Neugraben. Inhaber macht Fahrrad-Center in Kürze dicht. Schließung reißt nächste Lücke ins Zentrum. Welche Räder im Ausverkauf zu haben sind.
Der Aushang an der Ladentür überraschte viele Kunden: Das Fahrrad-CenterNeugraben wird schließen. Obwohl es das Geschäft erst wenige Jahre gab, wurde es von den Neugrabenern angenommen, als wäre es schon seit Generationen in der Marktpassage. Die Schließung, wird, wenn man die Neugrabener fragt, eine Lücke ins Angebot des Neugrabener Zentrums reißen, wo erst kürzlich andere Geschäfte schlossen.
Aber wenn das Fahrrad-Center so gut angenommen war, warum schließt es dann? Wenn man Inhaber Lars Röttger fragt, merkt man es schnell: Er hat die Nase voll! Nicht von Fahrrädern, Kunden oder Mitarbeitern. All das liebt er. Die Nase voll hat er von den Behörden der Hansestadt und des Bundes. Die machen Auflagen und stellen An- und Rückforderungen, die sein Geschäft in der Summe überfordern, sagt er.
Fahrradladen in Neugraben schließt: Behörde fordert Tageslicht für die Keller-Werkstatt
„Ich soll Umbauten an meiner Werkstatt vornehmen, damit ich sie weiter betreiben darf“, sagt Röttger. „Gleichzeitig soll ich Corona-Hilfen zurückzahlen und muss ständig neue Dokumentationspflichten erfüllen. Das geht so nicht mehr!“
Röttgers Werkstatt liegt im Untergeschoss, unter dem Verkaufsraum. Die Behörde für Justiz und Verbraucherschutz sieht darin ein Problem: Ein ordnungsgemäßer Arbeitsplatz braucht Tageslicht, so sieht es die Arbeitsstättenverordnung vor. Für eine ausreichende Belüftung ist außerdem zu sorgen. Dafür schlicht die Tür geöffnet zu halten, scheint der Behörde nicht auszureichen. Röttger soll eine Belüftung einbauen. Überhaupt soll er für seine Arbeitsplätze von einem externen Gutachter eine Gefährdungsbeurteilung anfertigen lassen. All das sind allgemeingültige Vorschriften. Ihre Umsetzung kostet allerdings Geld.
Corona-Hilfen: Geschäftsführergehalt muss zurückgezahlt werden
Das würde Röttger vielleicht noch investieren, wenn da nicht noch etwas anderes wäre: die Corona-Hilfen. Einen Teil davon soll Röttger nämlich zurückzahlen. Den Teil, mit dem er als Inhaber der „Dynamic Motion GmbH“, die das Fahrrad-Center betreibt, den Geschäftsführer der Gesellschaft entlohnte. Das ist er selbst. Grundsätzlich finden die Behörden das nicht verwerflich, solange das Geschäftsführergehalt auch in der Zeit vor Corona schon regelmäßig gezahlt wurde. Das nachzuweisen, fällt Röttger schwer. Immerhin war die Zeit unmittelbar vor Corona die Gründungsphase des Unternehmens.
„Mit den geforderten Umbau-Investitionen und der Rückzahlung kommt eine Summe zusammen, die nicht mehr wirtschaftlich zu finanzieren ist. Deshalb höre ich auf und setze mich zur Ruhe“, sagt der 51-Jährige.
Von seinen ehemals sechs Angestellten sind bereits zwei gegangen, deren befristete Verträge ausliefen. Die verbleibenden vier helfen noch beim Ausverkauf und beim Abarbeiten der Reparatur- und Umrüstungsaufträge. „Derzeit sind Zweiradmechaniker gesucht“, sagt Lars Röttger. „Sie dürften keine Schwierigkeiten haben, einen neuen Arbeitsplatz zu finden, nur so nah an ihrem Wohnort wird das nicht mehr sein.“
Die Nähe zum Wohnort war auch etwas, das die Fahrrad-Center-Kunden schätzten. Der nächste Fahrradhändler ist nun in Neu Wulmstorf oder Harburg zu erreichen, und eine kleine Werkstatt gibt es noch in Hausbruch. „Das ist ein echter Verlust für den Stadtteil“, sagt Britta Ost aus Fischbek, Grünen-Bezirksabgeordnete, begeisterte Radfahrerin und Fahrrad-Fachjournalistin. „Vor allem, nachdem nebenan schon der Outdoor- und Wanderbedarfs-Laden geschlossen hat und auch der italienische Lebensmittelhändler aus dem Neugrabener Zentrum verschwunden ist.“
Neugraben: Interessenten hätten Fahrradladen gern gekauft – scheiterten aber
Für die Radfahrer bedeute diese Schließung, dass sie jetzt im Fall einer Panne schon wieder nicht mehr einfach ihr Rad in Richtung Markt schieben können, sondern sich eine Transportmöglichkeit suchen müssen, sagt Ost: „Wir haben in den letzten Jahren eine erfreuliche Steigerung der Radfahrer-Zahlen in der Region erlebt. Die Bequemlichkeit, mit der man das Fahrrad-Center erreichen konnte, hat dazu bestimmt beigetragen!“
Lars Röttger hatte auch Interessenten für sein Geschäft. „Aber auch die hatten Probleme mit den Auflagen“, sagt er. „Sie hätten vielleicht den Kaufpreis für die verbliebene Ware bezahlen können, die Umbauten hätten sie aber finanzieren müssen. Da haben deren Banken nicht mitgespielt.“
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Der Ausverkauf geht noch einige Zeit. Lars Röttgen schätzt, dass er noch den ganzen November dazu braucht. Bis dahin kann man hier noch Fahrräder deutscher Hersteller – Importe kommen Röttger nicht ins Haus – günstig und wohnortnah erwerben. Danach werden die Wege wieder weiter.