Harburg. Schon vor dem letzten Verkaufstag am 17. Juni ist in dem Kaufhaus kaum noch Ware erhältlich. Bistros im Erdgeschoss bleiben bestehen.

Ein kleines Grüppchen von einem halben Dutzend Kunden versammelt sich am Donnerstagmorgen kurz vor zehn Uhr vor dem Eingang der Harburger Karstadt-Filiale. In wenigen Tagen wird sich die Tür nicht mehr öffnen: Karstadt Harburg wird nach dem letzten Verkaufstag am Sonnabend Geschichte sein. Die wenigen Menschen, die jetzt noch das Warenhaus betreten, werden von einem Aufsteller empfangen, auf dem in großen Lettern steht: „Noch 2 Tage“.

Nach gut 60 Jahren als Karstadt-Kaufhaus wird das markante Gebäude am Harburger Ring/Schlossmühlendamm am 17. Juni in einen Tiefschlaf versetzt. Viel Auswahl werden neugierige Kunden, die am letzten Verkaufstag das Haus betreten, nicht mehr haben: Nach mehreren Wochen Ausverkauf wurde eine Etage nach der anderen geschlossen und einst große Abteilungen auf spärlich bestückte Restposten-Regale reduziert.

Karstadt Harburg gibt es nur noch als Restposten im Erdgeschoss

Eine kleine Gruppe von Verkäuferinnen bereitet den drittletzten Verkaufstag vor. Vor wenigen Stunden vermeldete der NDR, dass bereits an diesem Donnerstag Schluss sei. Das stimme nicht, sagen die Angestellten. Sie seien gerade von der Geschäftsleitung informiert worden, dass es bei der angekündigten Schließung am 17. Juni bleibe. Vermutlich werden im Laufe des Sonnabends die Türen endgültig geschlossen – zu dem Zeitpunkt, an dem es nichts mehr zu verkaufen gibt.

Eine der Verkäuferinnen ist Valerie Meyer. Sie gehört zum jüngeren Teil der Belegschaft und hat einen neuen Job gefunden: „Ich fange bei Elbedruck in Sinstorf an. Dort hatte ich bereits einen Probetag – für mich ist alles schön.“ Sie wohnt auch in Sinstorf.

„Jetzt wollen wir nur noch, dass das hier endet“

Viele jüngere Kollegen seien woanders untergekommen, sagt Meyer. „Ich habe von vielen gehört, die nach ein, zwei Bewerbungen einen neuen Job gefunden haben. Die Älteren möchten meist nichts Neues mehr und gehen erst einmal in die Auffanggesellschaft.“ Dort erhalten sie bis Ende des Jahres Kurzarbeitergeld in Höhe von 60 Prozent ihres Lohnes (Familien 67 Prozent). Die Stimmungslage beschreiben die drei Kolleginnen so: „Wir sind natürlich alle traurig. Aber jetzt wollen wir nur noch, dass das hier endet.“

Die aktuelle Arbeitsbelastung des verbliebenen Verkaufspersonals sei durch den Abverkauf bis zum Schluss enorm hoch, sagt Heike Lattekamp, stellvertretende Landesleiterin der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) in Hamburg. „Auch die psychische Belastung ist riesig. Die Beschäftigten sind teilweise total erschöpft und haben große Zukunftsängste.“

ver.di: Statt zu investieren hat Eigentümer Geld aus dem Unternehmen gezogen

„So geht man nicht mit Menschen um, die 20, 30 oder noch mehr Jahre im Unternehmen beschäftigt waren“, sagt die Gewerkschafterin. „Sie haben über Jahre auf Geld verzichtet, um ihre Arbeitsplätze zu sichern. Die Kollegen und Kolleginnen haben trotz der unsicheren Situation jeden Tag gute Arbeit geleistet. Nicht jedoch das Management und der Eigentümer: Während der Eigentümer, statt zu investieren, Geld aus dem Unternehmen gezogen hat, hat das Management seine Hausaufgaben nicht gemacht und das Unternehmen nicht neu aufgestellt.“

Zwei Tage vor dem Schließungstag ist das traditionsreiche Harburger Kaufhaus auf die unteren beiden Etagen zusammengeschrumpft. Im Erdgeschoss findet sich die letzte vorhandene Ware – rund drei Viertel aller Regale sind auch hier leergeräumt. Es gibt bis zu 80 Prozent Rabatt auf fast nichts.

Im Untergeschoss wird die Möblierung verramscht. Aus der vor zwei Wochen noch großen Gruppe der weißen und schwarzen Schaufensterpuppen ist ein Grüppchen aus ganzen Figuren, Torsi und Unterleiben geworden. Auch die meisten anderen Deko-Artikel haben inzwischen Abnehmer gefunden.

Karstadt war seit 1927 in Harburg vertreten

Sang- und klanglos wird Karstadt am 17. Juni seine Türen schließen. Damit endet eine fast 100-jährige Geschichte – Karstadt ist seit 1927 am Standort Harburg vertreten. 1944 wurde das alte Kaufhaus durch Bomben zerstört. 1962 ging der Verkauf an gleicher Stelle in dem neu erbauten heutigen Gebäude weiter.

Der in der Filiale eingemietete Uhren- und Schmuckservice Rewa hat die Straßenseite gewechselt und befindet sich nun am Harburger Ring 17. Der türkische Imbiss Fat Bro’s am Harburger Ring und der Bistro am Schlossmühlendamm bleiben dagegen in ihren Ladengeschäften im Erdgeschoss und sorgen dafür, dass das Gebäude nicht komplett leer steht.

Auch die Schaufenster sollen nicht einfach nur verklebt oder mit Spanplatten vernagelt, sondern gestaltet werden. Dazu gibt es mehrere Ideen. Anzuschauen könnte es zukünftig beispielsweise Harburg-Informationen oder auch Inhalte des Stadtmuseums Harburg geben.