Hamburg. Anwohner der Dorotheenstraße und der Sierichstraße sind empört. Ihr „Garten“, ein ökologisches Kleinod, wird mit Luxuswohnungen bebaut.
Schon im Juni waren Anwohnerinnen und Anwohner aus der Dorotheenstraße, der Sierichstraße und dem Krohnskamp auf die Barrikaden gegangen. Sie machten sich Sorgen um ihre Hinterhof-Idylle in Winterhude, in der ein Neubau mit acht Luxuswohnungen geplant ist. Nachdem der Bezirk Hamburg-Nord damals darauf verwiesen hatte, dass das Vorhaben nicht wie im Vorbescheid beschrieben umgesetzt werden könnte, wurde es jetzt genehmigt. Sogar mit zehn statt mit acht Wohnungen.
Das ruft die Nachbarn erneut auf den Plan. „Mit großer Sorge wenden wir uns als Anwohnerinnen und Anwohner der Häuser Dorotheenstraße 65 bis 97, Krohnskamp 2 bis 8 und Sierichstraße 66 bis 82 an die Öffentlichkeit“, schreiben sie in einem Brandbrief an verschiedene Medien. „Unser parkähnlicher Innenhof, ein Ruhepol mitten in der Stadt und Heimat vieler Tierarten, soll einem Bauprojekt für zehn Luxuswohnungen weichen.“
Winterhude: Neubau – Anwohner kritisieren Verlust von ökologischem Kleinod
Dieser Innenhof sei aber nicht nur ein Ort der Begegnung für die Bewohner und Bewohnerinnen der rund 150 umliegenden Wohnungen „und damit mehrere hundert Nachbarn“, sondern auch „ein ökologisches Kleinod“. Die alten Bäume dort hätten einen Stammumfang von bis zu zwei Metern, der Hinterhof sei Lebensraum für Eulen, Spechte, Eichhörnchen und eine Vielzahl weiterer Vogelarten.
Zudem bedeute die geplante Flächenversiegelung nicht nur den Verlust eines wichtigen Grünraums, sondern werde auch schwerwiegende Konsequenzen für das Stadtklima haben, befürchten die Nachbarn. Hamburg – und vor allem ihr Stadtteil Winterhude – erlebe bereits heute die Folgen von Starkregenereignissen. „Unser Innenhof liegt laut Hamburger Wasseratlas in einem Hochwassergefährdungsgebiet. Jede weitere Versiegelung erhöht die Überschwemmungsgefahr.“
Hinterhof in Winterhude: Neubau verschattet umliegende Wohnungen
Zudem führe der Neubau der zehn Wohnungen zu einer Verschattung von mindestens 18 Wohnungen. „Das verschlechtert die Wohnqualität etlicher Anwohner“, so die Nachbarn. Besonders bitter sei der Umgang des Bezirksamts mit diesem Bauvorhaben. So sei der Bauvorbescheid ohne Beteiligung der Öffentlichkeit getroffen und ihr Widerspruch sowie eine Petition mit mehr als 300 Unterschriften ignoriert worden.
Mit der jetzt erteilten endgültigen Baugenehmigung widerspreche der Bezirk nicht nur den Wahlkampfversprechen der Parteien, sondern auch dem gesunden Menschenverstand. „Während bezahlbarer Wohnraum fehlt, entstehen erneut Luxuswohnungen. Während Grünflächen für das Stadtklima und die Lebensqualität erhalten werden müssten, werden diese systematisch zerstört“, heißt es in dem Schreiben der Anwohner. „Und während von mehr Bürgerbeteiligung gesprochen wird, werden weitreichende Entscheidungen wie diese hinter verschlossenen Türen getroffen.“
Neubau in Winterhude: Bezirksamt äußert sich zur Genehmigung
Wie das Bezirksamt Hamburg-Nord auf Abendblatt-Anfrage mitteilt, wurde für das besagte Grundstück am 20. November ein Genehmigungsbescheid für den Neubau eines Mehrfamilienhauses mit zehn Wohneinheiten erteilt. Noch im Juni hatte das Bezirksamt betont, man habe für das Projekt nur einen Vorbescheid erteilt, „mit dem allein dieses Vorhaben nicht realisiert werden kann“. Ein Genehmigungsverfahren war damals noch nicht beantragt worden.
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Das hat sich offenbar geändert. Warum der viergeschossige Neubau jetzt genehmigt wurde, erklärt Sprecherin Elina Wiesner folgendermaßen: „Im Vergleich zum Vorbescheid wurde das Projekt vom Vorderhaus abgerückt. Weiterhin wurde der Baukörper so angepasst, dass auf den Baumbestand mehr Rücksicht genommen wurde und weniger Bäume für das Vorhaben gefällt werden müssen.“ Vier Bäume mit Stammumfängen zwischen 36 und 62 Zentimetern dürfen laut Baugenehmigung jedoch gefällt werden.
Winterhude: Streit um Neubau im Hinterhof – Anwohner holen sich Fachbeistand
Die Entscheidung sei einem Nachbarn, der im Vorbescheidsverfahren widersprochen hatte, sowie dem Unterausschuss Bau vorgelegt worden, so die Bezirkssprecherin. Eine Überschwemmungsgefahr bestehe bei dem entsprechenden Grundstück „in keinem erhöhten Maße“. Das planungsrechtlich zulässige Maß der bebaubaren Fläche werde eingehalten.
Die Anwohner und Anwohnerinnen wollen das jedoch nicht hinnehmen. Mehrere Nachbarn aus der Sierichstraße haben zum Teil schon jetzt Probleme mit Feuchtigkeit in ihren Kellern und befürchten, dass sich diese durch die Bebauung verschlimmern. Deshalb sind sie nun aktiv geworden – sie haben sich juristischen Fachbeistand geholt.