Harburg. Fahrplanwechsel: Neue Liniennummern und nur noch Langzüge. Takt soll zuverlässiger werden. Doch am neuen Plan gibt es auch Nachteile.
Am Sonntag ist es so weit: Mit dem jährlichen Fahrplanwechsel startet das neue S-Bahn-Netz. In der ersten Stufe werden die bestehenden Linien neu organisiert und zum Teil umbenannt. In den kommenden Jahren werden noch zwei neue Linien hinzukommen und mehr Fahrgäste befördern können. Eine Entlastung soll aber auch die erste Stufe bereits bewirken: Das Netz soll nicht nur übersichtlicher werden, sondern auch zuverlässiger. Die Harburger werden sich ein wenig umgewöhnen müssen.
Aus den bislang im gleichen Violett-Ton dargestellten Linien S3 und S31 werden S3, (weiter violett) und die azurblaue S5. Und während es bislang die S3 war, die bereits von Stade in Richtung Hamburg fuhr, übernimmt diesen westlichen Ast jetzt die Nachfolgerin der S31, die S5, die in Hamburg dann über die sogenannte Verbindungsbahn (Dammtor-Sternschanze-Holstenstraße) nach Westen fährt. Die S 5 fährt auch häufiger nach Stade und Buxtehude, als die alte S3.
Neuerungen haben auch eine bahntechnische Komponente
Die neuen Liniennummern und -farben in ganz Hamburg sollen den Netzplan übersichtlicher machen. Die zweistelligen Liniennummern für alle Strecken über die Verbindungsbahn entfallen und jede Linie bekommt eine eigene Farbe. Doch neben Nomenklatur und grafischer Darstellung haben die Neuerungen auch eine bahntechnische Komponente. In Harburg ist es diese: Bislang wurde die S-Bahn, die aus Richtung Stade kam, in Neugraben um drei Waggons verlängert und fuhr als sogenannter „Langzug“ mit neun Waggons weiter. Auf dem Rückweg geschah das umgekehrt. Das entfällt. Die neue S5 fährt als „Vollzug“ mit sechs Waggons von Endstation zu Endstation. Dafür gibt es auf der neuen S3 zwischen Neugraben und Pinneberg jetzt wochentags von morgens bis zum frühen Abend Langzüge.
Das „Stärken“ und „Schwächen“ der Züge von und nach Stade in Neugraben erfordert Personal und Zeit. War eins von beiden knapp, geriet entweder der Fahrplan in Verzug oder das Stärken entfiel. Das Schwächen kann nicht entfallen, weil die Bahnsteige westlich von Neugraben zumeist zu kurz für einen Langzug sind und auch nur die zwei „Fahrzeuge“ (à drei Waggons) des Originalzuges die nötigen Stromabnehmer für die ländlichen Oberleitungen haben. Dadurch, dass dieser störungsanfällige Vorgang entfällt, hofft die S-Bahn eine Quelle der viel beklagten Unpünktlichkeit beseitigen zu können. „Wir überarbeiten das Netz, um die S-Bahn zuverlässiger, pünktlicher und komfortabler zu machen“, sagt Hamburgs Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne).
Es gibt eine Fahrplanneuerung, die die Fahrgäste nicht direkt sehen
Der Harburger Bezirksabgeordnete Frank Wiesner (SPD), im Hauptberuf Verkehrsplaner, begrüßt die Maßnahme, sieht aber auch einen Wermutstropfen: „Das Entfallen des Rangierens und Kuppelns spart Personal, das dadurch für den Fahrbetrieb zur Verfügung steht und beseitigt eine häufige Ursache von Verzögerungen“, sagt er. „Dazu kommt, dass im neuen Fahrplan trotzdem noch ein etwas längerer Puffer in Neugraben vorgesehen ist und die Ein- und Aussteigezeiten an den andern Bahnhöfen jetzt realistischer, sprich: länger, kalkuliert werden. Außerdem gibt es eine Fahrplanneuerung, die die Fahrgäste nicht direkt sehen: Die Wendezeiten in Stade, Buxtehude und Elbgaustraße wurden verlängert, so dass kleine Verspätungen hier ausgeglichen werden können, statt sich immer weiter anzuhäufen.“
Allerdings, so Wiesner, wurden die Züge aus Stade nicht ohne Grund in Neugraben gestärkt: Die Verlängerung der Hamburger Stadtbahn aufs Land bis Stade war so erfolgreich, dass die Vollzüge immer schon als ziemlich volle Züge in Neugraben ankamen – und kaum noch Platz darin war. „Das wurde mit den zusätzlichen drei Waggons abgefedert“, sagt Wiesner, „und diese Entlastung entfällt jetzt in der S5. Andererseits wird mit dem Langzugeinsatz auf der S3 alle zehn Minuten ein Zug unterwegs sein, in dem die Hamburger Fahrgäste gut Platz finden.“
Fahrt vom Bahnhof Harburg zum Hauptbahnhof dauert zukünftig 16 Minuten
Sollte in fünf Jahren, so wie jetzt geplant und zwei Jahre später, als zuerst angekündigt, die dritte Harburger Linie, die S6, fertig werden, gibt es für die Hamburger Fahrgäste dann sogar einen Drei-Minuten-Takt. Vor allem aber gibt es dann noch mehr Kapazitäten. Das ist auch notwendig, denn erstens sollen nach dem Willen der Hamburger Verkehrspolitiker ohnehin mehr Menschen auf den öffentlichen Nahverkehr umsteigen und zweitens wächst die Bevölkerung und damit der Bahnbedarf entlang der Strecke durch große Neubaugebiete in Neugraben-Fischbek und Wilhelmsburg stark.
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Eine weitere Neuerung, die nicht direkt den Hamburger Süden betrifft, soll ihm mittelbar zunutze kommen: Durch den Wegfall der alten Linie S11 gibt es vor dem Hauptbahnhof weniger S-Bahn-Fahrten, die bei Bahnhofseinfahrt noch das Gleis wechseln müssen. Gerade in Stoßzeiten hatte es hier gerne mal Staus vor der Kreuzungsweiche gegeben. Diese sollen minimiert werden.
Durch die Anpassung der Einsteigezeiten verlängert sich die Fahrzeit zwischen Harburg und Hauptbahnhof auf 16 Minuten. Zum Vergleich: Bei Eröffnung der Strecke 1983 waren es 13 Minuten, allerdings auch noch ohne den Halt im Bahnhof Elbbrücken, der erst viel später gebaut wurde.. Schon der hatte sich die Fahrzeit auf 15 Minuten erhöht. „Diese Minute, die das länger dauert, ist ja aber keine Böswilligkeit, sondern nur das Anerkennen der Realität“, sagt Frank Wiesner. „Auch das erhöht die Zuverlässigkeit.“