht lange umgewöhnen müssen. Es gibt einen Lastenaufzug für die täglich ankommende und fast täglich ausgegebene Ware sowie viel Platz und Tageslicht. „Für unsere Kunden heißt das, dass sie nicht mehr draußen bei Wind und Wetter und wie auf dem Präsentierteller Schlange stehen müssen, sondern drinnen warten können“, sagt Kneipp.
Auch die Quadratmetermiete ist günstig. Dieser Effekt verpufft allerdings in der Größe des Raums, denn auch günstige Quadratmeter kosten in der Masse mehr, als teure im Mangel. Außerdem muss noch viel Geld in den Standort gesteckt werden. Zwei Kühlräume müssen installiert werden, die 1000 Quadratmeter Fläche brauchen Boden. Installationen müssen gelegt werden. „Wir gehen von einigen Monaten Umbauzeit und einem relativ hohen Finanzbedarf aus“, sagt Ansbert Kneip.
Geld braucht die Harburger Tafel immer – das liegt in der Natur der Sache
Die entsprechenden Anträge auf Förderung sind in Arbeit oder beispielsweise für die Kühlräume – bereits gestellt. Geld braucht die Tafel immer. Die Lebensmittel werden zwar gespendet, aber die Fahrzeuge kosten Abtrag und Treibstoff, die Räume Miete, und der Strom ist auch nicht umsonst. Kostenlos ist lediglich die Arbeitskraft der 130 ehrenamtlichen Tafelmitarbeiter, inklusive der Vorstände. Kommt kein Geld aus der Bezirksversammlung, muss der Beitrag, den die Kunden für ihre Lebensmittelkiste zahlen, erhöht werden.
Kann die Tafel in den größeren Räumen auch mehr Kunden versorgen? Schon vor zwei Jahren hatte der Verein einen Aufnahmestopp für die Ausgabe verhängt, 800 bis 1000 Menschen kommen an den vier Ausgabetagen und holen sich Lebensmittel ab, um damit über die Woche zu kommen. Geht jetzt mehr? Ansbert Kneip schüttelt den Kopf: „Die Lebensmittelspenden sind zurückgegangen“, sagt er. „Außerdem ist die Zahl der Freiwilligen nicht unendlich hoch und die meisten von uns sind Rentner. Man muss die Arbeit auch leisten können.“
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Die Tafeln in Deutschland verteilen Lebensmittel, die in Supermärkten am Ende der Haltbarkeit übrig bleiben. In letzter Zeit sind viele Supermärkte aber dazu übergegangen, solche Ware selbst zu reduzierten Preisen zu verkaufen, anstatt sie zu spenden. „Außerdem kaufen sie vorsichtiger ein als früher“, sagt Kneip.
Alle Sorgen sind also beileibe nicht verschwunden. Aber eine Sorge weniger hat die Tafel Harburg erst einmal. Der Mietvertrag an der Buxtehuder Straße läuft sechs Jahre.