Heimfeld. Viele Tierarten und sehr unterschiedliche Strukturen sind die ökologischen Trümpfe des Waldes östlicher der Autobahn 7

Auf den ersten Blick wirkt das Heimfelder Holz östlich der Autobahn 7 wie ein ganz normaler naturnaher Wald. Doch das rund 88 Hektar große Areal ist besonders artenreich und bietet vor allem Fledermäusen und seltenen Käfern Lebensräume, die in Hamburg kaum noch zu finden sind. Deshalb ist der Wald nun Naturschutzgebiet geworden. Das sechste im Bezirk Harburg.

Ein wunderschöner Laubwald im Frühling: Frisches Grün beherrscht das Bild, lädt zum Wandern ein. Wer genauer schaut, entdeckt viel Altholz – am Boden, aber auch noch stehend zwischen gesunden Bäumen. „Altholz sollte generell in einem gewissen Maße in Hamburger Wäldern liegen bleiben“, sagt Naturschutzwart Manuel Krause von der Umweltbehörde. „Es bietet Lebensraum für viele Insektenarten, für Schwarz-, Grün- und Grauspecht und für viele Holz bewohnenden Pilzarten.“

Der Wald soll sich zu einem Buchen-Kiefern-Mischwald entwickeln

Die Frühjahrsstürme haben dazu beigetragen, dass in Heimfeld jetzt besonders viel Holz am Boden liegt. Meist hat es Fichten getroffen – der Starkwind leistete damit seinen Anteil am behördlichen Ziel, den Wald zu einem Buchen-Kiefern-Mischwald werden zu lassen. Krause: „Für Fichten passt dieser Standort nicht. Dadurch werden sie leicht rotfaul. Der Pilz schwächt die Bäume. Das macht sie windanfällig.“ Holz, das vermarktet werden kann, wird in diesen Tagen per Trecker aus dem Wald geholt. Alles andere bleibt liegen. Auch die Asthaufen am Wegesrand. Für Heckenbrüter wie Zaunkönig und Rotkehlchen, erläutert Krause. „Sie mögen eine solche Durcheinanderstruktur. Denn die schreckt Füchse und Wildschweine ab.“

Im Heimfelder Wald liegt viel Totholz. Es bietet Insekten und Moosen wertvollen Lebensraum.
Im Heimfelder Wald liegt viel Totholz. Es bietet Insekten und Moosen wertvollen Lebensraum. © Hillmer/HA | Angelika Hillmer

Der Forstwirt mit 30 Jahren Praxiserfahrung geht zu einer nahe am Weg stehenden alten Buche. Am Stamm befinden sich Vertiefungen, ebenso an einer Astgabel. Er greift in eine Spalte, holt feuchtes, torfartiges Material heraus und nennt das Mulm. „Der Mulm bietet den Reliktkäferarten einen Lebensraum. Diese ehemaligen Urwaldbewohner haben lange Entwicklungszeiten und zeugen davon, dass dieser Wald ihnen schon sehr lange einen Lebensraum bietet. Im Heimfelder Holz stehen besonders viele alte Bäume. Sie haben viele Jahrzehnte forstlicher Nutzung überlebt. Das gibt es in Hamburger Wäldern höchstens noch im Wohldorfer Wald.“

37 Vogelarten brüten in dem Wald, darunter der seltene Mittelspecht

Die Käfervielfalt hat dazu beigetragen, dass das Heimfelder Holz unter Naturschutz gestellt wurde. Biologen haben hier 440 Arten nachgewiesen, von denen 122 auf der Roten Liste stehen. Auch zwei „Urwaldrelikt-Arten“. Den Strukturreichtum nutzen zudem 37 Brutvogelarten, darunter der seltene Mittelspecht, und elf von 14 in Hamburg vorkommenden Fledermausarten. Im Rahmen der Voruntersuchungen wurde sogar das Große Mausohr nachgewiesen – Hamburgs größte Fledermaus galt bereits als ausgestorben.

Naturschutzwart Manuel Krause steht mit seinem Hund Ares an einem vom Sturm gebrochenen Fichtenstamm.
Naturschutzwart Manuel Krause steht mit seinem Hund Ares an einem vom Sturm gebrochenen Fichtenstamm. © Hillmer/HA | Angelika Hillmer

Besonders am Heimfelder Wald ist auch die Topografie. Krause: „Viele Waldpflanzen mögen Schatten. Sie fühlen sich in den Hangschluchten besonders wohl.“ Nicht nur Pflanzen. Das Heimfelder Holz ist ein – nunmehr weitgehend verbotenes – Eldorado für Mountainbiker. Den Querfeldein-Fahrern billigt das Schutzgebiet eine einzige Strecke nördlich der Heimfelder Straße zu. Doch frische Pfade mit Reifenabdrücken zeugen davon, dass der Wald noch immer großflächig als Sportplatz genutzt wird. „Wir sind mit den organisierten Mountainbikerinnen und Mountainbikern zu diesem Thema im Gespräch und gehen von einer zeitnahen Lösung aus“, sagt David Kappenberg, Sprecher der Umweltbehörde.

