Hamburg. In einem Hinterhof zwischen Dorotheen- und Sierichstraße soll gebaut werden. Befürchtet werden auch Schäden für Häuser und Klima.
- Eine grüne Hinterhof-Idylle in Winterhude soll mit acht Luxuswohnungen bebaut werden
- Anwohner aus 150 Wohnungen würden dadurch Nachteile erleiden
- Aus ihrer Sicht widerspricht das Vorhaben zwei wichtigen Zielen der Stadt Hamburg
Auf der großen Rasenfläche hinter den drei Backsteinhäusern an der Dorotheenstraße in Hamburg-Winterhude stehen zahlreiche hohe Bäume. Dazwischen sieht man Spielgeräte, ein Trampolin, eine Schaukel, Bänke und Stühle. Der Hinterhof ist das Herz einer weitläufigen Idylle, zu der auch die angrenzenden Gärten gehören. Sie sind zwar durch Zäune und Hecken voneinander getrennt, bilden aber doch eine grüne Einheit.
Deshalb kämpfen auch nicht nur Mieter der Dorotheenstraße 75 bis 79 dagegen, dass in ihrem Garten acht Luxuswohnungen – den Vorbescheid für einen viergeschossigen Neubau hat die Eigentümerin bereits – gebaut werden. Auch Anwohner der Sierichstraße und des Krohnskamps haben sich angeschlossen. Darunter sind auch viele Nachbarn, deren Grundstücke nicht unmittelbar an den betroffenen Hinterhof grenzen.
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„Es ist unverhältnismäßig, dass für den Bau von acht Wohnungen die Bewohner von mindestens 150 Wohnungen massive Nachteile erleiden müssen“, so das Credo. Denn eine Bebauung würde Probleme nach sich ziehen, von denen auch die Bewohner weiter entfernter Gebäude betroffen wären. Nach geplanten (und erfolgreich verhinderten) Neubauten am Mühlenkampkanal ist es das zweite Vorhaben an der Dorotheenstraße, dem viel Grün zum Opfer fallen könnte.
Volker Skierka, der als Beirat die Interessen von Eigentümern der 1925 errichteten Häuser Sierichstraße 64 bis 68 vertritt, sieht das Hauptproblem in der drohenden Versiegelung der Hinterhof-Idylle. Denn diese ist in der Starkregenhinweiskarte im Wasseratlas der Stadt eingezeichnet und könnte nach heftigem Regen deutlich mehr als einen halben Meter unter Wasser stehen.
Winterhude: Anwohner gegen Neubau – sie befürchten Starkregenschäden
„Wir befürchten, dass durch eine Bebauung ausgerechnet am Tiefpunkt der Starkregensammelfläche der gesamte Grundwasserpegel aus dem Gleichgewicht gerät“, so Skierka. „Bei zunehmenden Starkregenereignissen könnte Wasser in trockene Souterrain- und Kellerräume drücken und diese unbewohnbar beziehungsweise als Keller unbrauchbar machen.“
Der Grundwasserspiegel in dem Gebiet zwischen Rondeelteich und Goldbekkanal ist schon jetzt sehr hoch. Das habe laut Anwohner Michael Wiese ein Gutachter festgestellt, den er hinzugezogen hatte, als vor zwei, drei Jahren Souterrain-Räume in den Altbauten zu Wohnraum umgewandelt werden sollten. Andere Eigentümer aus der Sierichstraße berichten, dass ihnen wegen des feuchten Bodens von dem nachträglichen Einbau eines Aufzugs abgeraten wurde.
Hinterhof in Winterhude: Anwohner wollen Natur- und Erholungsraum nicht verlieren
Den rund 75 Bewohnern aus den drei betroffenen Häusern an der Dorotheenstraße befürchten zudem den Verlust von wertvollem Natur- und Erholungsraum. „Kinder können hier gefahrlos spielen, wir Erwachsenen uns zum Klönen treffen“, sagt etwa Horst Pilarzyk, der seit 66 Jahren in der Dorotheenstraße 77 lebt.
