Harburg. Betonplatte am Busbahnhof stark sanierungsbedürftig. Hätte frühzeitiger Check Umbau-Chaos verhindert? Was die Verantwortlichen sagen.
- Der „Doppelknoten“ bezeichnet die wichtigste und meistbefahrene Kreuzung in Harburg
- Hier laufen fünf wichtige Ein- und Ausfallstraßen zusammen
- Seit Anfang des Jahres ist der „Doppelknoten“ eine Großbaustelle
In etwas weniger als zwei Wochen sollte der Harburger ZOB für Jahre des Umbaus gesperrt werden. Kein Bus hätte mehr am Bahnhof halten können, der Ersatzumstieg hätte an der S-Bahn Harburg Rathaus stattfinden müssen. Busse, die den „Harburger Korridor“ von Winsener Straße bis Eißendorfer oder Buxtehuder Straße bedienen, wären durch die Wilstorfer Straße umgeleitet worden.
Am Freitag kündigte die Hochbahn an, dass die Sperrung des ZOB sich bis Sommer verschiebt. Das hat nicht nur für die eigene Baustelle Folgen, sondern auch für den Umbau des gesamten „Doppelknoten“-Kreuzungskomplexes westlich des Bahnhofs.
Kreuzungskomplex in Harburg ist bis in die untersten Schichten verschlissen
Die Erweiterung des ZOB, die Sanierung des Doppelknotens und der Bau von Hamburgs größtem Fahrradparkhaus unterhalb dieser Kreuzung sollten in zahlreichen Schritten – neun teilweise noch in Unterabschnitte aufgeteilte Bauphasen – minutiös aufeinander abgestimmt werden, wie eine Ballettchoreografie. Doch schon in den ersten beiden Abschnitten scheint der erste Tänzer zu stolpern, während der zweite auf der Suche nach seinen Schuhen ist und der dritte auf seinen Einsatz wartet.
Der Kreuzungskomplex ist bis in die untersten Straßenschichten verschlissen und muss grundsaniert werden. Damit hat der Hamburger Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG), der der Verkehrsbehörde untersteht, im vergangenen Sommer begonnen – ein Jahr später als ursprünglich geplant.
Die „Busplatte“ ist sehr viel sanierungsbedürftiger als gedacht
Auf der Hannoverschen Straße ist man zwischen Schlachthofbrücke und ZOB mittlerweile in der zweiten Bauphase angelangt. Mit dem nun anstehenden Fahrplanwechsel wollte die Hamburger Hochbahn (HHA) den ZOB schließen und mit dem Abbau des Schutzdaches der Haltestelle beginnen. Ab März hätten sich Bauphasen drei bis fünf angeschlossen, während derer der ZOB erneuert und erweitert werden soll.
Nun allerdings stellt die Hochbahn fest, dass die sogenannte „Busplatte“ sehr viel sanierungsbedürftiger ist, als man vermutet hatte. Die Platte ist sowohl Dach des unterirdischen Komplexes aus S-Bahnhof, bahneigener Tiefgarage und einiger Bahn-Werkstätten als auch Boden des ZOB.
Hätte man die Platte nicht schon längst begutachten können?
Daher muss nun neu geplant werden, und der ZOB-Baustart verschiebt sich. Was bedeutet das in den nächsten Monaten für den Hamburger Verkehr? „Zurzeit wird geprüft, welche Auswirkungen die von der Hochbahn veröffentlichte Verschiebung für den Straßenbau hat“, heißt es aus der Pressestelle des LSBG.
Das klingt, als sei die Verzögerung allein der HHA geschuldet. Die Hochbahn ist auf der Busplatte allerdings nur zu Gast. Das Betonstück selbst gehört dem LSBG, der auch federführend für die Gesamtmaßnahme ist. Hätte also nicht der LSBG schon einmal im Vorwege die Platte begutachten können, um unangenehme Überraschungen zu vermeiden?
Wann ist die Hannoversche Straße wieder in beide Richtungen befahrbar?
Bei der Hochbahn gibt man sich diplomatisch: „Wir planen dieses Projekt partnerschaftlich und in beidseitiger Absprache“, sagt Hochbahn-Sprecherin Constanze Salgues.
