Buxtehude/Jork. Ein neues Projekt an der Hochschule 21 entwickelt ein autonomes Fahrzeug, das Apfelkisten zwischen den Bäumen abholt.
Im kommenden Jahr soll ein kleiner Elektrobus der Hochbahn im Probebetrieb völlig autonom und ohne Fahrer durch die HafenCity rollen. Und auch die Hamburger S-Bahn plant einen autonomen Zug, der 2021 testweise zwischen Berliner Tor und Bergdorf fahren könnte: Kein Zweifel, autonome Fahrzeuge könnten schon bald zum üblichen Verkehrsbild gehören. Einen Schritt weiter in dieser Technik ist nun ein Projekt der Buxtehuder Hochschule 21 in Kooperation mit dem Jorker Landmaschinen-Betrieb PWH: Beide entwickeln derzeit einen digitalen Erntehelfer, der nicht nur autonom wie eine Bahn zwischen Stationen in den Obstplantagen pendeln soll, sondern aktiv bei der Ernte unterstützt.
Ernte-Roboter soll gefüllte Apfelkisten erkennen und wegbringen
Zunächst indem er Obstkisten automatisch abtransportiert. Der Ernte-Roboter soll erkennen, wann sie gefüllt sind, wissen, wo sie abgestellt werden und „sich völlig autonom in der gesamten Fläche zurechtfinden“, wie jetzt der Projektleiter und Wissenschaftliche Mitarbeiter Alexander Kammann bei der ersten öffentlichen Präsentation des Projekts sagte. Eine Aufgabe, die gar nicht so einfach sein dürfte, wie er erläuterte. Der autonome Erntehelfer fährt eben nicht über Gleise oder glatte Straßen, er muss auch mit matschigem Untergrund zurechtkommen, darf nicht in Gräben rutschen, muss Bäume, Zäune und natürlich Menschen und Tiere erkennen können und er muss immerhin 500 Kilogramm schwere Kisten stemmen. Zahlreiche Sensoren und GPS-Navigation sollen ihn dabei lenken.
Perspektivisch, so Kammann, seien auch noch eine Reihe weiterer landwirtschaftlicher Aufgaben möglich. Etwa Mulchen oder Hacken – „monotone Arbeiten“, die er abnehmen kann.
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Elektromotor treibt den Erntehelfer an
Angetrieben wird er von einem Elektromotor, der aus zwei jeweils 53 Kilogramm schweren Akkus gespeist wird. Wie die am besten geladen werden, ob im Obstbaubetrieb oder in kleinen Garagen mit Solardächern auf den Plantagen selbst – das sei alles noch offen und Teil der Forschungs- und Entwicklungsarbeit, so Kammann. Möglich sei auch eine Art „Schwarmintelligenz“ von mehreren digitalen Erntehelfern, die untereinander kommunizieren und beispielsweise dann selbst entscheiden können, wer noch am meisten Energiekapazitäten hat, um Kisten zu holen – und wer wieder zur Ladestation fahren muss.
Erste Feldversuche starten im Herbst
Projektstart war für „AurOrA“ (Autonomer Obstplantagenhelfer Altes Land) im Frühjahr, im späten Herbst soll es nun erste Feldversuche geben – noch allerdings wohl mit einer Fernlenkung. Zur nächsten Ernte 2021 soll dann ein erster Prototyp schon im echten Einsatz sein. Das Projekt wird durch Drittmittel des Bundes zunächst für drei Jahre finanziert und soll danach zur Marktreife gebracht werden.
Federführung im Studiengang Mechatronik
Angesiedelt bei der Hochschule 21 ist „AurOrA“ im dualen Studiengang Mechatronik. Seit 2009 bietet dieser Zweig eine Kombination aus Praxis in Unternehmen mit wissenschaftlicher Ausbildung und verbindet laut Hochschule damit Inhalte klassischer Ingenieur-Disziplinen wie Maschinenbau, Elektrotechnik sowie Informatik. Geforscht wird hier in Bereichen wie Automatisierungstechnik, Robotik, Sensortechnik und anderen Grundlagen, um autonom agierende Roboter auf den Weg zu bringen.
Auch der Erntehelfer hat da eine Vorgeschichte. Bereits 2013 und 2015 hatte die Buxtehuder Hochschule mit ihrem Studiengang erfolgreich an einem Wettbewerb vom Deutschen Zentrum für Luft-und Raumfahrt teilgenommen. Dabei ging es darum, einen Roboter zu bauen und so zu programmieren, dass er in einem nachgebauten Szenario eines fremden Planeten Aufgaben erledigen kann: Zum Beispiel das Gelände kartieren oder Gegenstände zurück zur Basisstation zu bringen.
Ursprüngliche Idee kam aus der DESY
Die Buxtehuder Lösung machte dann die Deutsche Elektronen-Synchrotron (DESY) auf die Hochschule und ihre Roboter-Kompetenz aufmerksam, In Kooperation entwickelte man für den unterirdischen und weltgrößten Röntgenlaser in Hamburg einen Inspektions-Roboter, der autonom die Strahlung in dem Tunnel messen kann und dort selbstständig unterwegs ist. Eine Arbeit, die zuvor von menschlichen Teams erledigt wurde, wozu aber die Anlage abgeschaltet werden musste, was wiederum wertvolle Forschungszeit kostete.
Auch wenn der Sprung von den Laserlichtblitzen im Hamburger DESY-Tunnel zu den Jorker Apfelbäumen nun groß erscheint, das Prinzip ist doch ähnlich. Mit Hilfe etlicher Sensoren sind da Fahrzeuge unterwegs, die völlig selbstständig lästige Routinearbeiten erledigen können. Eines sei klar, sagt dann auch AurOrA-Projektleiter Kammann: „Wir wollen einen ganzjährig einsetzbaren Helfer, der auch nachts arbeiten könnte.“