Winsen/Harburg. Bis 2030 sollen sich die Fahrgastzahlen verdoppeln. Gemeinden sagen Unterstützung zu, sehen allerdings auch die Bahn in der Pflicht.

Es ging um die Zukunft des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) auf der Strecke zwischen Lüneburg und Hamburg. Die soll selbstredend rosiger aussehen als das jetzt noch der Fall ist. Um zu klären, wie das zu schaffen ist, kamen jetzt Vertreter von Kommunen und der Metronom Eisenbahngesellschaft – mit täglich 120.000 Kunden gehört sie zu den größten privaten Eisenbahnunternehmen Deutschlands – wieder mal im Winsener Rathaus am Runden Tisch zusammen. Den Anstoß gab in diesem konkreten Fall die kürzlich von Metronom vorgestellte Infrastruktur-Initiative.

Die Gesprächspartner auf Seiten der Kommunen waren: für die Samtgemeinde Bardowick Bürgermeister Heiner Luhmann; für die Gemeinden Seevetal und Stelle Bürgermeister Robert Isernhagen, dessen Stellvertreter Uwe Gundlach sowie der Leiter der Planungsabteilung, Fred Patzwaldt. Die Stadt Winsen vertrat Bürgermeister André Wiese sowie für den Landkreis Alexander Stark, Leiter der Stabstelle Kreisentwicklung. Metronom wiederum war vertreten durch Geschäftsführer Lorenz Kasch und Unternehmenssprecher Björn Pamperin.

345.000 Pendler sind täglich in der Metropolregion unterwegs

Zum Hintergrund: Täglich pendeln 345.000 Menschen in der Metropolregion Hamburg. Seit 1989 ist nach Metronom-Angaben die Zahl der Pendler Richtung Hamburg um rund 35 Prozent gestiegen, die Zahl derjenigen, die in der entgegengesetzten Richtung unterwegs sind, sogar um 100 Prozent. Täglich fahren 140.000 Menschen nach Bremen – im Jahr 2015 lag die Zahl noch bei 133.000. Hamburg, Bremen und Hannover/Braunschweig/Göttingen/Wolfsburg zählen zu den Top 11 Metropolregionen Deutschlands.

Die Auslastung der Züge sei insbesondere in den Hauptverkehrszeiten hoch, sagt Metronom. Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung sieht nichtsdestotrotz eine Verdopplung der Fahrgastzahlen bis zum Jahr 2030 vor. Tatsächlich ist noch Luft nach oben. Jedenfalls hat der jüngste Mobilitätsreport der Online-Jobplattform Stepstone ergeben, dass zwei von drei Berufspendlern das Auto vorziehen.

„Wachstum auf der Schiene muss gut geplant sein“

Wie wichtig es ist, die Zukunft des SPNV krisenfest zu gestalten, unterstrich Winsens Bürgermeister André Wiese: „Schon durch andere Projekte zum Beispiel in der Leader-Region Achtern-Elbe-Diek sind die Kommunen eng miteinander verbunden. Auch im SPNV haben wir ähnliche Betrachtungswinkel, da wir an derselben Strecke liegen.“ Nach Wieses Ansicht mindestens genauso wichtig: „Bardowick, Seevetal, Stelle und Winsen sind allesamt wachsende Orte. Deshalb muss auch das Wachstum auf der Schiene mithalten und gut geplant werden.“

Gemeinsames Ziel von Kommunen und Eisenbahngesellschaft müsse es sein, so viele Personen wie möglich auf die Schiene zu bekommen. Nicht nur in diesem Punkt waren sich alle einig. Auch die Pläne der Gemeinden, die Zahl der P+R-Stellplätze in Bahnhofsnähe zu erhöhen, werden allenthalben begrüßt. Die Kommunalvertreter sprachen jedenfalls bei diesem Treffen wie aus einem Mund: „Die Kommunen machen ihre Hausaufgaben.“ Sie sehen deshalb nun die Eisenbahner in der Pflicht: Nun müsse der SPNV nachziehen und die Weichen stellen, um nicht nur eine höhere Verlässlichkeit zu gewährleisten, sondern auch die Kapazitäten der wachsenden Metropolregion abzudecken.