Unter dem dichten Blätterdach der Buchen wächst kaum noch etwas

Die oft steilen Hänge verschaffen dem Wald ein besonderes Landschaftsbild, gerade wenn der Boden weitgehend vegetationslos ist. „Das ist ein sogenannter Buchenhallenwald“, erläutert der Fachmann. „Durch die annähernd geschlossenen Baumkronen dringt so wenig Licht, dass darunter nichts wächst.“ Nur dort, wo eine große Buche abgestorben ist, zeichnet sich am Boden sofort ein grünes Dickicht aus nachwachsenden Jungbuchen ab.

Am Wegesrand bilden Jungbuchen niedrige Dickichte.
Am Wegesrand bilden Jungbuchen niedrige Dickichte. © Hillmer/HA | Angelika Hillmer

Auch am Wegesrand ist der Buchennachwuchs üppig. Er wird durch die besonders trockenen Sommer 2015, 2018, 2019 und 2020 weiter befeuert. Denn die Bäume waren unter Stress geraten und bildeten als Reaktion besonders viel Früchte (Bucheckern) aus, um das Überleben der Art zu sichern. Diese übertreibt ein wenig und unterdrückt andere Pflanzen. „Die Buche schafft es sehr gut, im Bestand alleine zu stehen“, sagt der Naturschutzwart. Er zupft sich im Vorbeigehen ein junges Blatt und isst es. Es schmeckt frisch, etwas säuerlich.

Jede Spechtart hämmert in ihrem Rhythmus

Allmählich übertönt der Autobahnlärm das den Spaziergang begleitende Vogelgezwitscher. „Die Tiere im Wald stört das nicht, die gewöhnen sich daran“, kommentiert Krause die Geräuschkulisse. „Nur Menschen haben damit ein Problem.“ In der Nähe hämmert ein Specht an einem Baumstamm. „Buntspecht“, sagt Krause ohne hinzuschauen. Jede Spechtart klopfe in ihrem eigenen Rhythmus. Dann bleibt er stehen, greift zum Fernglas und visiert ein kleines Loch im Stamm an. „Dort ist Vogelkot zu sehen, es ist also bewohnt“, sagt Krause. Das Loch sei groß genug für Meisen, Kleiber und Baumläufer. Ein Eichhörnchen huscht vorbei und bringt Ares, den einjährigen Jagdhund, in Rage. Krause führt ihn vorschriftsmäßig an der kurzen Leine durch den Wald – Ares wäre viel lieber querfeldein unterwegs.

Der Weg endet an der Kuhtrift. Hier liegt der Wald – fast die Hälfte der Gesamtfläche – in privaten Händen. Er gehört der bayerischen Immoforst OHG von Heinrich Schabert. Dieser wollte 2016/17 in seinem Forst einen Kletterpark errichten, ist aber am Widerstand der Umweltbehörde gescheitert. 2018 kündigte Schabert an, seinen Wald 2019 forstwirtschaftlich nutzen zu wollen. Mit einem Einschlag von rund 600 Bäumen, hauptsächlich Buchen im Alter von 60 bis 130 Jahren.

Das Naturschutzgebiet schließt forstliche Nutzung aus

Damals unterblieb der Einschlag. Im Dezember 2019 entschied der Senat, den Wald zum Naturschutzgebiet zu machen. Damit war die forstliche Nutzung vom Tisch. Dazu möchte sich Waldeigentümer Schabert nicht äußern. Seine Begründung: „Wir befinden uns aktuell in Verhandlungen mit der Stadt. Es geht um den Ankauf der Fläche.“ Das bestätigt Behördensprecher Kappenberg: „Die Stadt ist dazu bereit, die Fläche anzukaufen.“

Bislang sei vielen Waldbesuchern noch nicht bekannt, dass das Heimfelder Holz ein Naturschutzgebiet sei, stellt die Harburger Bezirksfraktion der SPD fest. Sie stellte Mitte April den Antrag , an den Zugängen zum Schutzgebiet Schilder anzubringen, „die Hinweise für angemessenes Verhalten in dem Gebiet enthalten“. So seien neben den Mountainbikern weitere Fahrzeuge unterwegs: „Der Wald wird zunehmend als Teststrecke für ferngesteuerte kleine Geländewagen genutzt, die Baumwurzeln freilegen und beschädigen“, heißt es in dem Antrag. Die Beschilderung sei geplant, sagt David Kappenberg von der Umweltbehörde.