Harburg. Harburger Unternehmen sind gut durch Corona-Krise gekommen. Jetzt spitzt sich die Situation aber zu. Das sind die Befürchtungen

Die Unternehmen im Bezirk Harburg und der Süderelbregion haben die Corona-Pandemie überwiegend gut überstanden. Sehr viel stärker wirkt sich der Ukraine-Krieg auf die 270 Mitgliedsunternehmen des Wirtschaftsvereins für den Hamburger Süden aus.

Das berichtete die Vereinsvorsitzende Franziska Wedemann am Dienstagabend dem Wirtschaftsausschuss der Bezirksversammlung. Weniger als fünf Prozent der Unternehmen mussten wegen Corona staatliche Überbrückungshilfen beantragen, so Wedemann. Inzwischen habe sich die Situation jedoch verschärft und sei für manche Betriebe existenzbedrohend.

Handwerkskammer: Folgen werden immer dramatischer

Andreas Kuttenkeuler, der bei der Handwerkskammer für die Bezirke zuständig ist, betonte die sehr unterschiedliche Betroffenheiten ihrer Mitgliedsbetriebe während der Pandemie. „Viele Handwerksbetriebe haben nach wie vor viel zu tun“, sagte Kuttenkeuler. Durch die Pandemie schwer gelitten haben jedoch „Körperhandwerker“ wie die Friseure. „Sie mussten ihre Läden zeitweise schließen. Und haben zum Teil an sieben Tagen in der Woche gearbeitet, um die Verluste wieder aufzuholen.“

Mit dem Abflauen der Pandemie habe sich unter den Betrieben im Frühjahr ein „gesunder Optimismus“ entwickelt. Doch die Stimmung sei inzwischen durch den Krieg in Osteuropa stark eingetrübt: „Die Auswirkungen der Logistik und Lieferproblematik mitsamt ihren Beschaffungs- und Preisverwerfungen bei Energie und Material in Folge des fortschreitenden Ukraine-Kriegs und des Lockdowns in China werden immer dramatischer“, berichtete Kuttenkeuler.

Franziska Wedemann schilderte beispielhaft Folgen für den eige nen Betrieb, dem Backhaus Wedemann: „Ich habe gerade Weizenmehl eingekauft – der Weizenpreis hat sich verdoppelt. Die Mühle, mit der wir seit vielen Jahren zusammenarbeiten, hat mich gedrängt, jetzt schon den Herbstbedarf anzumelden, um die Verfügbarkeit möglichst sicher zu stellen. So etwas habe ich noch nicht erlebt. Das kenne ich nur von den Erzählungen meines Großvaters aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs.“

Diejenigen Unternehmen, die im Energiesektor keine langfristigen Kontakte abgeschlossen haben, haben jetzt „extreme Probleme“, sagte Wedemann. Sie habe Zweifel, dass die Unternehmen in dieser Krise wie bei der Pandemie durch öffentliche Gelder aufgefangen werden können und fragte in die Runde: „Wie stark, wie lange kann die öffentliche Hand das durchhalten? Wie viel soll der Staat noch bezahlen? Und wie wird er sich das Geld zurückholen?“ Auch Corona-Hilfen müssten zurückgezahlt werden.

Entwicklung der Energiepreise ist größtes Risiko geworden

Die Entwicklung der Energiepreise sei zum größten Risiko geworden, noch vor dem Fachkräftemangel. Und auch der sei weiterhin gravierend, sagte Heiner Schote von der Handelskammer Hamburg. Im Einzelhandel hätten während der Pandemie einige Branchen, etwa der Lebensmittelhandel, Umsatzzuwächse verzeichnet, während vor allem Bekleidungsgeschäfte große Einbußen hatten: „Die Kleidung war weniger wichtig. Viele Menschen arbeiteten im Homeoffice, nicht im Büro. Sämtliche Feiern und sonstige Zusammenkünfte mussten ausfallen.“

Das staatliche Kurzarbeitergeld habe viele Arbeitsplätze erhalten, sagte Schote. Aber in stark betroffenen Branchen wie Tourismus und Gastronomie seien Arbeitskräfte abgewandert, die jetzt für eine wirtschaftliche Erholung fehlten. Ein besonderes Problem seien die unterschiedlichen Corona-Regeln in Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein gewesen, so Schote. Geschäfte im restriktiveren Hamburg haben mitansehen müssen, wie ihre Kundschaft ein paar Kilometer weiter stadtauswärts einkaufte. „Manche Kunden werden nach Aufhebung der Regeln zurückgekommen sein. Andere Kunden sind verloren.“

Handelskammer mit Senat im Gespräch wegen Corona-Welle

Die Handelskammer sei mit dem Senat im Gespräch hinsichtlich der nächsten drohenden Corona-Welle im Herbst. Dabei gehe es vor allem um zwei Punkte: „Hamburg sollte so wie die benachbarten Bundesländer handeln. Und die Regeln müssen frühzeitig kommuniziert werden, damit die Geschäftsinhaber sich darauf einstellen können.“ Zu Beginn seien Regeln, die am Sonnabend um null Uhr in Kraft traten, oft erst Freitagnachmittag verkündet worden. Später geschah dies meist auf den dienstags stattfindenden Landespressekonferenzen. Aber auch dann seien die konkreten Verordnungen erst meist an den Freitagen publiziert worden.

Währenddessen droht im Herbst weiteres Ungemach: Im Oktober wird der Mindestlohn angehoben. „Das wird durch das gesamte Gehaltsgefüge gehen“, prognostiziert Franziska Wedemann. „Wenn die Mitarbeiter der unteren Lohnstufe mehr Geld erhalten, dann fordern auch die Kollegen mit höheren Gehältern Lohnerhöhungen.“ Alle drei Referenten waren sich einig: Die Betriebe werden die höheren Beschaffungspreise und Gehälter an ihre Kundschaft weitergeben müssen.