Am guten Willen der Kommunen solle das Projekt jedenfalls nicht scheitern, versicherte Heiner Lohmann, Bürgermeister der Samtgemeinde Bardowick: „Wir Kommunen wollen das Thema proaktiv begleiten und verbessern und suchen deshalb den Schulterschluss mit der Metronom Eisenbahngesellschaft.“

Dreh- und Angelpunkt ist die Infrastruktur

Für alle Beteiligten steht fest, Dreh- und Angelpunkt eines pünktlichen SPNV ist das, was die Experten eine zukunftsfeste Infrastruktur nennen. Aktuelle Verspätungen führen sie insbesondere auf mangelnde Kapazitäten auf den Schienen zurück: „Dabei gibt es neben langfristigen Maßnahmen wie Erweiterung der Gleiskapazitäten oder Vergrößerung der Bahnsteige im Hamburger Hauptbahnhof auch kurzfristige Stellschrauben, an denen im Sinne einer Optimierung gedreht werden kann.“

Metronom-Geschäftsführer Lorenz Kasch nennt Beispiele: „Es wäre schon ein Gewinn, wenn unsere Züge die Gleise zwischen Lüneburg und Harburg flexibler nutzen könnten und nicht so oft durch Warten auf ICE- oder Güterzüge, gestörte Signale oder auf den Gleisen liegende Bäume ausgebremst würden.“

Kommunen versprechen schnelles Handeln

Die Runde einigte sich darauf, den Grünschnitt sowie den Ausbau und die Optimierung der Weichen- und Signalanlagen auf ihren jeweiligen Streckenabschnitten voranzutreiben. Mangelnder Grünschnitt ist oft Ursache für Totalsperrungen bei Sturm, Unwetter und Schneefall. Die Vertreter der Kommunen versprachen – sofern es um Flächen geht, die ihnen gehören – sich für schnelle Genehmigungen und Vermittlung zwischen DB und Naturschutzbehörde einzusetzen. Zudem soll die bedarfsgerechte Ergänzung von Weichen und Signalen für reibungslose Zugüberholungen sorgen. Winsens Bürgermeister Wiese markierte den nächsten Schritt: „Wir wollen mit der DB Netz AG, aber auch der Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen in den Dialog kommen und uns dafür einsetzen, dass unser Streckenabschnitt optimal und ohne lange Wartezeiten genutzt werden kann.“

Von soviel Rückenwind war Metronom-Sprecher Björn Pamperin geradezu begeistert: „Das ist der richtige Weg, um die Zukunft des SPNV zu sichern – alle an einem Tisch, um gemeinsam Lösungen zu finden!“

Infrastruktur-Initiative

„Einfach fahren“ ist der Titel der Metronom-Infrastruktur-Initiative, die das Unternehmen aus Uelzen Ende vergangenen Jahres vorgestellt hat. Dessen Ziele sind klar und der Traum aller Pendler: mehr Züge, häufigere Fahrten, weniger Verspätungen und keine Zugausfälle. Um diesem Wunschdenken näher zu kommen, hat Metronom in seinem Initiativen-Papier zur kurz- und mittelfristigen Stabilisierung einen Forderungskatalog zusammengestellt. Kurz und prägnant liest sich der so: 1. Grünschnitt - endlich machen! 2. Keine Weichen-/Oberleitungs-/Stellwerkstörungen. 3. Am Hamburger Hauptbahnhof: umgehend Bahnsteige frei räumen und (provisorische) Zugänge schnell schaffen. 4. Zusätzliche Weichen und Signale zwischen Hamburg und Lüneburg (und damit bessere Nutzung des vorhandenen 3. Gleises). Weiter geht es mit dem Ausbau der Infrastruktur und 5. Hamburg-Lüneburg im 15-Minuten-Takt: eigenes Gleispaar für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV). 6. Bahnsteigkapazität in Hamburg: Ausbau und Anbindung neuer Bahnhöfe in Hamburg (Güterumgehungsbahn). 7. Wachstum im Umland: Das 3. Gleis zwischen Lüneburg und Uelzen.