Vor allem widerspreche der Bau von hochpreisigen Wohnungen an dieser Stelle aber dem Wohnungsbauprogramm des Bezirks, sagt Ulrike Wilhelm aus der Dorotheenstraße 77. In dessen Fokus ständen „günstige und mittelpreisige Wohnungen“ sowie die Einhaltung der „Grundsätze und Notwendigkeiten zum Klimaschutz“. Beiden Punkten, so die Anwohner, werde mit der großflächigen Versiegelung einer Grünfläche mit jahrzehntealtem Baumbestand zugunsten von acht Wohnungen im Luxussegment nicht Rechnung getragen.
Kritik: Für das Stadtklima wichtige Flächen sollen für acht Wohnungen vernichtet werden
Missachtet würde auch, was in der Stadtklimaanalyse der Umweltbehörde aufgezeigt werde: dass die Grünflächen in Hamburg einen essenziellen Beitrag zur Durchlüftung des Stadtgebiets und damit zur Verbesserung des Mikroklimas leisten. Da diese Wetterlagen gesundheitlich insbesondere für Kinder, kranke und ältere Menschen sehr belastend sein könnten, sei ein stadtplanerisches Ziel, „wichtige Kaltluftentstehungsgebiete zu erhalten und über die Stadt verteilt ausreichend grüne Flächen vorzuhalten“.
„Genau diese für das Stadtklima wichtigen Flächen gibt es hier – und sie sollen wohlgemerkt für acht Wohnungen, vernichtet werden. Das ist ein enormes Missverhältnis“, sagt Uwe Scheffner. Der Mieter aus der Dorotheenstraße war bereits zweimal in der Bezirksversammlung, um auf diese Problematik hinzuweisen. Vergeblich. „Mir wurde dort gesagt, das Bauvorhaben sei eine privatrechtliche Angelegenheit. Doch dieser liegt schließlich eine politische Entscheidung zugrunde.“
Winterhude: Baustelleneinrichtung an Dorotheenstraße ist laut Insider „fast unmöglich“
2021 sei der Baustufenplan aufgehoben worden, der festgelegt habe, wie viel Fläche auf einem Grundstück bebaut werden darf, so Scheffner. „Damit sind jetzt auch Nachverdichtungen wie diese möglich – obwohl hier das Gegenteil davon gemacht wird, was Hamburg eigentlich will: Die Stadt bewohnbar und tauglich für die Zukunft machen.“
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Ein weiterer Mieter aus der Dorotheenstraße verweist auf die Probleme einer Baustelleneinrichtung. Der Projektentwickler setzt Neubauvorhaben um und möchte seinen Namen nicht nennen, weil er aus der Branche kommt. Doch er weiß: „Eine Baustelleneinrichtung bei der engen Straßenführung hier ist fast unmöglich.“
Immobilien Hamburg: Hinterhof-Anwohner fordert Bezirk auf, „Vorbildcharakter“ zu sein
Er betont: „Das gesamte Vorhaben würde viel Stress für Anwohner und Gewerbetreibende nach sich ziehen und einen enormen Kostenaufwand bedeuten.“ Auch die Maßnahmen, die wegen des hohen Grundwasserspiegels getroffen werden müssten, seien extrem teuer.
Die Anwohner fordern in einer Petition von der Bezirksversammlung Hamburg-Nord und den weiteren zuständigen Stellen, den intakten Grünflächen-Innenhof zu erhalten und „ein Bezirk mit Vorbildcharakter!“ zu sein.
Das Bezirksamt selbst verweist darauf, dass für die Dorotheenstraße 75–79 im vergangenen Jahr bislang lediglich ein Vorbescheid erteilt wurde, „mit dem allein dieses Vorhaben nicht realisiert werden kann“. Ein Genehmigungsverfahren sei bislang nicht beantragt. Die Eigentümer waren für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.