Bleibt es dabei, dass Bauphase 2 pünktlich im März abgeschlossen wird und Bauphase 3 im Juli beginnt, ergäben sich drei Monate, in denen die Hannoversche Straße wieder in beide Richtungen befahrbar wäre. Theoretisch könnten dann auch die Busse in Richtung Wilstorf eine Zeitlang wieder den alten Weg über den Bahnhof nehmen. „Wenn sich ein Zeitraum ergibt, der lang genug ist, können wir das machen“, sagt Constanze Salgues, „es sei denn, in dieser Zeit würden bereits andere Baumaßnahmen vorgezogen und diese Möglichkeit ausschließen.“
Haben Autofahrer bald wieder freie Bahn vor dem Bahnhof?
„Da eine Prüfung der Folgen der Verschiebung noch nicht abgeschlossen ist, kann hier keine finale Aussage getroffen werden“, sagt hingegen LSBG-Sprecherin Edda Teneyken. „Die Bauphasen 6 bis 9 werden voraussichtlich nicht vorgezogen, auch nicht teilweise. Das Vorziehen einzelner Bauphasen des Doppelknotens würde zu einer Parallelität von Bauzwischenständen führen, die für die Leistungsfähigkeit des Verkehrs in der Zeit nicht hinnehmbar wäre.“
Zumindest für Autofahrer deutet also alles darauf hin, dass im zweiten Quartal 2024 zunächst einmal freie Bahn vor dem Bahnhof herrscht – und das in beide Richtungen.
Danach würde die Hannoversche Straße wieder zur Einbahnstraße in Richtung Westen werden und der ZOB gesperrt. Während der folgenden drei Bauphasen erhält der Busbahnhof eine zweite kleine Haltestelleninsel auf der Hannoverschen Straße und ein neues Dach, das beide Businseln und die Spur für den Durchgangsverkehr überspannt.
Die Sanierung der Hannoverschen Brücke ist bereits abgeschlossen
Ab 2025 sollen dann in weiteren drei Phasen die Moorstraße, die Buxtehuder Straße und die Walter-Dudek-Brücke saniert werden. Die Sanierung der Hannoverschen Brücke ist bereits abgeschlossen. Sie musste wegen Baufälligkeit vorgezogen werden.
Können sich die Harburger also ein Vierteljahr lang an „Bus-Business as usual“ erfreuen, bevor sie für zwei Jahre am Bahnhof Harburg-Rathaus umsteigen müssen? Der Grünen-Bezirkspolitiker Michael Sander, Vorsitzender des Mobilitätsausschusses, findet das keine gute Idee: „Die Busse in Richtung Wilstorf werden zu dem Zeitpunkt schon neun Monate auf der Ausweichroute gefahren sein“, sagt er. „Das dann für eine kurze Zeit noch einmal zu ändern, würde nur Verwirrung stiften, und damit Verärgerung.“
Harburger CDU befürchtet, dass der ZOB-Umbau Opfer ihrer Schuldenbremse wird
Der CDU-Bezirksabgeordnete Rainer Bliefernicht hat hingegen eine ganz andere Befürchtung: „Nachdem wir Christdemokraten erfolgreich gegen die Aufweichung der Schuldenbremse geklagt haben, stehen viele Förderprogramme des Bundes auf dem Prüfstand“, sagt er. „Das könnte auch den ZOB-Umbau treffen!“
Die Bezirks-CDU hat deswegen bereits eine Kleine Anfrage an die Verwaltung gestellt. Sie will wissen, welche Projekte in Harburg von der Klage ihrer Parteifreunde aus der Unions-Bundestagsfraktion nun bedroht sind.
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Von der Verzögerung auf alle Fälle betroffen werden die Harburger S-Bahn-Pendler im Sommer und Herbst 2025 sein. Dann werden wochenlang die Bahnverbindungen zwischen Harburg und Hamburg gekappt, weil Hilfsbrücken über die Baustelle der Autobahn A26-Ost in Wilhelmsburg eingesetzt werden.
Eigentlich sollte der Busersatzverkehr dafür über den sanierten ZOB abgewickelt werden. Der ist dann allerdings noch nicht fertig. Der Grünen-Verkehrspolitiker und A26-Kritiker Michael Sander sieht das gelassen: „Wer weiß, ob die Autobahn überhaupt noch gebaut wird“, sagt er. „Und wenn, ob sie dann im Zeitplan liegt und die Bahn die Sperrpausen zu diesem Zeitpunkt überhaupt braucht.“