Hamburg. Zahl der Azubis steigt stark, doch sie finden kaum Wohnungen. Auch Anwohnerparken Thema beim Jahresempfang. Tschentscher ungewohnt launig.
Das Hamburger Handwerk blickt nach einem ereignisreichen Jahr 2023 mit gemischten Gefühlen auf 2024. Die politischen Ereignisse hätten die Betriebe in den vergangenen Monaten „ordentlich durchgeschüttelt“, sagte Handwerkskammer-Präsident Hjalmar Stemmann am Montagabend bei der Jahresschlussversammlung vor mehr als 200 Gästen, darunter auch Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD). „Gerade, wenn man meint, eine Riesenherausforderung sei so langsam bewältigt, tut sich bereits die nächste Baustelle auf.“
Positiv bewertete Stemmann, dass die Handwerksberufe für junge Leute offensichtlich wieder attraktiver werden. 2379 neu abgeschlossene Ausbildungsverträge bis Ende November seien 8,3 Prozent mehr als im entsprechenden Vorjahreszeitraum. „Damit liegt das Hamburger Handwerk sehr, sehr deutlich über dem Bundesplus von gerade einmal 1,4 Prozent“, so der Präsident, der zudem erfreut registrierte, dass die Zahl der Neuverträge weiblicher Auszubildender sogar um knapp zehn Prozent zulegte.
Hamburger Handwerksbetriebe stellen Fachkräfte aus dem Ausland ein
Nach Stemmanns Darstellung trägt die Handwerkskammer auch immer stärker zur Gewinnung und Integration von Zuwanderern ins Handwerk bei. Von 175 Bescheiden zur Anerkennung von ausländischen Berufsqualifikationen seien 2023 mehr als 50 ins Ausland gegangen, überwiegend in den Iran, nach Marokko, Albanien und in die Türkei – das Fachkräfteeinwanderungsgesetz mache es möglich, so der Präsident.
Die Hamburger Betriebe seien generell sehr offen für Fachkräfte aus dem Ausland: 2023 habe die Kammer mehr als 270 Beratungsgespräche mit Handwerksbetrieben geführt, 46 Personen in eine feste Stelle vermittelt und rund 50 Fachkräfte aus dem Ausland für einen Job im Umwelthandwerk oder in der Umwelttechnik fortgebildet.
Handwerkskammer-Chef fordert mehr bezahlbaren Wohnraum und Azubi-Wohnheime
Trotz der positiven Tendenz hatte Stemmann auch eine klare Forderung an die Politik: „Wenn wir mehr junge Menschen für eine Ausbildung im Hamburger Handwerk gewinnen möchten, brauchen wir bezahlbaren Wohnraum und auch mehr Kapazitäten in Azubi-Wohnheimen.“ Von den 2500 Plätzen, für die der Senat bis 2030 sorgen wolle, sei noch „wenig zu hören“. Es gebe lediglich Signale, dass bis 2026 rund 350 neue Wohnplätze für Azubis entstehen sollen, so der Kammer-Chef: „Immerhin ein Anfang“.
Mit den politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen zeigte sich Stemmann dagegen alles andere als zufrieden: „Noch im Herbst war die Geschäftslage weitgehend gut. Allerdings setzten auch unseren Betrieben hohe Zinsen, hohe Energiekosten und die gestiegene Inflation zu. Die Konjunktur- und Geschäftserwartungen trüben sich weiter ein.“ Insbesondere personenbezogene Dienstleister wie Kosmetiker, Friseure, Textilreinigungen, Maßschneider und Schuhmacher schätzten ihre Situation als schwierig ein.
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Mit den hohen Energiekosten würden vor allem das Lebensmittelhandwerk, Bäckereien, Fleischereien und Kfz-Betriebe kämpfen, die teilweise von „erheblichen Einbußen“ berichteten, so Stemmann. Die Aussichten schätzten vor allem das Bauhaupt- sowie das Kraftfahrzeuggewerbe als negativ ein, während Gesundheitshandwerke wie Augenoptik, Hörgeräteakustik, Orthopädietechnik und Zahntechnik noch relativ optimistisch seien.
Anwohnerparken: Kammer fordert Handwerkerparkausweise für Hamburg
Scharf kritisierte der Kammer-Präsident, dass die Hamburger Bundesratsinitiative für eine Reform des Anwohnerparkens hin zu einem „Quartiersparken“ gescheitert sei. Wie das Abendblatt berichtete, hatte letztlich die Bundes-FDP diesen Vorstoß ausgebremst, der Handwerksbetrieben mit Sitz in Anwohnerparkgebieten die gleichen Parkrechte wie den Bewohnern bringen sollte. Stemmann: „Das Beispiel illustriert, wie schwer es geworden ist, in unserem Land etwas – und eigentlich nur ein plausibles Detail – im Sinne pragmatischer Lösungen zu verändern.“
Er appellierte an den Senat, in dieser Sache nicht nachzulassen: Es brauche ein Gesetz, „das gut ist für den reibungslosen Wirtschaftsverkehr und damit gut für den Mittelstand in unserer Stadt“. Am liebsten wäre dem Kammer-Chef die Einführung von Handwerkerparkausweisen, also einem generellen Parkausweis für Betriebsfahrzeuge, der die sechs verschiedenen existierenden Ausnahmegenehmigungen in Hamburg bündelt.
Handwerkskammer: Leonhard sieht positive Anzeichen
Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) verwies in ihrer Rede darauf, dass es trotz schwieriger Rahmenbedingungen mit hohen Zinsen, gestörten Lieferketten und Fachkräftemangel auch positive Anzeichen für das Hamburger Handwerk gebe: etwa mehr Auszubildende und eine steigende Zahl an Unternehmensgründungen.
Senat und Handwerkskammer hätten das gemeinsame Ziel, für ausreichend Fachkräfte zu sorgen, um die Herausforderungen auch in der Praxis meistern zu können. Der Senat helfe auch bei Unternehmens-Übergaben und Digitalisierung - hierfür seien auch noch Mittel vorhanden, so Leonhard: „Bitte erzählen Sie das weiter!“
Bürgermeister Tschentscher ungewöhnlich launig
Bürgermeister Tschentscher versuchte in einer für ihn ungewöhnlich launigen Ansprache ebenfalls, gute Laune zu verbreiten – auch wenn ihm angesichts der politischen Rahmenbedingungen nicht so danach sei. Der abgewendete Gas-Mangel und die rückläufige Inflation seien Beispiele dafür, dass sich doch Dinge zum Guten bewegen lassen. Hamburg werde zudem weiter bauen – Schulen Hochschulen und U- und S-Bahnen zum Beispiel. Damit würden dem Handwerk viele Aufträge beschert.
Amüsiert erinnerte Tschentscher daran, dass Bundeskanzler Olaf Scholz von der Opposition im Bundestag als „Klempner der Macht“ verspottet wurde. „Ja, und?“, habe er da gedacht, so der Bürgermeister. „Die meisten Leute freuen sich, wenn der Klempner kommt – der bringt die Dinge in Ordnung.“