Harburg/Lüneburg. Umfrage bei 160 Betrieben im Süden von Hamburg. In welcher Branche der Pessimismus besonders hoch ist – und welche dem Trend trotzt.

Die Stimmung der Unternehmen im Wirtschaftsraum Nordostniedersachsen – und damit auch im Landkreis Harburg – hat sich zum Herbst hin weiter verschlechtert. „Die Ergebnisse unserer Konjunkturumfrage sind besorgniserregend“, sagt Michael Zeinert, Hauptgeschäftsführer Industrie- und Handelskammer Lüneburg-Wolfsburg (IHKLW). Die IHK Lüneburg-Wolfsburg bündelt die Interessen von 70.000 gewerblichen Unternehmen gegenüber Politik und Verwaltung. Sie berät zu zahlreichen Themen des Betriebsalltags und bildet heutige und künftige Mitarbeiter der Unternehmen aus und weiter.

Für die Konjunkturumfrage der Kammer haben im September und Oktober 160 Betriebe aus den Landkreisen Harburg, Heidekreis, Lüneburg, Lüchow-Dannenberg, Uelzen und Celle ihre aktuelle und künftige Wirtschaftslage eingeschätzt. Ergebnis: Der Konjunkturklimaindikator fällt im Vergleich zum zweiten Quartal 2023 um fünf Punkte auf einen Stand von 76 Punkten.

Wirtschaft im Landkreis Harburg: Das sind die Gründe für die trüben Aussichten

Nachdem er bereits im Vorquartal einen starken Rückschlag erlitten hatte, liegt der Indikator damit wieder auf dem niedrigen Niveau, das bereits nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs herrschte. Zwar zeigen die Zahlen auch, dass die tatsächliche Lage der regionalen Betriebe immer etwas besser ist, als ihre Prognose, aber diese Kurve verläuft im Wesentlichen parallel zur Einschätzung.

Alles in allem ergibt sich eine prekäre Gemengelage.
Michael Zeinert, Hauptgeschäftsführer der IHKLW

Worunter die Unternehmen aus der Region derzeit besonders leiden, fasst IHKLW-Hauptgeschäftsführer Michael Zeinert so zusammen:

  • Hohe Energiekosten
  • Gestiegene Preise für Vorprodukte
  • Zunehmende Arbeitskosten
  • Gewachsene Zinsbelastung

Zusätzlich sei die regionale Wirtschaft diesen allgemeinen Herausforderungen ausgesetzt:

  • Arbeits- und Fachkräftemangel
  • Enormer Anpassungsdruck im Zuge der Transformation (zu mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz)
  • Starke Belastungen durch überbordende Bürokratie und neue Gesetzesvorgaben
  • Auswirkungen der fortschreitenden globalen außen- und sicherheitspolitischen Polarisierung

So lautet das Zitat von Michael Zeinert zu den Konjunkturergebnisse für das dritte Quartal 2023 im Original:

„Die regionale Wirtschaft leidet unter hohen Energiekosten, gestiegenen Preisen für Vorprodukte, zunehmenden Arbeitskosten sowie unter der gewachsenen Zinsbelastung. Hinzu kommen grundlegende Herausforderungen wie der allgegenwärtige Arbeits- und Fachkräftemangel, der enorme Anpassungsdruck im Zuge der Transformation zu mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz, starke Belastungen durch überbordende Bürokratie und neue Gesetzesvorgaben sowie die Auswirkungen der fortschreitenden globalen außen- und sicherheitspolitischen Polarisierung“, kommentiert IHKLW-Hauptgeschäftsführer Michael Zeinert die Konjunkturergebnisse für das dritte Quartal 2023: „Alles in allem ergibt sich daraus eine prekäre Gemengelage, die der heimischen Wirtschaft mächtig aufs Gemüt schlägt.“

Auch der regionale Großhandel findet die Zukunftsaussichten unschön.
Auch der regionale Großhandel findet die Zukunftsaussichten unschön. © Amin Akhtar | Amin Akhtar

Welche Branche besonders negativ in die Zukunft blickt – und wer positiv gestimmt ist

Den stärksten Verlust verzeichnet der Großhandel mit einem aktuellen Konjunkturklima-Indikator von lediglich 45 Punkten – 15 Punkte weniger als im Sommer. Einbußen gibt es auch in der Industrie, die gegenüber dem Vorquartal zwölf Punkte verliert und auf 75 Punkte zurückfällt.

Lichtblicke sind dagegen bei der regionalen Dienstleistungswirtschaft und beim regionalen Einzelhandel zu vermelden, die gegen den Landestrend zulegen. Die Dienstleistungsbranche legt im Herbst um zwölf Punkte zu und bleibt mit 97 Punkten an der Spitze des Konjunkturzuges. Gefolgt vom Einzelhandel, der sich mit einer Steigerung um 15 Punkte auf 94 Punkte verbessert.

Das sollte neben den klassischen Mittelstandslobbyisten auch Sozialpolitiker aufhorchen lassen, denn Großhandel und Industrie sind die Branchen, in denen der Anteil an regulären, tarifgebundenen und vor allem sozialversicherungspflichtigen Vollzeitarbeitsplätzen noch am höchsten ist, während in Einzelhandel und Dienstleistung ein großer Anteil an „irregulären“ Beschäftigungsverhältnissen, wie Mini- und Mindestlohnjobs vorhanden ist. Für die Sozialkassen ist das kein gutes Vorzeichen.

An eine Verbesserung der Geschäftslage glaubt nur noch jedes zehnte Unternehmen

Die Stimmung der befragten Unternehmen ist laut IHKLW angespannt: Im Moment bezeichnet nur noch jedes fünfte Unternehmen seine Geschäftslage als gut. Knapp die Hälfte schätzt sie wenigstens als befriedigend ein. Jeder dritte Betrieb beurteilt seine momentane Situation hingegen als schlecht. Und auch der Blick in die Zukunft, auf die geschäftlichen Aussichten für die kommenden zwölf Monate, sei getrübt: Die zuvor schon ausgeprägte Skepsis habe sich weiter vertieft.

Mittlerweile rechnen 43 Prozent der befragten Betriebe mit geschäftlichen Einbußen im kommenden Jahr. 47 Prozent meinen, das Geschäftsniveau zumindest halten zu können. An eine Verbesserung der Geschäftslage glaubt inzwischen nur noch jedes zehnte Unternehmen. Düsterer sind die Prognosen bisher nur zum Höhepunkt der Corona-Krise und infolge des Schocks nach dem Beginn des Kriegs in der Ukraine ausgefallen.

IHK-Lüneburg-Wolfsburg-Hauptgeschäftsführer Michael Zeinert
IHK-Lüneburg-Wolfsburg-Hauptgeschäftsführer Michael Zeinert © IHK | IHK

„Spätestens jetzt muss klar sein, dass es einen schnellen und klaren Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik braucht“, sagt Michael Zeinert: „Hier sind alle politischen Ebenen gefordert. Anstatt immer neue Bürokratiemonster zu erschaffen, muss die Politik dafür sorgen, dass die Innovationskraft, wirtschaftliche Stärke und Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft wiederhergestellt werden.

Die Unternehmen können erst dann wieder mehr Zuversicht schöpfen, wenn die Rahmenbedingungen es zulassen. Das Gebot der Stunde ist daher eine breit angelegte wirtschaftspolitische Reformagenda.“