Harburg. Stadtmuseum Harburg präsentiert Ausstellung mit Fotos aus den 60er- und 70er-Jahren und stellt aktuelle Aufnahmen gegenüber.
Nach wie vor bildet die Lüneburger Straße das Rückgrat der Harburger City. Seit 1975 Fußgängerzone, ist sie das Filetstück einer historischen Achse, die vom Binnenhafen zu den Phoenix Gummiwerken und dem Bahnhof führte, bestehend aus Harburger Schloßstraße, Schloßmühlendamm, Lüneburger und Wilstorfer Straße. Diesem Straßenzug widmet das Stadtmuseum Harburg eine Ausstellung im Rahmen seiner Reihe Stadt.Land.Foto.
Grundlage ist das Fotoarchiv des Harburgers Gerhard Beier
„Wir zeigen die Lüneburger Straße mit Aufnahmen aus den 1960er- bis Mitte der 70er-Jahre und stellen ihnen aktuelle Aufnahmen zur Seite. Es wird ein fotografischer Stadtspaziergang mit relativ wenig Begleittext“, sagt Jens Brauer, Historiker des Stadtmuseums Harburg. Die Dokumentation basiert auf dem umfangreichen Fotoarchiv des Harburgers Gerhard Beier (1925–2010), der als Fotoreporter der Harburger Anzeigen und Nachrichten Ereignisse und das Alltagsgeschehen im Bild festhielt und damit auch das damalige Harburger Stadtbild dokumentierte.
Beiers Fotoarchiv umfasst rund 190.000 sorgfältig beschriftete Negative aus dem Zeitraum 1952 bis 1991, die allmählich von Museumsmitarbeiterin Joanna Kadlubowska und Helfern digitalisiert sowie mit Datum und Ortsangaben versehen werden. Im Mai 2020 gab es bereits eine Sonderausstellung über Harburg in den 1950er-Jahren mit Fotos des Pressefotografen. Es war der Startschuss der Reihe Stadt.Land.Foto.
190.000 Negative werden systematisch digitalisiert und beschriftet
„Wir arbeiten den Fotobestand chronologisch auf und wollen die Bilder dann auch zeitnah zeigen“, so Brauer. Das älteste Bild der neuen Ausstellung stammt aus dem Jahr 1959, die jüngsten aus 1975. Das spiegelt den Stand der Aufarbeitung des beierischen Fotoarchivs wider. Bislang sind fast 83.700 Fotos aus dem Zeitraum 1952 bis 1976 mit Datum und Ortsangabe erfasst.
Die meisten der in der Ausstellung präsentierten Bilder zeigen ein geschäftiges Harburg der Nachkriegszeit. Die Menschen sind am Einkaufen, sie tragen prall gefüllte Taschen. Und es sind auf der Hauptschlagader Lüneburger/Wilstorfer Straße viele Autos unterwegs, dazu Busse und Straßenbahnen – die Lüneburger Straße wurde erst 1976 im Rahmen der Umgestaltung der Innenstadt beim S-Bahn-Bau zur Fußgängerzone. Aber dieses Thema wird Gegenstand der nächsten Sonderausstellung sein.
Eigenes Thema: Umgestaltung der Innenstadt beim S-Bahn-Bau
Jetzt geht es zunächst um den Übergang von einer vom Krieg zerstörten zu einer prosperierenden Stadt. Brauer: „In den 1960er-Jahren ist der Aufschwung in vollem Gang und dauerte bis zur ersten Ölkrise im Jahr 1973 an. In den Straßenbildern entdeckt man immer wieder Kleinstgeschäfte, einstöckige Läden anstelle von zerstörten Häusern. Sie wurden auf den von Trümmern befreiten Brachflächen errichtet.“
Die Lüneburger Straße sei aufgrund ihrer Bedeutung für Harburg bevorzugt wieder aufgebaut worden, sagt der Stadthistoriker. Aber man dürfe sich von den recht intakt wirkenden Fassaden nicht täuschen lassen: „In den Hinterhöfen standen viele beschädigte Häuser, die nur notdürftig repariert waren. Die meisten wurden später abgerissen.“
Karstadt-Gebäude einer der ersten Neubauten im modernen Stil
Zu den ersten Neubauten im modernen Stil gehörte 1962 das Karstadt-Gebäude. Es war Vorbote einer Entwicklung, die in vielen Städten geschah: Die City wurde als Geschäfts- und Bürobereich aus- und umgebaut. Dazu gehört die „autogerechte Stadt“ mit großzügigen Straßen und Parkplätzen – viele Brachflächen wurden als unbefestigte Parkplätze genutzt. Gewohnt wurde woanders, etwa in den in den 1970er-Jahren fertiggestellten Hochhaussiedlungen Kirchdorf-Süd und Neuwiedenthal.
Joanna Kadlubowska hat die auf den Bildern dokumentierten Örtlichkeiten besucht und eine aktuelle Aufnahme gemacht. Das Zusammenspiel der alten und jungen Bilder sei sehr interessant, sagt Brauer. Denn die damalige Verkehrsachse ist heute kaum noch nachzuvollziehen. Im Bereich von Karstadt hat der 1982 eröffnete Harburger Ring die alte Hauptverbindung durchtrennt. Noch gravierender sei die Schließung des Bahnübergangs zur Harburger Schloßstraße gewesen, so Brauer. An dessen Stelle traten Anfang der 1980er-Jahre die Seehafenbrücke für den motorisierten Verkehr und die Fußgängerunterführung an der Neuen Straße.
Verbindung zwischen Schloßstraße und Schloßmühlendamm gewünscht
Bis heute ist der nördlich der Bahngleise liegende Binnenhafen mit seiner historischen Schloßstraße durch die Bahntrasse und die B 73 von der Harburger Innenstadt getrennt. Stadtplanern, Lokalpolitikern und Geschäftsleuten ist das seit langem ein Dorn im Auge. Derzeit wird geprüft, ob der Schloßmühlendamm durch eine Unterführung oder eine Brücke wieder mit der Schloßstraße verbunden werden kann. Das sieht unter anderem der Rahmenplan für die Innenstadt-Entwicklung Harburg 2040 vor.
Die Ausstellung „Die Lüneburger Straße gestern und heute“, 17. März bis 19. Juni 2022, Eintritt: 6 Euro (erm. 4 Euro, bis 17 Jahre frei). Öffnungszeiten: Di–So, 10–17 Uhr im Stadtmuseum Harburg, Museumsplatz 2, 21073 Hamburg